Bürgergeld: Mehr Daten für Jobcenter – Beweislast liegt beim Bürger

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Änderung bei der Datenübermittlung: Ab 01.11.2025 erhalten Jobcenter deutlich mehr Einblick in personenbezogene Daten von Menschen, die Bürgergeld beantragen, beziehen oder früher bezogen haben.

Grundlage ist das „Gesetz zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht“ vom 08.05.2024 (BGBl. I Nr. 152). Es ergänzt und verbreitert § 52a SGB II, der den Jobcentern bereits heute erlaubt, ohne Mitwirkung der Betroffenen Daten bei anderen Behörden abzurufen.

Neu ist vor allem: Der Zweck der Abfragen wird weiter gefasst und stärker mit migrations- und aufenthaltsrechtlichen Informationen verknüpft.

Worum es bei § 52a SGB II überhaupt geht

§ 52a SGB II regelt die „Überprüfung von Daten“. Schon jetzt darf die Bundesagentur für Arbeit bei anderen öffentlichen Stellen Daten über Personen erheben, die Bürgergeld beantragt haben, aktuell bekommen oder früher bekommen haben.

Das geschieht, um zu prüfen, ob ein anderer Leistungsträger bereits zahlt, ob Ausschlusstatbestände vorliegen (z. B. Wohngeld, AsylbLG) oder ob Angaben im Antrag nicht stimmen. Der Abruf darf ohne Mitwirkung der betroffenen Person erfolgen, also ohne dass diese zuerst gefragt wird. Genau diesen Mechanismus macht das neue Gesetz zukunftsfester – und weiter.

Was sich ab 01.11.2025 ändert

Mit dem DÜV-AnpassG wird der Datenaustausch mit Ausländerbehörden, dem Ausländerzentralregister (AZR) und anderen Leistungssystemen technisch und rechtlich enger gezogen. Jobcenter können dann einfacher sehen, ob jemand gleichzeitig in einem anderen Rechtskreis Leistungen erhält oder erhalten hat.

Ziel des Gesetzgebers ist es ausdrücklich, Doppelzahlungen zu verhindern und Zuständigkeiten schneller zu klären. Für die Praxis heißt das: Die Schwelle, Daten abzurufen, sinkt, weil der Zweck jetzt breiter als „Missbrauchsverdacht“ formuliert ist – es reicht, dass die „ordnungsgemäße Leistungserbringung“ sichergestellt werden soll.

Wer besonders im Fokus stehen wird

Betroffen sind alle Bürgergeld-Beziehenden. Besonders relevant wird die Neuregelung aber für Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, für ukrainische Geflüchtete, für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger mit wechselndem Aufenthaltsstatus sowie für Bedarfsgemeinschaften, in denen nur ein Teil leistungsberechtigt ist.

In genau diesen Konstellationen hatten Jobcenter bislang ein Informationsdefizit – sie mussten nachfragen oder auf Meldungen warten. Ab November 2025 können sie häufiger selbst aktiv Daten ziehen und dadurch schneller Leistungen stoppen oder anpassen, wenn z. B. ein anderer Träger zuständig ist oder ein Aufenthaltswechsel vorliegt.

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Gibt es direkte finanzielle Nachteile?

Unmittelbar nein. Die Novelle ändert weder die Höhe des Regelbedarfs noch die Angemessenheit der Unterkunftskosten oder die Freibeträge. Auch neue Sanktionsnormen werden mit dieser Änderung nicht eingeführt. Wer regulär leistungsberechtigt ist und alle Mitwirkungspflichten erfüllt, verliert allein wegen § 52a n. F. kein Geld.

Das ist wichtig für die Einordnung, weil der Gesetzestext selbst den Schwerpunkt eindeutig auf „Verwaltungsvereinfachung“ und „Missbrauchsvermeidung“ legt.

Wo trotzdem Risiken entstehen

Weil die Daten künftig schneller und umfassender vorliegen, können Jobcenter Abweichungen auch schneller ahnden – etwa bei nicht gemeldeten Auslandsaufenthalten, beim Wechsel in eine andere Unterkunft, bei schon laufenden Leistungen nach AsylbLG oder SGB XII und bei ungeklärten Aufenthaltsrechten.

Wer hier verspätet meldet oder wessen Ausländerbehörde fehlerhaft übermittelt, muss eher damit rechnen, dass Zahlungen zunächst unterbrochen oder vorläufig eingestellt werden, bis der Sachverhalt geklärt ist.

Das ist kein klassischer „Sanktionsnachteil“, aber ein verfahrensrechtlicher: Die Verwaltung bekommt einen Informationsvorsprung, die Leistungsberechtigten müssen nacharbeiten. Genau darin liegt der kritische Punkt für die Berichterstattung.

Längere Sichtbarkeit für Ex-Leistungsbeziehende

Auffällig ist auch, dass § 52a schon heute nicht nur aktuelle Leistungsbeziehende umfasst, sondern auch Personen, die einmal Bürgergeld beantragt oder bezogen haben. Die neue Datenarchitektur sorgt dafür, dass solche Fälle künftig leichter erneut geprüft werden können, wenn sich bei anderen Behörden neue Informationen ergeben.

In der Folge können Rückforderungen oder Korrekturen auch später noch angestoßen werden, weil die Daten technisch bereitstehen. Für Betroffene bedeutet das eine verlängerte „Kontrollreichweite“, ohne dass sie selbst wieder einen Antrag gestellt haben.

Was Betroffene daraus ableiten sollten

Leistungsberechtigte müssen ab November 2025 noch konsequenter jede aufenthalts-, leistungs- oder wohnungsrelevante Änderung sofort melden und schriftlich dokumentieren. Denn wenn das Jobcenter die Information zuerst über den neuen Datenkanal bekommt und dort etwas anderes steht als im Antrag, entsteht schnell der Eindruck einer fehlenden Mitwirkung.

Wer in einer gemischten Bedarfsgemeinschaft lebt oder neu aus dem AsylbLG ins SGB II wechselt, sollte sich rechtzeitig beraten lassen, damit das Jobcenter die Zuständigkeit nicht wegen einer Meldung aus einer anderen Behörde infrage stellt.