Witwenrente gestrichen: Gerichtsurteil schränkt Ansprüche ein

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Ein Rentner aus Baden-Württemberg verliert seinen Anspruch auf Witwerrente – wegen seiner eigenen Altersversorgung als ehemaliger Selbstständiger. Das Landessozialgericht bestätigte, dass auch Einkünfte aus einem Versorgungswerk voll auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen sind. (AZ: L 8 U 2054/22)

Das Urteil betrifft vorrangig Freiberufler und Selbstständige mit berufsständischer Altersvorsorge. Es zeigt: Eigene Rentenansprüche können die Witwen- oder Witwerrente vollständig aufheben.

Ausgangslage: Verwitweter Rentner mit eigener Versorgung

Der Kläger, ein Mann Jahrgang 1941, hatte nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2016 Witwerrente beantragt. Seine Frau bezog bis dahin eine Altersrente wegen Schwerbehinderung. Der Rentenversicherungsträger bewilligte ihm zunächst die volle Hinterbliebenenrente, wie gesetzlich vorgesehen für die ersten drei Monate nach dem Todesfall (sogenanntes Sterbevierteljahr).

Doch ab März 2017 stoppte die Rentenkasse die Zahlung vollständig. Begründung: Die eigene Rente des Klägers aus einem berufsständischen Versorgungswerk sei als Einkommen anzurechnen. Durch diese Anrechnung überschritt der Rentner die maßgeblichen Freibeträge – die Witwerrente entfiel vollständig.

Der Rechtsstreit: Zwischen Gerechtigkeitsempfinden und geltendem Recht

Der Rentner widersprach. Seine Argumente: Die Anrechnung benachteilige ihn, da er seine Rente teilweise aus einem früheren Versorgungsausgleich einer Scheidung erhalte. Zudem habe seine verstorbene Frau durch gemeinsame Haushaltsführung ihren Beitrag geleistet.

Die Rentenkasse ließ sich davon nicht überzeugen. Der Mann klagte zunächst vor dem Sozialgericht in Stuttgart und später vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg – beide Gerichte wiesen die Klage ab.

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Gerichtliche Entscheidung: Gesetzliche Grundlage steht über persönlichen Einzelfällen

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg urteilte, dass die Rente aus einem Versorgungswerk eindeutig als Erwerbsersatzeinkommen gilt und damit nach § 97 SGB VI vollständig auf die Witwerrente anzurechnen ist. Die Richter stellten klar:

  1. Die Hinterbliebenenrente diene dem Zweck des Unterhaltserhalts, nicht als eigenständige Versicherungsleistung.
  2. Eine „Überversorgung“ sei gesetzlich ausgeschlossen – eigene Renteneinkünfte sollen die staatliche Leistung reduzieren.
  3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung wies das Gericht zurück.

Auch der Antrag des Klägers auf einen Krankenkassenzuschuss blieb erfolglos. Als pflichtversichertes Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) habe er keinen Anspruch auf zusätzliche Unterstützung – diese sei freiwillig Versicherten vorbehalten.

Was bedeutet das Urteil für Betroffene?

Besonders freiberuflich Tätige, die über ein berufsständisches Versorgungswerk abgesichert sind – etwa Ärzte, Anwälte oder Architekten –, sollten ihren Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente künftig sehr genau prüfen. Denn bestimmte Einkünfte führen zur Kürzung oder sogar zum vollständigen Wegfall der Hinterbliebenenrente.

Dazu zählen insbesondere Renten aus berufsständischer Versorgung, Einkünfte aus Kapitalanlagen oder Vermietung – abhängig vom sogenannten Altrecht und den geltenden Freibeträgen nach § 114 SGB IV – sowie Erwerbseinkommen oder andere Rentenbezüge. Wer also plant, eine Hinterbliebenenrente zu beantragen, sollte seine Einkommensverhältnisse frühzeitig und umfassend prüfen lassen.

Besonders heikel wird es, wenn die eigenen Rentenansprüche bereits über den gesetzlich festgelegten Freibeträgen liegen. In solchen Fällen kann der Rentenanspruch vollständig entfallen – wie das aktuelle Urteil eindrucksvoll zeigt.

So sichern Sie Ihre Rentenansprüche

  • Frühzeitig Beratung einholen: Lassen Sie Ihre Ansprüche auf Witwen/Witwerrente durch Rentenberater oder Fachanwälte prüfen.
  • Freibeträge kennen: Derzeit liegt der monatliche Freibetrag (West) bei 992 Euro (Stand: 2025). Alles darüber wird zu 40 % angerechnet.
  • Zusätzliche Rentenansprüche dokumentieren: Besonders bei berufsständischer Versorgung lohnt sich die Prüfung, ob freiwillige Beiträge oder spätere Rentenanpassungen Einfluss auf den Witwen/Witwerrentenanspruch haben.

Gesellschaftlicher Hintergrund: Strenge Regeln gegen “Überversorgung”

Das Urteil macht deutlich, wie strikt das Rentensystem mit Mehrfachabsicherungen umgeht. Die gesetzliche Rentenversicherung soll gezielt einkommensschwache Hinterbliebene absichern. Wer bereits über eigene stabile Altersbezüge verfügt, gilt als nicht bedürftig im Sinne des Gesetzes. Das Urteil folgt damit der politischen Linie, staatliche Leistungen auf echte Bedarfsfälle zu beschränken.

Trotzdem bleibt der Fall umstritten – denn viele Betroffene empfinden die Kürzung oder Streichung der Hinterbliebenenrente als ungerecht. Besonders in Fällen, in denen Paare gemeinsam gewirtschaftet haben oder ein früherer Versorgungsausgleich die eigenen Einkünfte schmälert.