“Das Jobcenter oder Sozialamt hat meinen Antrag nicht angenommen weil er unvollständig war.” oder “hat mich auf Formular xy verwiesen, das ich verwenden muss.” Aber gibt es diese Pflichten überhaupt? Wir erläutern in dem Artikel, welche Verwaltungsverfahren tatsächlich Bürgergeld bzw. Sozialhilfe Beziehende einhalten müssen.
Inhaltsverzeichnis
Grundsatz: Formloses Verwaltungsverfahren
Das Verwaltungsverfahren im Sozialrecht ist nach §9 SGB X grundsätzlich formlos (außer es gibt abweichende gesetzliche Spezialvorschriften). Da es für Leistungsanträge keine solche gibt, hat dies zur Folge dass es keine Anforderungen an irgendwas gibt.
Ein Antrag kann somit grundsätzlich nicht nur schriftlich auf dem Formular xy, sondern auch als normaler Brief, auf nem Bierdeckel, mündlich, telefonisch, per Mail, Fax oder auch per Rauchzeichen (wenn das Amt einen entsprechenden Empfänger bereit stellt) gestellt werden.
Amt muss bei Antragsstellung unterstützen
Jede Äußerung, in der erkennbar wird, dass jemand Leistungen möchte, löst eine Beratungspflicht nach §14 SGB I (schärfer noch in §14 Abs 2 SGB II) aus und ist schon selbst ein wirksamer Antrag. In der Beratung muss das Amt dann den Antrag in Form bringen.
Die Behörde, nicht der Antragsteller, hat dafür zu sorgen, dass Anträge sachdienlich und vollständig gestellt werden. Wird ein Antrag gestellt, auf dem nur Name, Adresse und “Brauche Geld” steht, dann muss das Amt dafür sorgen, dass dieser (wirksame) Antrag ergänzt wird.
Beim Jobcenter wird ein Antrag benötigt, beim Sozialamt sind die Hürden noch niedriger:
Dort reicht für die meisten Leistungen bereits die Kenntnis einer Notlage aus.
Wenn ein Nachbar beim Sozialamt anruft, löst das nach §18 SGB XII die Handlungspflicht des Sozialamt aus. Das Amt muss alles erforderliche klären.
Verantwortlich für die Ermittlung, was überhaupt beantragt wird und aller relevanten Infos ist das Amt (Amtsermittlungsprinzip siehe hier) dafür stehen dem Amt die Mitwirkungspflichten zur Verfügung – es sind aber die Grenzen der Mitwirkung zu beachten.
Ein Teil dieser Mitwirkungspflichten ist, dass die amtlichen Formulare nach §60 Abs2 SGB I verwendet werden sollen. Das gilt aber nicht für den Antrag, sondern erst für die darauf folgende Klärung und ist eine Soll-Vorschrift.
Wenn also beispielsweise schon alles im Antrag stand oder es nur um kleine Veränderungsmitteilungen geht, muss nicht zwingend ein Formular verwendet werden.
Nachweisbarkeit der Antragsstellung
Bei aller Freiheit bei der Antragstellung bleibt aber das Problem, am Ende die Antragstellung (und das Datum) nachweisen zu können. Eigentlich dürfte das kein Problem sein, wenn die Ämter ihren Pflichten (wie beschrieben) vollumfänglich nachkommen würden.
Für den Nachweis gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Abgabe beim Amt mit Stempel
- Fax mit Sendenachweis
- Einreichung über Online-Portal Jobcenter.digital
- Einschreiben mit Rückschein mit Zeugen beim Eintüten und Einwurf in den Briefkasten (Zeuge ist nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft)
- Einwurf mit Zeugen
Hinweis: Die Reihenfolge ist eine Rangfolge. Je niedriger die Zahl, desto klarer ist der Nachweis.
Hinweis – Widerspruch ist kein Antrag
Hier noch ein Hinweis zur Sicherheit: Das hier in dem Artikel geschriebene gilt für Anträge, ein Widerspruch muss man schriftlich einlegen.
Rechtsgrundlagen
- §9 SGB I – Formlosigkeit
- §14 SGB I – Beratungspflicht
- §14 Abs2 SGB II – verschärfte Beratungspflicht im SGB II
- §18 SGB XII – Kenntnis reicht im SGB XII aus
- BSG v. 28.10.2009 – B 14 AS 56/08 R – Amt muss den wirklichen Willen des Antragstellers erforschen
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Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft. Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Er ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de