Bürgergeld: Jobcenter muss Bekleidungserstausstattung bei erheblicher Gewichtsabnahme zahlen

Lesedauer 8 Minuten

SGB 2: Bürgergeld- Empfänger können nach starker Gewichtsreduktion Anspruch auf Sonderbedarf für Bekleidungserstausstattung haben

Infolge starken Gewichtsverlustes kann bei Erwachsenen ein Bedarf an einer Erstausstattung für Bekleidung gem. § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II entstehen. So urteilte das LSG Hamburg mit Urteil vom 27.10.2011, – L 5 AS 342/10 –

Gewichtsabnahme von ca. 30 kg recht fertigt Erstausstattung an Bekleidung

Der Leistungsbezieher beantragte beim Jobcenter eine Erstausstattung an Bekleidung auf Grund von Medikamenteneinnahme. Er habe rund 30 kg abgenommen und seiner Kleidergröße habe sich erheblich reduziert.

Das Jobcenter lehnte den Antrag sowie den Widerspruch ab.

Das LSG Hamburg gab dem Antragsteller Recht und urteilte

1. Ein Bedarf an einer Erstausstattung für Bekleidung für Erwachsene kann entstehen bei starkem Gewichtsverlust.

2. Der Begriff der Erstausstattung ist abzugrenzen von dem Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu bestreiten ist.

3. Erfasst werden diejenigen Fälle, in denen so gut wie keine Ausstattung für die jeweilige Bedarfssituation vorhanden ist; etwa nach Gesamtverlust durch Wohnungsbrand oder aufgrund „außergewöhnlicher Umstände“ (BT-Drs. 15/1514 S. 16).

4. In einer erheblichen Gewichtsveränderung kann so ein außergewöhnlicher Umstand liegen, der bei Erwachsenen – im Gegensatz zu Kindern, die im Rahmen des Wachstums regelmäßig auf neue Kleidung angewiesen sind – nicht regelmäßig und damit planbar vorkommen (vgl. BSG, Urt. v. 23.3.2010 – B 14 AS 81/08 R; LSG Berlin-Bbg., Urt. v. 25.2.2010 – L 34 AS 24/09; LSG NW, Urt. v. 17.9.2008 – L 12 AS 57/07).

5. Grundsätzlich kommen Änderungsmaßnahmen an den vorhandenen Kleidungsstücken bei Gewichtsverlust in Betracht, allerdings war das Gericht der Meinung, dass es hier ausgeschlossen sei.

Anmerkung Redakteur Detlef Brock

Sehr gute Entscheidung, die bis heute gilt!

Grundsätzlich gilt:

Gewichtsabnahme oder Gewichtszunahme können einen Bedarf an Kleidung darstellen. Eine erhebliche Gewichtsveränderung, ob nun Gewichtsabnahme oder Gewichtszunahme können einen Erstausstattung- Bekleidungsbedarf rechtfertigen.

Bei der Krankheit Adipositas Grad 1 kann ein Sonderbedarf an Bekleidung gegeben sein, abzulehnen ist er hingegen bei Adipositas Grad 1 durch übermäßige Kalorienzufuhr – Nachweis Gutachten – LSG Rechtsprechung).

Auch Sozialhilfebezieher können einen Anspruch auf Bekleidungserstausstattung haben bei Gewichtszunahme bzw. Gewichtsabnahme – § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII -.

Auch im SGB XII – der Sozialhilfe § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB 12 kann so ein Anspruch bestehen ( SG Lüneburg S 32 SO 3/10 ER ).

Die Erstausstattung für Bekleidung kann aber auch durch einen neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände begründet sein (Bundestagsdrucksache 15/1514, 60).

Anerkannt ist sind etwa ein Totalverlust bzw. Teilverlust der vorhandenen Bekleidung oder eine unzureichende Bekleidungsausstattung nach einer Haft oder Wohnungslosigkeit.

Erheblicher Gewichtsverlust ( 205 kg auf 138 kg) eines fast 2m großen Sozialhilfebeziehers durch Magenverkleinerung auf Grund der Adipositas (BMI von 53,4) rechtfertigen eine Bekleidungserstausstattung ( hier gewährte das Sozialamt 800 € ).

Beim Bekleidungsbedarf muss es sich um ein zeitnahes Ereignis handeln!

