Keine Regelsatz-Erhöhung beim Bürgergeld bis 2027?

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Seit dem Regierungswechsel im April kündigt die neue Koalition aus CDU, CSU und SPD eine „grundlegende Reform“ des Bürgergelds an. Laut Koalitionsvertrag soll aus der bestehenden Sozialleistung eine „Neue Grundsicherung“ werden; gleichzeitig wollen die Partner den Anpassungsmechanismus der Regelsätze in Bezug auf die Inflation auf den Rechtsstand vor der Corona-Pandemie zurückführen – exakt die Passage, mit der Union und SPD das Vorhaben schwarz auf weiß festgehalten haben.

Rückkehr zur Hartz-IV-Logik

Bis 2023 wurden Regelsätze für Grundsicherungsleistungen anhand der Inflationsdaten des jeweils vorvergangenen Jahres fortgeschrieben. Unter der Ampel-Koalition ersetzte ein beschleunigtes Verfahren diese Praxis: Vierteljährlich veröffentlichte Preisindizes flossen in eine statistische Formel ein, sodass Kaufkraftverluste binnen neun bis zwölf Monaten ausgeglichen wurden.

Genau diese Beschleunigung will die neue Regierung wieder einkassieren. Künftig würde der tatsächliche Ausgleich erst bis zu 18 Monate nach dem Preisschub greifen – so, wie es bei Hartz IV bis 2022 üblich war.

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Was das für die Höhe der Regelsätze bedeutet

Die “buergergeld.org” mittels einer Modellrechnung verglichen, wie hoch der monatliche Regelsatz für Alleinstehende 2025 und 2026 ausfiele, wenn bereits wieder die alte Formel gälte.

Ergebnis: 2025 stünde lediglich ein Anspruch von 535 Euro zu Buche – satte 28 Euro weniger als der gegenwärtige Satz von 563 Euro. Für 2026 erwarten die Autoren sogar eine „faktische Nullrunde“, weil das Preisniveau derzeit nur moderat steigt.

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ). Die Wissenschaftler errechnen für 2025 einen Satz von 535 Euro, im Jahr darauf würden alter und neuer Mechanismus wieder etwa gleichauf liegen. Damit bestätigten sie, dass der Reformschritt vor allem zu einem Einfrieren der Leistungen in den Jahren 2025 und 2026 führt.

Nach Einschätzung der Bundesbank dürfte die deutsche Inflationsrate zwar weiter sinken – auf durchschnittlich 2,4 Prozent im Jahr 2026 und 1,9 Prozent im Jahr 2027.

Die offiziell gemessene Teuerung hört damit aber nicht auf, und die verzögerte Anpassung bewirkt, dass real ein Teil des Existenzminimums verlorengeht. Fällt die Anhebung erst Mitte 2027 an, addieren sich die Kaufkraftverluste über zwei Jahre.

Härtere Sanktionen und neue Mitwirkungspflichten

Der inhaltliche Umbau beschränkt sich nicht auf die Berechnungsmethode. Union und SPD kündigen verschärfte Sanktionen an: Wer Arbeits- oder Qualifizierungsangebote ausschlägt, soll mit schnelleren Kürzungen rechnen.

Eine Schonfrist wie zu Beginn des Bürgergelds ist nicht mehr vorgesehen; schon im ersten Leistungsmonat können zehn Prozent des Regelsatzes entfallen. Sozialverbände sprechen von einem „Rückfall in alte Hartz-IV-Reflexe“, die Koalition dagegen von „klarem Fordern und Fördern“.

Kritik von Gewerkschaften und Sozialverbänden

Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände warnen, der geplante Algorithmuswechsel treffe vor allem Haushalte mit Kindern. Bereits heute liege der Satz deutlich unter der Armutsrisikogrenze des Statistischen Bundesamts.

Ein Einfrieren bis 2027 verschärfe das Problem, weil Strom- und Lebensmittelpreise auch bei niedriger Gesamtinflation stärker anziehen. Parteien links der Mitte befürchten zudem einen „Sanktionsautomatismus“, der den Ermessensspielraum der Jobcenter einengt.

Ausblick bis 2027

Sollte der Regelsatz 2025 und 2026 tatsächlich stagnieren, verschiebt sich der nächste reale Zuwachs frühestens auf Januar 2027 – und selbst dann nur auf Basis der Inflationsdaten von 2025.

Die Entscheidung, was mit den Kaufkraftverlusten von 2026 geschieht, liegt bei der dann zuständigen Bundesregierung. Sozialökonomische Folgen wie steigende Verschuldung im Niedrigeinkommenssegment oder eine höhere Inanspruchnahme von Tafeln gelten als wahrscheinlich.

Die angekündigte „Neue Grundsicherung“ ist somit weniger ein Neuanfang als eine Rolle rückwärts. Sie verbindet den alten Hartz-IV-Mechanismus mit strengeren Pflichten – bei gleichzeitig schwacher Aussicht auf spürbare Entlastung vor 2027.

Während die Regierung einen Neuanfang mit Rolle Rückwärts planen, warnen Experten vor realen Kürzungen auf dem Rücken der Einkommensschwächsten.