Von Hoeneß bis Hartz IV: Deutschland einig Gier

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Von Hoeneß bis Hartz IV: Deutschland – einig Gier-Land Ein Kommentar über einen „Sozialschmarotzer“ von Hartz4-Plattform-Sprecherin Brigitte Vallenthin

19.03.2014

„Wir müssen weiter machen, was wir von Uli gelernt haben“ – meint Pep Guardiola am Tag danach. Und Ex-Präsidenten Hoeneß sagt: Ja – zur Ortsabwesenheit vom Tegernsee um in Landsberg Urlaub vom Job zu machen, wo er sich mit Ersttätern der Wirtschaftskriminalität treffen wird – so ist zu hören. Aber was meint Pep der millionenschwere Trainer mit „Weiter-Machen“ in einem sogenannten Fußballclub, bei dem das Runde-ins-Eckige längst zur Nebensache verkommen und der Sport zur einer Gelddruckmaschine als Hauptsache pervertiert ist – Ulis Lebenswerk genannt? Meint er, gierig noch mehr Millionen in die FCB-Unternehmenskasse schaufeln? Meinte er, gierig noch mehr Geld vor dem Fiskus in Sicherheit bringen? Oder meinte er – wie Uli selber -, dass wer so „erfolgreich“ gierige Raffsucht umsetzt, „kein Sozialschmarotzer“ sei?

Längst weiß man doch in diesen millionenschweren Kreisen, wo die wahren Sozialschmarotzer zu finden seien – da wo längst schon Sarrazin, Westerwelle, Mißfelder & Co. sie ausgemacht haben – da nämlich wo die Umwandlung unserer längst ruinierten Wertegemeinschaft in eine Finanzkasino Menschen lebenslänglich – und nicht nur 3 ½ Jahre – ins Gefängnis der Armut abschiebt, weil sie zur Maximierung der Gier nicht gebraucht werden.

Nur eine Nacht über den Schock vom Landgericht München geschlafen – schon läuft Ulis PR-Maschine wieder rund. Großzügig akzeptiert er seine Gefängnisstrafe. Und obendrein will er, der Steuerbetrüger von schwindelerregenden Millionenbeträgen, uns doch wahrhaftig weismachen, er habe ein

„ Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung.“ Getoppt wird diese verkehrte Welt nur noch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, denn der „nötig das höchsten Respekt ab.“ Kaum vorstellbar, aber Ulis Freund Hans-Ulrich Jörges legt noch‚ ne Schippe drauf. Sein bemerkenswer Satz im Sonntag-Abend-Talk: „Er ist mit einem starken Zeichen von Charakter auf die öffentliche Bühne wieder zurückgekehrt.“

Kann es vielleicht ein wenig kleiner sein, Herr Jörges? Oder wollen Sie ernsthaft bei der Situationskomik bleiben, Ihr Freund sei vorher und jetzt wieder Vorbild und könne – wenn er gut durch den Knast komme – danach abermals zum Vorbild werden? Was wollen Sie uns eigentlich sagen?

„Uli ist ein Vorbild“ oder „Steuerhinterziehung ist asozial.“ Ich fürchte, beides kriegen so ganz normale, denkende Menschen – die weder von ihrer Überhöhung auf roten Teppichen noch im Raumschiff Berlin besoffen sind – nicht wirklich unter einen Hut.

Derweil lässt der charakterstarke Würstl-Fabrikant – als sei nichts geschehen – Nürnberger an die Journalisten vor seiner Villa am Tegernsee verteilen. Und die FCB-Fans jubeln mit einem Transparent im Stadion „Danke Uli“.

Um nun des guten Uli Stichwort vom Sozialschmarotzer aufzugreifen zunächst ein O-Ton seines Kumpels aus alten Kneipentagen Waldemar Hartmann. Die Frage von Günther Jauch, ob sein Freund nicht in Wahrheit doch ein Sozialschmarotzer sei, weil er die Gesellschaft um Millionen geklaut habe, wies der energisch zurück. Stattdessen bediente er bierdampfige Vorurteilsschwaden über den Stammtischen von Waldis und Ulis gemeinsamer bayerischen Heimat: „Unter Sozialschmarotzern verstehe ich was ganz anderes. Das sind Leute, die Sozialleistungen beziehen und darauf keinen Anspruch haben.“

Moralbeflissen greift in der sonntäglichen Talk-statt-Demokratie-Runde sogleich als gutes Gewissen der SPD Herta Däubler-Gmelin ein und verwahrt sich gegen das böse Wort Sozialschmarotzer: „Das ist ein ganz übler Begriff – den sollte man überhaupt nicht
gebrauchen.“

Im Prinzip richtig, aber, liebe Ex-Justizministerin, ich erinnere mich nicht, dass man vergleichbar Energisches von Ihnen vernahm – damals, als Ihre Partei mit Hartz IV überhaupt erst die Grundlage dafür schuf, dass millionenfach Menschen in diesem Lande unter eben diesen Generalverdacht gestellt werden können. Die werden – nach dem Moto bei denen kann man nie wissen – mit jedem einzelnen Hartz IV-Antrag schwarz auf weiß erinnert: „Sollten Sie falsche bzw. unvollständige Angaben machen ….. setzen sie sich der Gefahr eines Strafverfahrens aus.“ Das können dann beispielsweise so unverzeihliche Unterlassungen sein wie die vergessene Mitteilung, dass Oma dem Enkelkind zum Geburtstag 50 € überwiesen hat, damit das mal wieder ein paar neue Schuhe bekommen kann.

Mit welcher Berechtigung darf eigentlich bei den Menschen in unserem Land, die zu wenig zum Leben haben, bereits von Amts wegen der Generalverdacht des Betruges tagtäglich in schwarzen Lettern vermutet werden – während bei jenen, die mehr besitzen als sie jemals in ihrem Leben werden verbrauchen können – die selbst bei millionenschwerem Beschiss liebevoll nur „Sünder“ genannt werden – lauthals Erstaunen ausbricht, mehr noch, denen dann noch kübelweise Respekt hinterher geworfen wird.

In diesem Sinne ist der Pressestimme von "Libération" zu folgen: "Im Land von Hartz IV spielte Uli Hoeneß an der Börse, wie man Monopoly spielt. ….. Steuerflucht scheint der Lieblingssport von deutschen Millionären geworden zu sein. Aber was lange Zeit als Bagatelle angesehen wurde, geht in der Meinung der Öffentlichkeit nicht mehr durch."

Während sich hierzulande die mediale Empörung des allabendlichen Fernseh-Geflimmers von Bettina Schausten, ZDF, bis Günther Jauch, ARD, allenfalls an dem Symptom Sozialschmarotzer abarbeitet, wäre es für die Gesundheit unserer Gesellschaft wohl sinnvoller, sich der Ursache dieser scheinbar unheilbaren Gesundheitsschadens anzunehmen, der das Miteinander unserer Gesellschaft wie ein Krebsgeschwür überwuchert. Wann endlich nimmt auch die Politik die Ursache dieser schweren Krankheit in
den Blick – der grenzenlosen Gier? (BV)