Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erst ab dem Tag der Volljährigkeit

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Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erst ab dem Tag der Volljährigkeit – Urteil

Dazu hat jetzt das Sozialgericht München aktuell wie folgt Stellung genommen: Die Rückwirkung auf den Ersten des Kalendermonats nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB XII bezieht sich nur auf den Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Wenn ein Antragsteller erst im Laufe des Antragsmonats volljährig wird, kann er erst ab diesem Tag Leistungen erhalten ( Leitsatz Gericht )

Begründung:

Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden nur auf Antrag erbracht. Der Antrag ist eine weitere materielle Leistungsvoraussetzung.

Rückwirkung des Antrags auf den Monatsersten

Allerdings wirkt der Antrag auf den ersten Tag des Kalendermonats zurück, in dem er gestellt wird, wenn die Voraussetzungen des § 41 SGB XII innerhalb dieses Kalendermonats erfüllt werden.

Antrag des Antragstellers wirkt erst ab dem Tag seiner Volljährigkeit

Denn die Bewilligung erfolgt aber erst ab dem Tag, in dem alle Leistungsvoraussetzungen vorliegen.

Der am 16.09.2022 gestellte Antrag hat also eine Vorwirkung bis zum 01.09.2022.

Ein Leistungsanspruch kann aber erst ab Vorliegen aller Voraussetzungen, hier mit Eintritt der – Volljährigkeit des Antragstellers – bestehen, dies war der 11.09.2022.

Die Frage ist in der Literatur umstritten und obergerichtlich nicht geklärt

Zum Teil wird behauptet, dass ein Leistungsbeginn ab dem Monatsersten möglich ist, auch wenn die Leistungsvoraussetzungen erst im Laufe des Antragsmonats, also nach dem ersten Tag des Kalendermonats eintreten.

Das wird daraus gefolgert, dass der Gesetzgeber sich bei der Änderung der Vorschrift zum 01.01.2016 in der Gesetzesbegründung dazu nicht geäußert habe (Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 4.EL 2024, § 44 Rn. 22).

Argumente überzeugen die Kammer nicht

Denn der Wortlaut von § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gibt allein dem Antrag eine Vorwirkung.

Laut Gesetzesbegründung entspricht die Rückwirkung von Anträgen nach § 44 Abs. 2 SGB XII der Regelung im SGB II.

Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II wirkt auch der Antrag auf Leistungen zum Bürgergeld auf den Ersten des Monats zurück.

Das führt aber nicht dazu, dass dort Leistungen für die Tage gewährt werden, an denen die Leistungsvoraussetzungen noch nicht vorliegen.

Bei Leistungsvoraussetzungen, bei denen kein Monatsprinzip gilt, wie etwa beim Vermögen, gibt es erst ab dem Tag Leistungen, ab dem die Vermögensfreibeträge unterschritten werden (BSG, Urteil vom 20.02.2020 – B 14 AS 52/18 R -).

Fazit § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB XII

Nach Auffassung der Kammer beschränkt sich die Vorwirkung allein auf den Antrag.

Der Antrag für diese Grundsicherung ist eine materielle Leistungsvoraussetzung und dass es für die Zeit vor dem Antragsmonat mit Ausnahme der Leistungen für Bildung und Teilhabe keine Leistungen gibt.

Die Vorschrift regelt nicht, wann im Antragsmonat Leistungsbeginn ist

Denn gemäß § 37 SGB I sind das SGB I und das SGB X anwendbar, soweit das SGB XII keine abweichende Regelung enthält.

Es gilt daher § 40 Abs. 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.

Somit kann der Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erst ab dem Tag erhalten, in dem er volljährig wird, § 41 Abs. 3 SGB XII.

Anmerkung Detlef Brock

Die Berufung wurde zugelassen, denn die Frage, ob die Rückwirkung nach § 44 Abs. 2 SGB XII auch für andere Leistungsvoraussetzungen als den Antrag gilt, ist in der Literatur umstritten und obergerichtlich nicht geklärt.