Sozialhilfe: Beitragsrückerstattung der Krankenkasse ist zu berücksichtigendes Einkommen

Lesedauer 4 Minuten

Die Beitragsrückerstattung einer privaten Krankenversicherung ist Einkommen im sozialhilferechtlichen Sinn. Das entspricht der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des SGB 2.

Eine Beitragsrückerstattung in Form einer Gutschrift einer privaten Krankenversicherung ist als Einkommen auf den Leistungsanspruch bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung anzurechnen.

Die Gutschrift von 500 Euro ist als einmalige Einnahme im Folgemonat bedarfsmindernd anzurechnen.

Es handelt sich bei der Beitragsrückerstattung weder um eine nach Zweck und Inhalt bestimmte Leistung noch um eine Zuwendung im Sinne des Sozialhilferechts.

Das gibt aktuell die 10. Kammer eines bayrischen Sozialgerichts bekannt (S 10 SO 58/23 ) . Die Berufung wurde zugelassen, denn die Frage war bereits beim BSG als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen B 8 SO 10/22 R anhängig, wurde aber nicht entschieden.

Begründung des Gerichts

Dieser Sachverhalt ist auch nicht von der Regelung des § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII erfasst

Einkünfte aus Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, die Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz erbracht haben, kein Einkommen

Denn zum einen handelt es sich nicht um eine auf einer Vorauszahlung basierenden Rückerstattung, denn der Gesetzgeber hatte bei der Einführung der Norm die Rückerstattung aus einer zu viel gezahlten Stromkostenpauschale oder vergleichbare Fälle im Sinn und wollte derartige Rückerstattungen von Aufwendungen, die der Leistungsempfänger zuvor aus dem Regelbedarf gezahlt hatte, von der Einkommensanrechnung ausnehmen (vgl. BT-Ds. 17/3404, S. 128).

Die Beitragsrückerstattung soll hier ein bestimmtes Verhalten belohnen

Die hiesige Beitragsrückerstattung basiert aber – entgegen ihrer Bezeichnung – tatsächlich nicht auf einer Rückerstattung von überzahlten Versicherungsbeiträgen, ist also nicht etwa der Saldo zwischen zu viel gezahlter Beitragsvorauszahlung und einem tatsächlichen, später genau abgerechneten Verbrauch.

Sondern es soll ein bestimmtes Verhalten belohnen, indem sie eine pauschale Beteiligung am positiven Geschäftsergebnis eröffnet, sofern in einem Versicherungsjahr keine Erstattung beantragt wird.

Zum anderen fehlt der Rückerstattung der notwendige Bezug zu den aus dem Regelbedarf erbrachten Aufwendungen

Hier ist nämlich vor allem zu beachten, dass der Bedarf für die Absicherung gegen Kosten im Krankheitsfall durch Übernahme der Versicherungsbeiträge nach § 32 SGB XII gedeckt ist.

Versicherungsbeiträge werden also bereits vollständig durch den Sozialhilfeträger übernommen.

In dieser Konstellation besteht kein legitimer Grund für den Leistungsberechtigten, sich über die jeweilige Bedarfsdeckung hinaus aus dem Regelbedarf zu versorgen.

Die Vorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ist nach ihrem Sinn und Zweck und im Hinblick auf die Gesetzesbegründung mithin so zu verstehen, dass nur solche Aufwendungen zu privilegierten Rückerstattungen führen, die der Leistungsberechtigte aus dem Regelbedarf erbringen musste, der Bedarf ansonsten also nicht gedeckt gewesen wäre.

Es handelt sich nach Auffassung des Gerichts auch um keine – Nach Zweck und Inhalt bestimmte Leistungen – § 83 SGB XII

Die (öffentlich-rechtlichen) Vorschriften des SGB V, namentlich § 65a SGB V, sind vorliegend nicht anwendbar, da es sich bei der Krankenkasse um eine private Krankenversicherung handelt. Grundlage des Versicherungsverhältnisses ist ein privatrechtlicher Versicherungsvertrag, in der Regel konkretisiert durch Allgemeine Versicherungsbedingungen. Auch die streitgegenständliche Beitragsrückerstattung ist daher privatrechtlicher Natur.

Es handelt sich auch – nicht – um eine privilegierte Zuwendung im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB XII

Die Vorschrift setzt voraus, dass ein anderer eine Zuwendung erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben.

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, denn die Beitragsrückerstattung durch die Krankenkasse basiert auf einem privatrechtlichen Verhältnis zur Klägerin. Auch wenn die Beitragsrückerstattung neben der Nichtabrechnung im vorgehenden Versicherungsjahr von weiteren Voraussetzungen abhängig ist (vor allem vom positiven Geschäftsergebnis), so handelt es sich dennoch um eine Nebenleistung des Versicherungsverhältnisses, auf die der Versicherte bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch hat.

Das Gericht kommt zu folgendem Ergebnis

1. Die Beitragsrückerstattung der privaten Krankenkasse ist als Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts anzusehen.

2. Die Beitragsrückerstattung ist eine einmalige Einnahme

3. Sie ist nach § 82 Abs. 7 Satz 1 SGB XII im Folgemonat zu berücksichtigen.

Hinweis Gericht

Die Berufung war zugelassen, denn die Frage war bereits beim BSG als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen B 8 SO 10/22 R anhängig und konnte in der Sache nur deshalb nicht entschieden werden, da die Klage aufgrund des Todes des dortigen Klägers zurückgenommen worden war.

Vor dem Hintergrund der Nichtzulassung der Revision in der Berufungsinstanz (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 13.10.2021 – L 4 SO 217/19 – ) ist anzunehmen, dass das BSG die grundsätzliche Bedeutung bereits selbst bejaht hatte, da es offensichtlich die Revision infolge einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen hat.

Praxistipp zum Bürgergeld

Anrechnung beim Bürgergeld von Prämien der Krankenkassen

Prämien, die aufgrund einer guten Wirtschaftslage der Krankenkasse (siehe § 242 Absatz 2 SGB V) an die Versicherten gezahlt werden, sind als Einnahme zu berücksichtigen, da mit dieser Zahlung die Versicherten ohne weitere Zweckverfolgung an den Überschüssen der Krankenkasse beteiligt werden.

Hinweis vom Experten für Sozialrecht Detlef Brock – Beitragsrückerstattung der privaten Krankenversicherung nach der Rechtsprechung des BSG zum SGB 2

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( Urteil vom 20.02.2020 – B 14 AS 52/18 R – ) gilt, dass es sich bei einer Beitragsrückerstattung der privaten Krankenversicherung um eine anrechenbare einmalige Einnahme handelt, vergleichbar mit einer Steuererstattung.

Für Bezieher von Bürgergeld heißt das

Gemäß § 11 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) gilt für die Berücksichtigung von Einkommen das sogenannte Zuflussprinzip.

Eine Einnahme wird danach in dem Monat zugerechnet, in dem sie zufließt. Eine Zweckbestimmung und der Rechtsgrund bleiben bei der Anwendung des Zuflussprinzips unbeachtlich.

Werden Beitragsrückerstattungen der privaten Krankenkasse ausgezahlt, sind diese nach dem Zuflussprinzip wie andere zufließende Einnahmen als leistungsminderndes Einkommen zu berücksichtigen.

Anmerkung

Wir dürfen gespannt sein, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung dazu entscheiden wird, denn diese Frage war ja schon mal beim BSG anhängig, wurde aber nicht entschieden.