Sozialhilfe muss Gebärdendolmetscher an Förderschule finanzieren

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LSG Chemnitz: Unterrichtsassistenz schafft Lern-Voraussetzung

Hat eine Förderschule für hörgeschädigte Kinder kein Lehrpersonal mit ausreichenden Gebärdensprachkenntnissen, kann das Sozialamt zur Kostenübernahme für einen Gebärdendolmetscher verpflichtet sein. Denn werde mit dem Gebärdendolmetscher als Unterrichtsassistenz die Grundvoraussetzung zum Lernen geschaffen, müsse die Sozialhilfe diese Eingliederungshilfe finanzieren, bekräftigte das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz in seinem kürzlich bekanntgegebenen Beschluss vom 3. Dezember 2019 seine bisherige Rechtsprechung (Az.: L 8 SO 94/19 B ER).

Im konkreten Fall besuchte ein 2006 geborener gehörloser Schüler die „Johann-Friedrich-Jencke-Schule in Dresden”. Dabei handelt es sich um eine Förderschule für Hörgeschädigte. Der Unterricht wurde weitgehend in Lautsprache gehalten, da das Lehrpersonal über keine ausreichenden Kenntnisse in Gebärdensprache verfügte.

Der Schüler beantragte daher beim Sozialamt Eingliederungshilfe in Form eines Gebärdendolmetschers. Nur mit diesem werde ihm die Teilnahme am Unterricht und damit der Erhalt einer angemessenen Schulbildung überhaupt erst ermöglicht.

Der Sozialhilfeträger lehnte den Antrag ab. Die Schule sei für die Bereitstellung von Gebärdendolmetscher zuständig.

Dem widersprach hier jedoch das LSG. Der Kernbereich der pädagogischen Tätigkeit sei Sache der Schule. Bei der im konkreten Fall gewünschten Finanzierung eines Gebärdendolmetschers gehe es aber nicht um die schulische Kernaufgabe der Wissensvermittlung, sondern vielmehr um die Schaffung von Voraussetzungen, um überhaupt lernen zu können. Hierfür sei die vom Sozialamt zu gewährende Eingliederungshilfe notwendig.

Der Schüler verfüge zudem über eine ausreichende Gebärdensprache, so dass er mithilfe eines Gebärdendolmetschers auch ausreichend Wissen erwerben könne. Der vorrangig lautsprachliche Unterricht werde den Bedürfnissen des gehörlosen Schülers nicht gerecht.

Das LSG hatte am 27. März 2018 im Fall einer 17-jährigen, nahezu gehörlosen Schülerin bereits ähnlich entschieden (Az.: L 8 SO 123/17 B ER; JurAgentur-Meldung vom 5. April 2018). Danach muss die Sozialhilfe einer Schülerin die Kosten eines Gebärdendolmetschers bezahlen, weil ihre Förderschule „nicht in der Lage ist, eine behindertengerechte Beschulung zu gewährleisten”.

Komme die Förderschule ihrer Pflicht einer behindertengerechten Beschulung nicht nach, müsse die Sozialhilfe „die erforderlichen Leistungen als Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung erbringen”. Allerdings habe der Sozialhilfeträger dann „die Möglichkeit, gegen den eigentlich vorrangig verpflichteten Schulträger Erstattungsansprüche geltend zu machen”, so das LSG. fle

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