Angst vor Briefen – Jobcenter verklagt Hartz IV Bezieher

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Julian C. fürchtet sich vor behördlichen Briefen. Er leidet unter psychischen Problemen. Dennoch verklagt das Jobcenter den Hartz IV-Betroffenen. Es folgt eine Gerichtsverhandlung.

Angeklagt wegen Sozialleistungsbetrug

Das Jobcenter Berlin-Mitte vertritt die Auffassung einen Hartz IV Betrüger enttarnt zu haben. Nach einem Jobverlust und dem Ausbruch einer psychischen Erkrankung bezieht Julian C. Hartz IV Leistungen. Der Betroffene habe 22 577,60 Euro rechtswidrig bezogen, meint die Behörde und verklagt den 35-Jährigen.

Vor Gericht sagt Julia C, dass ihn noch nie jemand einen “Straftäter” genannt habe. Andere Beschimpfungen wie “Versager” seien ihm hingegen vertrauter. “Ich komme im Leben nicht sehr gut zurecht”, berichtet er der Richterin. “Ich leide unter Depressionen und habe Angst vor Schreib- und Bürokratiekram.”

45 ungeöffnete Briefe

Um die Aussage des Angeklagten zu untermalen, legt sein Anwalt einen dicken Stapel mit Briefen auf den Tisch. Es sind genau 45 Briefe der letzten 27 Monate. Alle Umschläge sind verschlossen. Julian sagt, er fürchte sich vor den Briefen, egal ob sie von Banken, Versicherungen oder Behörden kommen.

Es gibt viele Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen ihren Alltag nicht strukturiert bekommen. Manche leiden unter psychischen Krankheiten, andere haben Sprachprobleme oder sind Suchterkrankt. Besonders wenn es sich um Post mit behördlicher Sprache und Androhungen handelt, ziehen viele Menschen den Kopf ein. “Ich möchte mich aber entschuldigen”, betont Julian C.

Dann erzählt Julian seine Geschichte. Erst habe er seinen Arbeitsplatz in einer Möbelfabrik verloren. Dann beantragte er Hartz IV-Leistungen. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sein Opa vor vielen Jahren einen Fonds für ihn angelegt habe.

Es seien 30.000 Euro “für schlechte Zeiten” gewesen. Als er während des Hartz IV Bezuges davon erfuhr, habe er nicht gewusst, was er nun tun solle. “Was bedeutet ein Fonds?”, habe er sich gefragt. Was solle er damit tun?

Später habe er sich darüber gefreut und dem Jobcenter alle Leistungen zurückgezahlt. Hartz IV, Miete und Heizkosten, zusammen rund 900 Euro im Monat.

Staatsanwalt: Julian C. solle nicht “so naiv tun”

Die Staatsanwaltschaft wollte das allerdings nicht gelten lassen. Er solle mal nicht “so naiv tun”, meint der Staatsanwalt. Es sei alles “volle Absicht” gewesen. Der Angeklagte habe die Hartz IV Formulare nicht richtig ausgefüllt. Vor allem nicht die “Anlage VM, Blatt 14”.

Aus diesem Grund forderte die Staatsanwaltschaft elf Monate Haft auf Bewährung wegen Sozialleistungsbetrug. Julian C. bekommt Angst: “Ich habe zugegeben, dass es in meinem Leben nicht so rund läuft, das ist schambesetzt für mich vor fremden Leuten. Und dann wird mir gesagt: Du machst das auch noch böswillig.”

Erleichterung nach Freispruch

Nach einer kurzen Unterbrechung spricht die Richterin das Urteil: Freispruch! Julian C sei kein Straftäter. Da die Leistungen zurück gezahlt wurden, liegt auch kein Betrug vor.

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