Das durch die Bundesregierung angekündigte Bürgergeld soll Hartz IV zum Jahreswechsel ablösen. Schon jetzt kündigt sich an, dass einige Reformvorhaben wie die Regelsatz-Erhöhung innerhalb der Ampel-Koalition umstritten sind. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) befragte im Rahmen einer Studie Leistungsbeziehende, was sie sich von einem neuen Bürgergeld erhoffen.
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Umfrage in acht Jobcentern
Im Rahmen einer Umfragestudie befragte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 560 Hartz IV Beziehende zu ihren Wünschen und Hoffnungen zum “neuen Bürgergeld”. Die Befragungen fanden in acht Jobcentern im Ruhrgebiet zwischen März und April 2022 statt.
Höhere Regelleistungen gefordert
89 Prozent der Teilnehmenden sagten, sie erhoffen sich mit Einführung des Bürgergeldes höhere Regelleistungen. Der momentane Regelsatz beträgt für einen Alleinstehenden 449 Euro, für Paare zusammen 808 Euro zuzüglich Unterkunftskosten wie Miete und Heizung.
Durch die steigende Inflation ist die Kaufkraft vor allem bei niedrigen Einkommen stark gesunken. Zudem wird seit Jahren die Herleitung der Berechnung stark kritisiert.
Nicht mehr jeden Job annehmen müssen
Hartz IV hatte unter Androhungen von Sanktionen dafür gesorgt, dass vor allem der Niedriglohnsektor wie die Zeitarbeit stark “gefördert” wurde. Leistungsbeziehende müssen (fast) jede Arbeit annehmen. Daher gaben 75 Prozent der Teilnehmer an, dass “nicht mehr jede zumutbare Arbeit” angenommen werden muüsste.
In eine ähnliche Richtung gehen auch die Vorschläge des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD). Dieser möchte den sog. Vermittlungsvorrang abschaffen. Stattdessen sollen Jobcenter wesentlich häufiger eine Aus- und Fortbildung anbieten, statt Leistungsbeziehende in jeden verfügbbaren Job zu drängen.
Bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten
Rund 74 Prozent wünschen sich bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten. Auch das soll im Bürgergeld zum Teil umgesetzt werden. Heil plant, Schülern, Studierende und Auszubildene mit Eltern, die Hartz IV beziehen, sollen 520 Euro monatlich ohne Abzüge belassen werden. Ob auch alle anderen Leistungsbeziehende davon profitieren werden, ist bislang noch unsicher. Die FDP schlägt ähnliche Regelungen für alle vor.
Bisher verbleiben im Höchstfall 20 Prozent des Hinzuverdienstes beim Leistungsbeziehenden. Der Rest wird bei den Regelleistungen angerechnet. Damit sind Zuverdienste ab einer bestimmten Summe höchst unattraktiv.
Im Verlauf der Studie wurden die Teilnehmer auch dazu befragt, ob sie zusätzlich zum Leistungsbezug auch arbeiten würden. Etwa ein Drittel gab an, mindestens einmal pro Woche bei kleineren Jobs etwas Geld dazu zuerdienen.
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Beim Thema Sanktionen kein einheitliches Bild
Beim Thema Sanktionen hingegen gab es durchaus überraschende Ergebnisse. Nur gut 53 Prozent gaben an, dass die Leistungskürzungen aufgrund verpasster Termine im Jobcenter oder verweigerter Arbeitsaufnahme grundsätzlich abgeschafft gehören. Jeder 5. Befragte (22 Prozent) möchte, dass die Sanktionen weiter als “Strafinstrument” existieren. Ebenso viele (22 Prozent) haben zu diesem Thema keine abschließende Meinung.
Keine homogene Gruppe
Im Resümee schreiben die DIW-Forschenden, dass die eher geringeren Ablehnungswerte bei der Sanktionsfrage zeigen, dass Hartz IV Beziehende “hinsichtlich ihrer Wert- und Gerechtigkeitsorientierungen keineswegs eine homogene Gruppe sind”.
Nicht wenige würden es als “ungerecht” empfinden, wenn einige, die sich nicht an die Regeln halten, keine Leistungskürzungen mehr erhalten. Ob eine Studie mit 560 Teilnehmenden tatsächlich zeigt, dass das Thema Sanktionen auch bei Leistungsbeziehenden “eher umstritten” ist, bleibt jedoch fraglich.
Bürgergeld ab 2023
Geplant ist, das Bürgergeld zum Jahreswechsel einzuführen. Vor allem bei den Regelleistungen und weiteren Reformen ist noch nicht bekannt, ob und wie diese umgesetzt werden. Daher kritisieren Sozial- und Erwerbslosenverbände die Vorhaben bislang als unzureichend, um “Hartz IV” tatsächlich in ein “Bürgergeld” umzubenennen.
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