Das Sozialgericht Karlsruhe hat eine wegweisende Entscheidung zu Ablehnungs- oder Entziehungsbescheiden bei Bürgergeld- oder Hartz-IV-Bezug getroffen, die für Aufsehen sorgte.
Zahlreiche Unterlagen werden verlangt – für viele eine große Herausforderung
Menschen, die Bürgergeld beantragen oder bereits beziehen, werden von den Jobcentern regelmäßig aufgefordert, eine Vielzahl von Unterlagen vorzulegen.
Entspricht die geforderte Mitwirkung nicht den Vorstellungen des Jobcenters, kommt es häufig zu Ablehnungs- oder Entziehungsbescheiden, in denen die Leistungen wegen unzureichender Mitwirkung gestrichen werden. Das bedeutet dann für die Betroffenen, dass die Leistungen inkl. der Unterkunftskosten auf Null gesetzt werden.
Problematisch ist dabei, dass die angeforderten Unterlagen in vielen Fällen bereits mehrfach eingereicht wurden, aber beim Jobcenter verloren gegangen sind. Ob die Unterlagen tatsächlich übersandt wurden, muss immer der Leistungsberechtigte beweisen. Aus diesem Grund raten wir immer wieder zu diesen wichtigen Abgaberegeln von Unterlagen.
Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe zu Entziehungsbescheiden des Jobcenters
Das Sozialgericht Karlsruhe hat nun in einem Urteil AZ: S 12 AS 2046/22 entschieden, dass solche Bescheide, in denen regelmäßig 100% der Leistungen gestrichen werden, nur in Ausnahmefällen rechtmäßig sein dürfen.
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Eine Voraussetzung dafür ist, dass das Jobcenter in der Begründung klar darlegt, unter welchen außergewöhnlichen Umständen und mit welchen außerordentlichen Zielen eine derart drastische Unterschreitung des Existenzminimums im konkreten Einzelfall angemessen ist, um die bisherige mangelnde Mitwirkung zu korrigieren.
Mit anderen Worten: Das Gericht ist der Auffassung, dass solche Bescheide in typischen Fällen unzureichender Mitwirkung rechtswidrig sind, sagt auch Rechtsanwalt Dr. Robin von Eltz.
Korrektur des Gerichts
Das Gericht habe damit seine eigene Rechtsauffassung korrigiert, da es im vorangegangenen Eilverfahren in derselben Sache anders entschieden habe, so von Eltz. Es entschuldigte sich bei den Klägerinnen mit den bemerkenswerten Worten: “Das Sozialgericht Karlsruhe bereut zutiefst seinen im Fall der Klägerinnen einstweilen verfassungswidrigen Irrweg, sein unverzeihliches Versagen.”
Andere Sozialgerichte halten Versagungs- oder Entziehungsbescheide wegen fehlender Mitwirkung beim Bezug von Bürgergeld oder Hartz4 häufig für rechtmäßig (so zum Beispiel das Landessozialgericht Schleswig-Holstein in einem Urteil Az: L 6 AS 121/13).
Es sei zu hoffen, dass die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe einen Anstoß gebe, diese Rechtsprechung zu überdenken, erklärt der Rechtsanwalt. Denn der vollständige Entzug oder die Versagung von Grundsicherungsleistungen sei vor dem Hintergrund der Sanktionsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich zumindest bedenklich.
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