โContainern” bleibt verboten: Bundesverfassungsgericht: Strafbarkeit ist nicht verfassungswidrig
Das โContainern” โ die Entnahme von Lebensmitteln aus dem Mรผllcontainer eines Supermarkts โ bleibt strafbar. โDer Gesetzgeber darf das zivilrechtliche Eigentum grundsรคtzlich auch an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schรผtzen”, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag, 18. August 2020, verรถffentlichten Beschluss (Az.: 2 BvR 1985/19 und 2 BvR 1986/19). Es wies damit die Verfassungsbeschwerden von zwei Frauen ab, die wegen โDiebstahls” zu jeweils acht Stunden gemeinnรผtziger Arbeit verurteilt worden waren.
Frauen holten weggeworfene Lebensmittel aus dem Container
Nach den Feststellungen der Strafgerichte โentwendeten” die Frauen an einem Abend im Juni 2018 gegen 23 Uhr Lebensmittel aus einem Abfallcontainer eines Supermarkts im Landkreis Fรผrstenfeldbruck bei Mรผnchen. Der Container war verschlossen, lieร sich aber durch einen mitgebrachten Vierkantschlรผssel รถffnen. Dort wurden Lebensmittel entsorgt, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war oder die nach Einschรคtzung des Supermarktbetreibers wegen ihres Aussehens nicht mehr zum Verkauf geeignet waren.
Das Amtsgericht Fรผrstenfeldbruck betonte, dass auch die weggeworfenen Lebensmittel weiterhin Eigentum des Supermarktbetreibers seien. Das Containern sei daher Diebstahl. Als Strafe ordnete es jeweils acht Stunden gemeinnรผtziger Arbeit bei einer Tafel an und drohte mit einer Geldstrafe.
Lebensmittel blieben Eigentum
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat dies bestรคtigt. Dem Argument, der Supermarkt habe die Lebensmittel weggeworfen und damit sein Eigentum daran aufgegeben, folgte es nicht. Eine Eigentumsaufgabe setze den Willen voraus, sich einer Sache โungezielt zu entรคuรern”. Hier habe der Supermarkt die weggeworfenen Lebensmittel aber zur Abholung durch ein Entsorgungsunternehmen bereitgestellt.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machten die Frauen geltend, das Wegwerfen noch essbarer Lebensmittel sei โsozialschรคdlich”; Strafen gegen das Containern seien zumindest unnรถtig. Ein โschutzwรผrdiges Interesse” des Supermarkts an den weggeworfenen Lebensmitteln habe nicht mehr bestanden. Die Strafen verstieรen daher gegen das verfassungsrechtliche รbermaรverbot. Zudem diene das Containern einem nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln und so dem auch im Grundgesetz verankerten Ziel des Schutzes der natรผrlichen Lebensgrundlagen.
Bundesverfassungsgericht: Strafgerichte haben Recht
Dem ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt. Die Strafgerichte hรคtten schlรผssig begrรผndet, dass die weggeworfenen Lebensmittel weiterhin im Eigentum des Supermarkts waren. Der Betreiber habe auch Eigentรผmer bleiben wollen, ein โรbereignungsangebot an beliebige Dritte” habe nicht vorgelegen. Denn der Container sei verschlossen und auf dem Gelรคnde des Supermarkts gewesen. Dort habe der Abfall โzur รbergabe an ein spezialisiertes und vom Inhaber bezahltes Entsorgungsunternehmen bereitgestanden”.
Es stehe dem Gesetzgeber frei, das Containern dann als Diebstahl zu behandeln. โDas Bundesverfassungsgericht kann diese Entscheidung nicht darauf prรผfen, ob der Gesetzgeber die zweckmรครigste, vernรผnftigste oder gerechteste Lรถsung gefunden hat”, heiรt es in dem Karlsruher Beschluss. Ob es sinnvoll sein kรถnnte, den Umgang mit Lebensmitteln gesetzlich neu zu regeln, sei daher fรผr die Bewertung der Verfassungsbeschwerde โohne Bedeutung”.
Das รbermaรverbot sei jedenfalls nicht verletzt. Denn es gebe auch gute Grรผnde, das Containern zu verbieten. Durch die gezielte รbergabe an ein Entsorgungsunternehmen vermeide der Supermarkt erhรถhte Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken. Die Entscheidung des Betreibers sei daher โim Rahmen der Eigentumsfreiheit grundsรคtzlich zu akzeptieren”.
Geringe Schuld sei zu berรผcksichtigen
Abschlieรend verwiesen die Karlsruher Richter auf den Spielraum der Gerichte, die โgeringe Schuld des Tรคters” bei der Strafzumessung zu berรผcksichtigen. Auch dies trage zur Verhรคltnismรครigkeit der Strafregelung bei, so das Bundesverfassungsgericht in seinem jetzt schriftlich verรถffentlichten Beschluss vom 5. August 2020. mwo