Wer in der Justizvollzugsanstalt (JVA) eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt, hat keinen Anspruch auf Bekleidung und Wohnungserstausstattung vom Sozialhilfeträger (§§ 31 u. 67 SGB XII).
Der Sozialhilfeträger muss für Inhaftierte keine einmaligen Bedarfe wie Bekleidung oder Wohnungserstausstattung bezahlen, wenn die Justizvollzugsanstalt Bekleidung und Möbel bereit stellt ( Orientierungssatz Detlef Brock ).
Inhaltsverzeichnis
Bereitstellung der Bekleidung durch die JVA
Gemäß § 16 JVollzGB Buch 3 (III) i.V.m. der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums zur Bekleidungsordnung für Gefangene und Untergebrachte in den Justizvollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg (VwV Bekleidungsordnung) hat der Vollzugsträger den Inhaftierten in ausreichendem Umfang Kleidung zur Verfügung zu stellen.
Gestattet die Anstaltsleitung – wie hier – im Einzelfall das Tragen eigener Kleidung, so entsteht allein hieraus noch kein eigener sozialhilferechtlicher Bedarf des Inhaftierten.
§ 2 SGB XII
Das vom Inhaftierten angeführte menschenwürdige Existenzminimum wird durch den Vollzugsträger gedeckt, daneben ist für gleichartige Leistungen der Bedarfsdeckung durch Mittel der nachrangigen Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) kein Raum.
Wohnungserstausstattung – auch hier Bereitstellung durch JVA
Allein der Umstand, dass Häftlingen die Möglichkeit einräumt wird, eigene Hausratsgegenstände im Haftraum aufzubewahren und zu gebrauchen, begründet – wie schon bei der Privatkleidung – keinen eigenen sozialhilferechtlichen Bedarf beim Kläger, solche Gegenstände anzuschaffen.
Fazit:
Dem Kläger/Inhaftiertem steht hiernach gegen den Sozialhilfeträger weder ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII für die Anschaffung einer Wohnungserstausstattung noch für die Anschaffung von Kleidung zu, weil die entsprechenden Bedarfe bereits nach dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG) bzw. dem Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg (JVollzGB) durch den Vollzugsträger zu decken sind und gedeckt werden.
Anspruchsgrundlagen wären §§ 31 und 67 SGB XII
Anmerkung Detlef Brock – Ersteller und Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles e. V.
Leistungen nach dem SGB II – Bürgergeld – kann der Inhaftierte, der grundsätzlich erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ist, wegen der Ausschlussvorschrift des § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II nicht erhalten, da er sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung befindet.
Praxistipp:
Anerkannt ist ein Bedarf an Kleidung/Wohnungserstausstattung etwa bei einem Totalverlust bzw. Teilverlust der vorhandenen Bekleidung oder eine unzureichende Bekleidungsausstattung nach einer Haft. Das Gleiche gilt beim Untergang der Wohnungseinrichtung.
Eine Übernahme der erst nach Haftantritt und Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 1, 2 SGB II fällig gewordenen Heizkostenabrechnung für den vergangenen Bewilligungszeitraum scheidet grundsätzlich aus.
Ein drohender Wohnungsverlust nach der Haftentlassung gehört im Grundsatz zu den “besonderen Lebensumständen mit sozialen Schwierigkeiten” iS des § 67 SGB XII ( vgl. dazu LSG NSB, Urteil vom 24.06.2021 – L 8 SO 50/18 – Übernahme der Miete während Haft für 7 Monate )
Die Notwendigkeit von Geldleistungen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit hängt von einer Prognoseentscheidung im Hinblick auf die zu erwartende Situation bei Haftentlassung ab (vgl BSG v. 12.12.2013 – B 8 SO 24/12 R – ).
Auch wenn die von § 67 SGB XII erfasste Bedarfslage (soziale Schwierigkeiten bei Entlassung) nicht schon im Zeitpunkt der beantragten Leistung, sondern erst zukünftig besteht, können vorbeugende Sozialhilfeleistungen zum Erhalt der Wohnung für die Zeit nach der Haftentlassung ggf. nach § 15 SGB XII beansprucht werden.
Nach der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, die nicht zu Leistungen eigener Art berechtigt, sondern rechtlich im Zusammenhang mit der jeweiligen Hilfeart steht, soll die Sozialhilfe vorbeugend gewährt werden, wenn prognostisch dadurch eine dem Einzelnen drohende Notlage ganz oder teilweise abgewendet werden kann.
Auch im Rahmen des § 67 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe ermächtigt und verpflichtet zu prüfen, ob der Zweck dieser Art von Sozialhilfe (Vermeidung von Wohnungslosigkeit bei Haftentlassung) nicht dadurch besser erreicht werden kann, dass die danach in Betracht kommenden Leistungen bereits vor Eintritt der Notlage gewährt werden.
Zu den während einer Haft angefallenen Kosten der Unterkunft kann nicht allein der für diese Zeit fällige Mietzins gehören, sondern (ausnahmsweise) auch die zur Abwendung des Wohnungsverlustes notwendigen Gerichts- und Anwaltskosten einer Räumungsklage (als einmaliger Bedarf), wenn diese unmittelbar auf die rechtswidrige Leistungsablehnung des Leistungsträgers zurückzuführen sind (Anschluss an Bayerisches LSG v. 30.01.2014 – L 7 AS 676/13; LSG Baden-Württemberg v. 27.06.2017 – L 9 AS 1742/14 – ).
Wissenswertes recherchiert vom Redakteur D. Brock:
Besteht Anspruch auf Bürgergeld bei Haftunterbrechung? Muss ein Strafgefangener in ein Krankenhaus und eine Reha außerhalb des Strafvollzugs, hat er einen Anspruch SGB II Leistungen/ Bürgergeld.
Das Jobcenter darf ihm die Zahlung nicht verweigern. Auch gibt es keine Anrechnung der Verpflegung im Krankenhaus ( so entschieden zu Hartz IV Zeiten vom LSG NSB – L 11 AS 474/17 – )
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.