Hartz IV: Schon wieder Sanktionen gegen Schwangere

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Braunschweig ist leider kein Einzelfall: Auch weiteren schwangeren Frauen wurden die Hartz IV Regelleistungen auf Null Euro gekürzt.

19.01.2011

Nachdem öffentlich bekannt wurde, dass das Jobcenter in Braunschweig die Hartz IV Bezüge auf Null sanktionierte, weil eine Schwangere einen sogenannten Ein-Euro-Job nicht antrat, wurden weitere Fälle von schwerwiegenden Leistungskürzungen gegen schwangere Frauen bekannt. Dabei kürzten die Sozialbehörden die Leistungen ausnahmslos komplett und verweigerten den gesetzlich geregelten Mehrbedarf für Schwangere. In einem Fall wurden zusätzlich auch die Krankenkassenbeiträge sowie die Unterkunftskosten nicht mehr gezahlt.

In Braunschweig sanktionierte das Jobcenter einer Schwangeren die Hartz IV Leistungen für drei Monate auf Null Euro. Als ein Rechtsanwalt eine Eilklage beim zuständigen Sozialgericht einlegte, nahm die Behörde die Leistungskürzung wieder zurück. Wie sich nun heraus stellte, sind die Sanktionierungen von schwangeren Frauen keine Einzelfälle. Bei der Arbeitsloseninitiative „Erwerbslosen Forum Deutschland“ meldeten sich im Verlauf der vergangenen Woche zahlreiche Frauen, die ein gleiches Schicksal ereilte.

Hochschwanger und trotzdem sanktioniert
Eine Behörde in Passau kürzte einer 21 Jährigen schwangeren Frau die kompletten Regelleistungen inklusive der Kosten für die Unterkunft, nach dem sie sich weigerte einen Ein-Euro-Job in einer Großküche anzutreten. Dieser Fall ist sogar um einiges Brisanter, als der in Braunschweig. Die Betroffene erwartet nämlich in rund sechs Wochen die Geburt ihres Kindes. Das Jobcenter missachtet vor lauter „Sanktionswut“ sogar die gesetzlichen Bestimmungen der Mutterschutzrichtlinien. So dürfen Schwangere laut den Richtlinien des Universitätsklinikums Heidelberg nicht in Großküchen arbeiten, weil sie einem generellen Beschäftigungsverbot unterliegen. Doch auch dieser Fall ist leider kein Einzelfall.

Trotz Klinikeinweisung Sanktion
In Berlin wurde einer weiteren schwangeren Frau die Bezüge auf Null gekürzt, obwohl der Behörde hinreichend bekannt war, dass sich die Frau aufgrund einer akuten Psychose in einer Klinik aufhält. Erst vor zwei Tagen setzte die Behörde den Sanktionsbescheid vom September letzten Jahres wieder aus. Das nützt allerdings der Betroffenen recht wenig, weil sie mittlerweile ihre Wohnung verloren hat und in den Monaten September bis Dezember über keinen Krankenversicherungsschutz mehr verfügte.. Nun muss die Betroffene wieder zu Hause wohnen, um nicht Obdachlos zu sein.

Trotz Krankschreibung sanktioniert Behörde im Passauer Land
Ein weiterer Fall blinder Sanktionswut ereignete sich im Passauer Land. Eine junge schwangere Frau ließ sich durch ihren Arzt aufgrund der vorliegenden Schwangerschaft durchweg krank schreiben. Nur ein einziges Mal hatte die Frau es vergessen, eine vorhandene Folgekrankmeldung rechtzeitig dem Sachbearbeiter vorzulegen. Das nutzte die Behörde anscheinend gleich aus und kürzte die Regelleistungen ebenfalls auf Null Euro. Daraufhin legte die werdende Mutter einen Widerspruch ein. Dessen Ergebnis steht bislang noch aus. Das Erwerbslosen Forum hat nun dieser Betroffenen ebenfalls einen juristischen Beistand organisiert. Der Rechtsanwalt hat heute einen Eilantrag auf Entscheidung beim zuständigen Sozialgericht eingelegt. Auch hier ist die Betroffene bereits Hochschwanger und erwartet ihr Kind im Februar. Bis dahin soll die Frau lediglich Gutscheine in Anspruch nehmen. „Jeder weiß, dass Mütter in Schwangerschaften erheblich mehr Ernährung und andere Dinge benötigen, weshalb bei Hartz IV ein Mehrbedarf gewährt wird.“ sagte Martin Behrsing vom „Erwerbslosen Forum“. Die Frau erhält allerdings nur Lebensmittelgutscheine, die keineswegs ausreichend sind. Der gesetzlich zugesicherte Mehrbedarf für Schwangere wurde nämlich gleich mit gestrichen.

Ausmaß der Sanktionswut gegen Schwangere weit aus größer, als bislang angenommen
Das Ausmaß der Sanktionen gegen Schwangere ist also viel größer, als bislang angenommen. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, weil viele die Öffentlichkeit scheuen oder die rechtswidrigen Sanktionen unkommentiert annehmen. Es scheint, als würden einige Sachbearbeiter in den Sozialbehörden eine „regelrechte Jagd“ auf Notleidende unternehmen, um die Gesundheit und die soziale Situation der Betroffenen weiter zu verschärfen, stellte Sebastian Bertram von der Initiative „gegen-hartz.de“ entrüstet fest. Das Erwerbslosen Forum Deutschland fordert von der Politik eine sofortige Aussetzung der Sanktionspraxis. Die derzeitige Praxis der Behörden zeuge keineswegs von Menschenwürde. Im Übrigen verstoßen diese Sanktionen auch gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. (sb)

Bild: Gerd Altmann / pixelio.de