Peter Hartz: Kommission plante 511 Euro ALG II- Regelsatz
09.12.2011, aktualisiert 10.12.2011
Seit der Einführung der sogenannten Arbeitsmarktreform Hartz IV wird hierzulande über die Höhe der Regelleistungen kontrovers und berechtigterweise heftig gestritten. Höhepunkt dieser Debatte war schließlich das Urteil des obersten deutschen Verfassungsgerichtes im Februar 2010. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass der berechnete Eckregelsatz für Kinder und Erwachsene gegen die Deutsche Verfassung verstößt, da die Berechnungsgrundlage nicht nachvollziehbar sei. Wie im Anschluss die schwarz-gelbe Bundesregierung das Urteil umsetzte, ist hinreichend bekannt. Zahlreiche unabhängige Rechtsexperten sagen, die heute vorgelegten Berechnungen sind noch immer weitestgehend politisch motiviert und damit nicht Verfassungskonform. Auch heute laufen zahlreiche Regelsatz-Klagen. Sozialverbände und Gewerkschaften haben ihrerseits Studien vorgelegt, die Hartz IV noch immer als verfassungswidrig entlarven. Bis allerdings der Regelsatz erneut in Karlsruhe landet, ist noch ungewiss. Es könnten wieder einige Jahre ins Land gehen, bis sich die Kläger durch alle Instanzen geklagt haben. Und auch dann wird die Politik wieder Wege finden, um die Höhe der Sozialleistungen so gering wie möglich zu halten.
Hartz-Kommission hatte einen Regelsatz in Höhe von 511 Euro angedacht
Der Namensgeber und Mitgestalter von Hartz IV, Peter Hartz, sagte in einer aktuellen ARD Reportage mit dem Titel „Auf der Suche nach Peter Hartz“, dass in den ursprünglichen Vorschlägen der Hartz-Kommission ein Eckregelsatz von 511 Euro angedacht war. Im Jahre 2002 habe darüber bei allen Teilnehmern der Kommission großes Einvernehmen geherrscht, dass ein menschenwürdiges Existenzminimum gewahrt bleiben müsse. Zehn Jahre nach dem „Einvernehmen“ liegt die Höhe des Hartz IV Eckregelsatzes bekanntlich bei 374 Euro. Demnach sind die Regelleistungen noch immer 137 Euro niedriger, als dies von Peter Hartz angedacht war.
Ist die Äußerung von Peter Hartz in der ARD Dokumentation eine Schutzbehauptung oder warum wurde kein menschenwürdiger Regelsatz damals geschaffen? Auf welcher Grundlage hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter der Führung von Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) die Hartz 4-Regelsatz-Konzepte verworfen?
Hartz IV: Druck ausüben, sanktionieren und Schaffung eines Niedriglohnsektor
Fakt ist, dass die damalige Hartz-Kommission die Höhe des Arbeitslosengeldes II in ihrem Abschlussbericht (bewusst?) offen gelassen hatte. Prof. Dr. Christoph Butterwegge von der Universität Köln schrieb 2005 in dem Aufsatz „Die sog. Hartz-Kommission, ihre Vorschläge zur Arbeitsmarktreform und deren Umsetzung“: Peter Hartz war nicht nur mit Bundeskanzler Gerhard Schröder persönlich befreundet, sondern auch durch flexible Arbeitszeitmodelle bekannt geworden, die er bei der Volkswagen AG im Rahmen des zwischen ihm und der IG Metall abgeschlossenen Haustarifvertrages über die Einführung der 4-Tage- Woche mit 28,8 Stunden realisiert, in Buchform präsentiert und zum Konzept einer „Job-Revolution“ empor stilisiert bzw. uminterpretiert hatte. Was ihm vorschwebte, verglich Frigga Haug mit Visionen, die der US-amerikanische Industrielle Henry Ford ca. 100 Jahre früher im Hinblick auf einen „neuen Menschentyp“ entwickelt hatte. Hartz ordne alles seinem Ziel der „Beschäftigungsfähigkeit“ (employability) unter, die zu erhalten das oberste Gebot bilde und von einer totalen „Zumutbarkeit“ für die Jobsuchenden begleitet sei: „Es ist das Diktat, sein Leben selbstbestimmt so auszurichten, dass man jederzeit und an jedem Ort, auf jede Dauer einsetzbar wird wie eine Maschine, die zudem über zusätzliche ‚menschliche‘ Emotionen verfügt. Geplant ist mit anderen Worten eine Art ‚Super- Fordismus‘, aus dem die gesellschaftlichen (wohlfahrtsstaatlichen) Sicherungen herausgeschraubt sind.“
Bei der Schaffung der Hartz-Gesetze verfolgte die damalige rot-grüne Bundesregierung eine Art Doppelstrategie. Zum einen sollte das Abschieben der Langzeitarbeitslosen in das Sozialhilfeniveau den Staatshaushalt entlasten und auf der anderen Seite sollten Erwerbslose mit Sanktionen und Einschüchterungen gezwungen werden, ihre Arbeitskraft auch zu Dumpinglöhnen am Arbeitsmarkt zu verkaufen. Wer sich weigert, dem drohen Kürzungen der kompletten Regelleistungen. So konnte ein staatlich geförderter Niedriglohnsektor geschaffen werden, der die Menschen in bitterer Armut trotz Arbeit hält. Peter Hartz ist nach unserer Auffassung demnach nicht nur Namensgeber, sondern Mitschöpfer eines Unterdrückungsapparates der Millionen Menschen jeden Tag aufs Neue drangsaliert, bevormundet und demütigt. Ein politisch motivierter Regelsatz stand bereits fest. So sagte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder: "Das ist der Grund, warum wir die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegen werden, und zwar einheitlich auf einer Höhe – auch das gilt es auszusprechen –, die in der Regel dem Niveau der Sozialhilfe entsprechen wird.“ Demnach ständen die von Peter Hartz in der ARD Sendung formulierten Regelleistungen in Höhe von 511 Euro diametral dem Hartz-Konzept entgegen. (sb)
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