Ein Anspruch auf die Erstausstattung für Bekleidung besteht nur dann, wenn ein solcher Bedarf aufgrund “außergewöhnlicher Umstände” entstanden sei. Dabei ergebe sich aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung, dass hierzu kein länger zurückliegendes Ereignis herangezogen werden könne, sondern dass es sich um ein zeitnahes Ereignis handeln müsse.

Bei längeren zurück liegende Zeiträumen liegt kein außergewöhnlicher Umstand mehr Vor- Verweis auf Ansparung aus dem Regelsatz

Bei länger zurückliegenden Ereignissen ( hier ca 30 Monate ) sei davon auszugehen, dass der Bekleidungsbedarf nach und nach aus den Regelsätzen befriedigt bzw. angespart werden konnte (LSG Rechtsprechung mit Hinweis auf LSG NRW, Beschluss vom 20.03.2008 – L 20 B 16/08 SO ER – ).

Wie weise ich so einen Sonderbedarf gegenüber dem JobCenter nach?

Dem formlosen Antrag, manchmal haben die JC auch Vordrucke, ist – unbedingt – ein ärztliches Attest beizufügen, woraus sehr deutlich hervorgeht, auf Grund welcher Krankheit es zu dieser starken Gewichtsabnahme kam und in welchem Zeitraum!

Auch Gutachten während der Reha oder des Krankenhausaufenthaltes genügen.

Was muss die ärztliche Bescheinigung unbedingt enthalten?

Krankheitsbedingte Gewichtszunahme bzw. Gewichtsabnahme muss medizinisch nachgewiesen werden (Rechtsprechung zur Bekleidungserstausstattung).

1. Diagnose bzw. Name der Krankheit oder Grund, warum es zur Gewichtsveränderung kam, wie etwa eine längere Medikamenteneinnahme.

2. In welchen Zeitraum kam es zu welcher Gewichtsveränderung!

Wann besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Übernahme der Erstausstattung

1. Eine pauschale Angabe einer medikamentös bedingten Gewichtszunahme von 35 Kilogramm begründet allenfalls eine entfernte Erfolgschance einer Beweisaufnahme.

Antragsteller trägt die Beweislast – als Beweis gilt z. Bsp. ärztliches Attest

Der Antragsteller hatte aber weder die von ihm geltend gemachte außergewöhnliche Gewichtszunahme durch Beweisantritte oder die Vorlage geeigneter Unterlagen, wie z.B. eines ärztlichen Attests, substantiiert noch hat er näher konkretisiert, in welchem Zeitraum die Gewichtszunahme erfolgt ist ( LSG NRW L 19 AS 1468/11 B ).

2. Grundsätzlich kann auch kein Anspruch gegeben sein, wenn Änderungsmaßnahmen an den Kleidungsstücken möglich sind, ich denke aber, z. Bsp. bei einem kurzfristigen Gewichtsverlust von ca etwa 28-30 kg geht das nicht.

Adipositas Grad 1 durch übermäßige Kalorienzufuhr begründet keinen Anspruch

3. Kein Anspruch auf Erstausstattung für Bekleidung nach § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II bei Adipositas Grad 1 durch übermäßige Kalorienzufuhr. Eine stetige Gewichtszunahme begründet keinen Anspruch auf Ersatzbeschaffung, sondern muss aus der Regelleistung bezahlt werden.

Es muss sich um ein zeitnahes Ereignis handeln

4. Bei einer Gewichtszunahme, welche in 6-9 Monaten vor Antragstellung auf ALG II bestanden hat, besteht kein Anspruch auf Ersatzbeschaffung, sondern muss aus der Regelleistung bezahlt werden, denn auch ein Antrag für Erstausstattung wirkt auf den Monatsersten zurück – § 37 Abs. 2 SGB 2.

Gewichtsveränderung muss medizinisch nachgewiesen sein

5. Ist die krankheitsbedingte Gewichtszunahme nicht medizinisch nachgewiesen worden, besteht kein Anspruch, des weiteren gibt es auch keine Erstausstattung an Bekleidung, wenn schon vor Antragstellung auf ALG II eine stetige Gewichtszunahme durch übermäßige Kalorienzufuhr entstanden war und jetzt vom Jobcenter befriedigt werden soll – das muss denn leider aus der Regelleistung bezahlt werden! Max. ein Darlehen wäre denn möglich mit monatlicher Tilgung von 5%.

