Hartz IV Ratgeber: Vorlage von Kontoauszügen

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Hartz IV und die Vorlage von Kontoauszügen

Nachdem die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Wissensdatenbank SGB II zu § 51 SGB II (Nr. 10001) die Auffassung vertrat, dass Kontoauszüge nur gefordert werden können, wenn sie zur Klärung eines Anspruches erforderlich sind, weil anderweitig keine hinreichenden Nachweise vorliegen, oder wenn ein begründeter Verdacht auf Leistungsmissbrauch vorliegt, verweist sie nunmehr auf die Zuständigkeit der Landesdatenschutzbeauftragten. So wird der "Schwarze Peter" an diese weitergereicht, was aber rechtlich nicht haltbar ist, denn Datenschutz ist Bundesrecht und nicht Landesrecht.

Siehe dazu auch: "Gemeinsame Hinweise der Landesbeauftragten für den Datenschutz der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zur datenschutzgerechten Ausgestaltung der Anforderung von Kontoauszügen bei der Beantragung von Sozialleistungen" hier.

Zur Sache

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 12.Mai/05, AZ: 1 BvR 569/05, zur Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe ausdrücklich ausgeführt, dass Ungereimtheiten der Vergangenheit keine Rolle spielen, wenn aktuell Bedürftigkeit vorliegt.

Zitierung: BVerfG, 1 BvR 569/05 vom 12.Mai.2005, Randnummer 28:
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfGE 82, 60 <80>). Diese Pflicht besteht unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit (vgl. BVerfGE 35, 202 <235>). Hieraus folgt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, soweit es um die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller geht, nur auf die gegenwärtige Lage abgestellt werden darf. Umstände der Vergangenheit dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Anspruchstellers ermöglichen. Dies gilt sowohl für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit selbst als auch für die Überprüfung einer Obliegenheitsverletzung nach §§ 60, 66 SGB I, wenn über den Anspruch anhand eines dieser Kriterien entschieden werden soll. Aus diesen Gründen dürfen existenzsichernde Leistungen nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere wenn sich diese auf vergangene Umstände stützen.

Das BVerfG hat diese Rechtsauffassung in seinem Beschluss vom 13.Juni.07, 1 BvR 1550/03, weiterhin und damit auch für das "neue" SGB II bekräftigt, indem sie die Abfrage von Kontostand und Kontenbewegungen untersagt und erklärt hat, dass dazu konkrete Verdachtsbeweise erforderlich sind, die "… einer eigenständigen … Ermächtigungsgrundlage bedürfen".
Die Leistungsträger umgehen mit ihrer unbegründeten Forderung der Vorlage von Kontoauszügen zur Prüfung von Kontobewegungen dieses Urteil, indem sie diese Daten zur "Vermeidung und Aufdeckung ungerechtfertigten Leistungsbezuges" auf der Grundlage von § 51b Abs 2 SGB II i.V.m. § 67a SGB X nunmehr beim Betroffenen direkt erheben, was aber auch hier ohne Vorliegen und Nachweis konkreter Verdachtsmomente (§ 35 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 67a Abs. 3 Satz 1 SGB X, § 35 Abs. 1 SGB X) rechtswidrig ist und den Straftatbestand von § 186 StGB übler Nachrede und § 187 StGB Verleumdung erfüllt.

Es liegen mittlerweile verschiedene Urteile vor, die besagen, dass die pauschale Forderung von Kontoauszügen unzulässig ist, da einerseits damit der Betroffene unter den Generalverdacht des Leistungsbetruges gestellt wird, andererseits es im SGB II nur auf die aktuelle Bedürftigkeit ankommt, nicht darauf, was in der Vergangenheit war. So u.a.:
– Hessisches Landessozialgericht (L 7 AS 32/05 ER vom 22.August.05),
– Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (L 6 AS 378/07 ER vom 12.Juli.2007),
– Sozialgericht Bayreuth (S 8 AS 34/06 ER vom 27.Februar.2006),
– Sozialgericht Detmold (S 10 AS 25/05 ER vom 14.April.05),
– Sozialgericht Darmstadt (S 9 AS 817/06 ER vom ??.??.2007),
und verschiedene andere Sozialgerichte.

Konkret heißt das, dass nur ein aktueller Kontoauszug als Nachweis der aktuellen Bedürftigkeit gefordert werden kann, unabhängig davon, ob es sich um einen Neu- oder Folgeantrag handelt. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte auf Leistungsmissbrauch vorliegen, kann eine weitergehende Ermittlung erforderlich sein, deren Erforderlichkeit aber zuvor durch Angabe von konkreten Fakten und Beweisen (§ 35 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 67a Abs. 3 Satz 1 SGB X, § 35 Abs. 1 SGB X) dem Betroffenen nachzuweisen ist, woraufhin dieser dann gemäß seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I die geforderten Nachweise erbringen muss.
(Siehe dazu auch: "Widerspruch zu ihrer unbegründeten Forderung nach Kontoauszügen" hier im Forum im Bereich "Beispiele für Widersprüche")

Es gibt aber auch andere Rechtsauffassungen, die den o.g. Urteilen (und damit auch denen des BVerfG) entgegenstehen, so u.a.:
– Sozialgericht Reutlingen (S 2 AS 1073/06 vom 09.Januar.2007) (Baden-Württemberg),
– LSG Nordrhein-Westfalen (L 9 B 48/06 AS ER vom 12.Juli.2006),
– Bayerisches Landessozialgericht (L 7 AS 190/07 vom 10.August.2007).

Derzeit ist ein Verfahren beim BSG anhängig: B 14 AS 45/07 R (Vorinstanzen: Sozialgericht München
S 48 AS 972/06 vom 30.Mai.2007; LSG München L 7 AS 190/07 vom 10.August.2007) welches eine abschließende Klärung dieser Thematik bringen soll. Ein Beschlusstermin steht noch nicht fest.

Siehe auch: Forum "Widerspruch & Klage"

Nach wie vor unstrittig ist, dass Kontoauszüge immer dann als Beweismittel gefordert werden können, wenn Sachverhalte anderweitig nicht zu klären oder zu beweisen sind, etwa der genaue Tag des Geldzuflusses bei Lohnzahlungen. Da hierbei jeweils nur eine spezielle Buchung (leistungs)relevant ist, können alle anderen Buchungen geschwärzt werden. (24.05.2008)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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