Achim Truger, Professor für Sozialökonomie und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, warnt in einem Interview mit dem Stern vor Kürzungen bei den Sozialausgaben. Das führe nicht nur zu großen sozialen Problemen, sondern sei auch schlecht für die Wirtschaft.
Subventionen streichen statt Sozialabbau
CDU, FDP und AfD überbieten sich derzeit in Forderungen, Sozialausgaben bei Rente und Bürgergeld zu streichen, um den Haushalt zu sanieren. Achim Truger, einer der Wirtschaftsweisen, die zur Ökonomie in Deutschland beraten, hält dies für Nonsens.
Er sagt: „Wenn die Regierung Geld einsparen will, sollte sie auf die klimaschädlichen Subventionen schauen. Deren Abschaffung ist im Koalitionsvertrag bereits angekündigt.“
Sozialkürzungen treiben die Rezession voran
Laut Kruger sei die Finanzpolitik für 2024 sowieso schon restriktiv ausgerichtet. Würde jetzt auch noch im sozialen Bereich gespart, würde das die Restriktionen vergrößern. Dies mache es wahrscheinlicher, dass die Regierung die Wirtschaft in eine Regression stürze.
Nötig seien hingegen keine Restriktionen, sondern Investitionen, wie sie Klima-, Transformations- und Wirtschaftsstabilisierungsfonds vorgesehen hätten. Ohne derlei Investitionen sinke das Wirtschaftswachstum um 0,9 Prozent.
Das Haushaltloch ist nur ein Vorwand
Kruger zufolge nutzen diejenigen, die im sozialen Bereich kürzen wollen, um das Milliardenloch im Haushalt zu stopfen, das diesbezügliche Urteil des Verfassungsberichts lediglich als „Vorwand für Kürzungsvorschläge, die sie davor auch schon vorgeschlagen haben.“
Negative Auswirkungen auf die Ärmsten
Kruger sagt, manche dieser Vorschläge könne man zwar diskutieren. Sie würden aber bei einem akuten Loch im Haushalt nicht helfen. Andere Vorschläge hätten jedoch „massive negative Auswirkungen auf die Ärmsten der Gesellschaft.“ Die ganze Debatte sei absurd. Arme Rentner/innen sollten ausbaden, dass sich die Regierung „total verhauen“ hätte mit dem Finanzieren von klimafreundlichen Investitionen.
Warnung vor Schnellschüssen
Vorschläge, Renten zu streichen, bezeichnet Kruger als „unausgegorene Schnellschüsse“. So gäbe es für Rentenanpassungen gültige Regeln, und die sollte man nicht außer Kraft setzen, um kurzfristig den Haushalt zu sanieren.
Die Mütterrente wirke zudem gegen Altersarmut. Wer dort kürze, der sorge für besonders negative Auswirkungen im untersten Einkommensbereich. Dies erhöhe das Armutsrisiko und triebe mehr Menschen in die Grundsicherung. Dann müsste der Staat an anderer Stelle zahlen.
Renten werden aus Beiträgen finanziert
Außerdem würden Renten vor allem aus Beiträgen bezahlt. Streiche man einzelne Renten, dann würde dies zwar die Beitragszahler/innen entlasten, aber kaum den Bundeshaushalt. Würde man hingegen den Bundeszuschuss reduzieren, dann müssten die Beiträge steigen. Dies würde nicht weiterhelfen.
„Reiner Populismus“
Vorstöße, die Anpassung des Bürgergelds zu streichen, bezeichnet Kruger als „Populismus“ und „reinen Theaterdonner“. Die Union hätte dem Mechanismus, der das Bürgergeld schneller an die Inflation anpasse, selbst zugestimmt. Außerdem seien beim Bürgergeld verfassungsrechtlich enge Grenzen gesetzt, denn es sichere das Existenzminimum. Das könne man nicht einfach kürzen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.