6. Eine nicht krankheitsbedingte Gewichtsabnahme von 24 kg über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren ist kein Umstand, der mit einem Totalverlust vergleichbar ist. Kleidungsstücke lassen sich planbar unter Ausnutzung des Bekleidungsanteils im Regelsatz austauschen. Von daher handelt es sich lediglich um eine nicht erstattungsfähige Ersatzbeschaffung und nicht um eine als Mehrbedarf erstattungsfähige Erstausstattung ( LSG Rechtsprechung )

Antragsteller muss nachweisen, wann und in welchem Umfang Gewichtsveränderungen bestanden

7. Keine Erstausstattung mit Bekleidung bei Gewichtsschwankungen infolge einer Adipositas, wenn eine Konkretisierung, wann und in welchem Umfang diese Gewichtsschwankungen aufgetreten sind, nicht erfolgt sind vom Antragsteller ( LSG NRW, Beschluss v. 08.11.2013 – L 19 AS 1777/13 B ER ).

Ein neuer Bekleidungsbedarf ist einem Totalverlust gleich zu setzen – er besteht bei Gewichtszu- oder auch Gewichtsabnahme!

Wissenswertes zum Bekleidungsbedarf bei ärztlich attestierter krankheitsbedingter plötzlicher Gewichtszunahme oder Gewichtsabnahme von mehr als 25 % des Ursprungsgewichtes – oder mehr wie 2 Kleidergrößen

Der Begriff Erstausstattung an Bekleidung ist insbesondere bedarfsbezogen zu verstehen. Auch hier kann die Formel „neuer Bedarf auf Grund außergewöhnlicher Umstände“ der Eingrenzung dienen.

Danach kommen als – außergewöhnliche Umstände – für die Entstehung eines neuen Bekleidungsbedarfs nicht nur Totalverlust, sondern auch Krankheit, Behinderung, Unfälle und erhebliche Gewichtszu- oder Gewichtsabnahme in kurzem Zeitraum usw in Betracht.

Nur unter außergewöhnlichen Umständen wird eine Ersatzbeschaffung für Bekleidung anerkannt (vgl. Luik/Harich, 6. Auflage, § 24 SGB II Rdnr. 104, 91ff.)

Sie kommt beispielsweise in Betracht, wenn durch eine krankheitsbedingte große Gewichtszunahme oder nach Haft oder Wohnungslosigkeit, also durch einen außergewöhnlichen Umstand, ein erneuter umfassender Bedarf begründet wird.

Bedarfsdeckungsprinzip gilt auch im SGB II, was heißt:

In jedem Fall setzt eine Leistungsbewilligung unter dem Gesichtspunkt der Erstausstattung das Bestehen einer gegenwärtigen Notlage voraus. Ist die Abwendung der Notlage infolge Zeitablaufes nicht mehr erreichbar, so kann die Leistung nicht mehr beansprucht werden.

Das heißt: Wenn infolge von Krankheit oder Medikamenteneinnahme in einem kurzen Zeitraum zu einer Gewichtsveränderung kommt ( 25-30 kg ) sollte unbedingt gleichzeitig ein Antrag beim Jobcenter auf Bekleidung gestellt werden, denn nur wenn der Bedarf aktuell besteht , muss das JC ihn auch befriedigen, vorausgesetzt sie sind noch im ALG II- Bezug, für einen entstandenen Bedarf vor Antragstellung auf ALG II wird später keine Erstausstattung bewilligt!

Beim Bekleidungsbedarf gilt das Gegenwärtigkeitsprinzip

Kommt der Antrag erst Monate später und ihr Zustand ist ein anderer, begehren sie Leistungen für die Vergangenheit, das JC darf und muss ihren Antrag ablehnen.

Der Grundsatz – keine Hilfe für die Vergangenheit – wird nicht berührt, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch immer die anfängliche Notlage als gegenwärtige fortbesteht.

