Selbsterfüllende Prophezeiung: So werden die Hartz IV-Regelsätze berechnet

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Die Hartz IV-Regelsätze sollen das finanzielle Existenzminimum gewährleisten. Dennoch liegen sie weit unter dem realistischen durchschnittlichen Monatsbedarf für die Lebenshaltung. Per Gesetz wird die höhe der Regelsätze jedes Jahr angepasst. Für 2022 steigen sie trotz Inflation um lediglich 3 Euro – und der Bundestag hat letzte Woche gegen eine kurzfristige Erhöhung gestimmt. Warum aber sind die Regelsätze überhaupt so niedrig?

Berechnungsgrundlagen für die Hartz IV-Regelsätze

Nach der gesetzlichen Regelung des SGB XII werden bei der Berechnung der Regelsatzanhebung die durchschnittlichen Löhne mit 30 Prozent und die allgemeine Preissteigerung mit 70 Prozent berücksichtigt. Für 2022 werden die Regelsätze lediglich um 3 Euro angehoben, was angesichts der Inflation de facto einer Kürzung gleich kommt, weil die pandemiebedingte Senkung der Mehrwersteuer zwischen Juli 2020 und Juni 2021 nicht vollständig berücksichtigt wurde.

Dies soll nach Aussage der alten Bundesregierung erst 2023 nachgeholt werden – und auch von der neuen Ampel-Regierung gibt es keine anderen Pläne. Vielmehr hat der Bundestag letzte Woche mit den Stimmen der SPD, Grünen, FDP und CDU gegen einen Antrag der Linken zur kurzfristigen Anhebung der Regelsätze mindestens zum Inflationsausgleich gestimmt. Einem Rechtsgutachten des Paritätischen Gesamtverbandes zufolge ist die beschlossene Anhebung der Regelsätze verfassungswidrig, weil so das Existenzminimum nicht erreicht werde. Ein Klageverfahren steht jedoch noch aus.

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Niedrige Regelsätze führen zu niedrigen Regelsätzen

Problematisch an der Berechnungsweise der Hartz IV-Regelsätze ist außerdem, dass für Bedarfsgemeinschaften die Ausgaben der Familien der unteren 20 Prozent der Einkommensskala, für Single-Haushalte sind es die unteren 15 Prozent. Dabei sind auch all jene mit eingeschlossen, die wegen niedriger Löhne konkret von Armut bedroht oder von Armut betroffen sind und ihre Lebenshaltungskosten nicht decken können, auch solche, die keine Sozialleistungen beziehen oder nur wenige hundert Euro Erwerbsminderungsrente erhalten.

Das führt zu einem Teufelskreislauf. Die Regelsätze werden so auf das allerkleinste denkbare Minimum gerechnet. Je ärmer Menschen im unteren Einkommenssegment sind, desto geringer fallen relativ auch die Regelsätze aus. Auch mit Ausschöpfung aller potenziell verfügbaren Zusatzleistungen können Betroffene so nicht über dem Armutslevel leben. gewerkschaften, Sozialverbände und Parteien fordern seit langem eine Anhebung der Hartz IV-Regelsätze auf mindestens 600 Euro. Die neue Regierung hat sich bisher nicht über mögliche Änderungen der Berechnungsgrundlage angesichts der Überführung von hartz IV in das sogenannte Bürgergeld geäußert.

Bild: bilderstoeckchen / AdobeStock

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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