Es sei denn, zum Zeitpunkt der Gewichtsveränderung( Gerichte sprechen von kurzen Zeiträumen ) hatten sie keinen Antrag gestellt, benötigten aber eine neue Bekleidungsausstattung, liehen sich das Geld von Dritten – ist nach zu weisen durch kurzen Darlehensvertrag oder eidesstattlicher Erklärung – oder haben es nachweislich mit eigenen Geldmitteln erworben – zum Ganzen LSG BB L 34 AS 24/09 – bestand ein Rechtsanspruch, welcher vom Jobcenter zu befriedigen ist.

Der Wegfall der Notlage ist in diesen Fällen also nicht anspruchsvernichtend, so dass Hilfe für die Vergangenheit zu leisten ist.

Der Hilfebedürftige besitzt daher einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die infolge der eigenen Bedarfsdeckung entstanden sind. Die Nachweispflichtig bleibt aber immer der Antragsteller.

Angemessener Kleiderwechsel muss möglich sein – Sommer – und Winterbekleidung

Der Umfang der Erstausstattung mit Bekleidung darf nicht so knapp bemessen sein, dass der Leistungsberechtigte vor die Alternative gestellt ist, entweder sich für jedermann erkennbar als Bezieher von Alg II erkennen zu geben, oder nicht vor die Tür zu gehen.

Rechtstipp Detlef Brock
Bei besonderen überdurchschnittlichen Bedarfen z.B. bei Unter- oder Übergrößen an Bekleidung aufgrund der Härtefallregelung durch Anordnung des BVerfG , Urteil vom 09.02.2010 , 1 BvL 1/09 (siehe dazu info also 2/2010 S. 62 ff)

Außergewöhnliche Umstände wie Obdachlosigkeit, langjährige Inhaftierung und ggf. erhebliche Gewichtsschwankungen, können einen besonderen Bedarf begründen, wenn so gut wie keine brauchbaren Kleidungsstücke mehr vorhanden sind (vgl. zu der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 23 Abs. 3 S.1 Nr. 2 SGB II BSG Urteile vom 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R, Rn. 26 und 23.03.2010 – B 14 AS 81/08 R, Rn. 15 f; BT-Drs. 15/1514 S. 60).

Aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung müssen die Pauschalen für die Bekleidungserstausstattung angepasst werden, denn meistens sind sie nicht mehr aktuell ( siehe dazu LSG Hamburg bei Wohnungserstausstattung – L 4 AS 153/23 D ).

Kein Verwendungsnachweis erforderlich

Das Jobcenter hat keine Möglichkeit, die Bewilligung von Erstausstattungsbedarf bei nicht zweckentsprechender Verwendung zu widerrufen. Das Verlangen, Quittungen vorzulegen, ist rechtswidrig (SG Bayreuth 14.8.2019 – S 9 AS 602/18 – und SG Gießen, Urt. v. 06.07.2015 – S 25 AS 607/12 -).

Zu beachten ist aber, dass der Leistungsempfänger durch eine pauschalierte Leistung ohne jeglichen Nachweis nicht davon entbunden wird, für den darüberhinausgehenden Bedarf darlegungs- und beweispflichtig zu sein (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Februar 2014 – L 7 AS 210/13 NZB).

Was können außer Haft, Wohnungsbrand und Behinderung noch außergewöhnliche Umstände sein

Psychische Erkrankungen – Einweisung in stationäre Einrichtungen – Frauenhaus – Flüchtlinge – Flucht vor dem Partner – Aufzählung nicht abschließend.

Ein Anspruch auf Bekleidungserstausstattung kann auch bestehen, wenn auf Grund von psychischen Krankheiten eine Einweisung in eine stationäre Einrichtung erfolgte und dort es zum Verlust der Bekleidung kam ( Quelle: Arbeitshilfe des Sozialamtes Hamburg ).

Ein Anspruch kann auch nach einer Flucht (z. B. Flüchtlinge aus Bürgerkriegs-/Krisenregionen, Flucht aus dem Haushalt eines gewalttätigen Partners) bestehen.

Wenn eine Frau im Frauenhaus war, weil sie vom Partner fliehen musste, sie wegen Depressionen in einer stationären Einrichtung war und die gesamte Kleidung unterging, besteht Anspruch auf Erstausstattung für Bekleidung und auch auf Wohnungserstausstattung ( siehe zur Wohnungserstausstattung LSG NRW,Beschluss vom 19.09.2011 – L 19 AS 12/11 B – . Sie auch hier.

Gewährt das Jobcenter Pauschalen für die Erstausstattung, müssen diese der Inflation angepasst worden sein

Pauschale Geldbeträge für Bekleidung sind so zu bemessen, dass der Hilfebedürftige mit dem gewährten Betrag einfache und grundlegende Wohnbedürfnisse in vollem Umfang befriedigen bzw sich in menschenwürdiger Weise kleiden kann. Die Höhe der Pauschalen muss auf der Grundlage von Bezugsquellen, Preislisten etc nachvollziehbar sein ( BSG B 14 AS 53/10 R ).

Leistungserbringung auch bei fehlender Hilfebedürftigkeit

Wussten Sie eigentlich, dass das Jobcenter auch eine Bekleidungserstausstattung erbringen muss, wenn sie kein Bürgergeld beziehen, aber den Bedarf aus eigenen Kräften nicht stemmen können?

Auch Nicht – Leistungsbezieher von Bürgergeld können Anspruch auf Bekleidungserstausstattung haben!

Auch Personen, die keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft benötigen, können gesonderte Leistungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB 2 erhalten.

Die Notwendigkeit der diesen Personen gewährten Sonderbedarfe ist nach den gleichen Grundsätzen zu prüfen, wie bei einem Empfänger, der SGB II-Leistungen laufend bezieht. Zur Bedürftigkeitsbeurteilung erlaubt S. 4 eine Einkommensberücksichtigung.

Jobcenter hat hier kein Ermessen – Liegt Hilfebedürftigkeit vor, besteht Anspruch auf Zuschuss

Steht fest, dass (nur) hinsichtlich Sonderbedarfe Hilfebedürftigkeit vorliegt, sind diese gemäß § 24 Abs. 3 Satz 3 SGB II (“werden … erbracht”) zu erbringen; Ermessen ist insoweit nicht eröffnet!!

Einkommenseinsatz
Mit § 24 Abs. 3 Satz 4 SGB II sieht der Gesetzgeber eine eigene Anrechnungsregelung dahingehend vor, dass das den Lebensunterhaltsbedarf übersteigende Einkommen berücksichtigt werden kann, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden worden ist.

„Dagegen ist im Wege des Ermessens gem. § 24 Abs. 3 S. 4 („kann“) festzulegen, für wie viele Monate das übersteigende Einkommen einzusetzen ist (Löns/Herold-Tews/Herold-Tews Rn. 29). Dabei hat der Sozialleistungsträger bei seiner Entscheidung eine Prognose über die Entwicklung des Einkommens des Hilfesuchenden und auf dieser Grundlage die Entscheidung über die Anrechnung künftigen Einkommens auf den noch nicht gedeckten Teil des Bedarfs zu treffen (vgl. LPK-BSHG/Hofmann, 6. Aufl. 2003, § 21 Rn. 64).

Eine regelmäßige Festsetzung auf sechs Monate wäre ermessensfehlerhaft, weil damit die Möglichkeit der „bis zu“ Überprüfung untergraben werden würde.

Maßstab für die Fixierung der Anrechnungsmonate sind dabei die Umstände des Einzelfalles. Besonderheiten des Einzelfalles können eine weitgehende Reduktion des Anrechnungszeitraums bedingen ( Luik/Harich, SGB II Rn. 132- 133 ).“

Lesetipp: Jobcenter müssen Sonderbedarf bei Übergrößen zahlen

Schlusswort:
Einige Sozialrechtler und auch Richter sind der Meinung, dass die Bekleidung bei Totalverlust oder teilweisem Verlust wegen Gewichtsveränderungen nicht als Erstausstattung zu gewähren ist, sondern als Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II.

So oder so, bei Vorliegen eines Gesamtverlustes an Bekleidung bzw. Teilverlust besteht bei – außergewöhnlichen Umständen – ein Bedarf, welcher vom Jobcenter zu decken ist, wenn kein Anderer oder Dritter zuständig sein sollte!!

Nach einem aktuellem Urteil zu dieser Thematik wurde jedenfalls als Anspruchsgrundlage § 24 Abs. 3 SGB 2 genannt.

Lesen Sie dazu auch: Sozialhilfe: Kein Zuschuss für neue Oberbekleidung aufgrund von Gewichtszunahme