Hartz IV Hausbesuche noch immer rechtswidrig

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Bonn. Die am 1. August 2006 in Kraft getretenen Hartz 4 Gesetzesänderungen des so genannten Fortfolgegesetzes bedeuten in vielen Bereichen erhebliche Verschärfungen für Arbeitslose. Deren gewollter Effekt, Einsparungen in Milliarden, sind nach Ansicht des Erwerbslosen Forum Deutschland reine Augenwischerei. Mittlerweile melden sich aus dem ganzen Bundesgebiet immer mehr ALG II-Empfänger denen die zugesagte Bewerbungskostenübernahme nicht mehr erstattet wird. Grund ist eine Ausgabensperre in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, die der Haushaltsausschuss des Bundestags bei den Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose verhängt hat. Anstelle der zunächst vorgesehenen 6,2 Milliarden Euro dürfen dafür in diesem Jahr nur 5,1 Milliarden Euro ausgegeben werden.

Für Arbeitslosengeld II-Bezieher treten ab heute zahlreiche Verschärfungen in Kraft, die bis zum völligen Leistungsentzug führen können. Das Erwerbslosen Forum Deutschland weist deshalb darauf hin, dass nicht alle in Kraft getretene Veränderungen so ohne weiteres hingenommen werden müssen und man sich erfolgreich dagegen wehren kann. Nach wie vor gälte die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG), wonach niemand Hausbesuche und insbesondere unangemeldete dulden müsse. Grundsätzlich beschränke sich die Amtsermittlung auf Erhebungen im Amt und nach Aktenlage. Einen Anlass zu einem Hausbesuch gäbe es nur in sehr eingeschränkten Fällen (etwa bei baulichen Veränderungen bei Behinderten). Sollten konkrete Verdachtsfälle für einen Hausbesuch anfallen, muss dies vorher dem Betroffenen mitgeteilt werden und der Betroffene dazu Gelegenheit gegeben werden, sich zu äußern. In dringenden Fällen, die eine Hausdurchsuchung unumgänglich machen, sei im Übrigen die Staatsanwaltschaft zuständig, die eine Hausdurchsuchung nach einem richterlichen Beschluss durchführen darf. Auch dürfte der Sozialdienst nicht einfach Daten in der Nachbarschaft, etwa durch Befragung von Nachbarn erheben, ohne dass der Betroffne sein Einverständnis dazu gegeben hat oder davon in Kenntnis gesetzt wurde. Dies wäre regelmäßig ein schwerer Verstoß gegen den Schutz der Sozialdaten und könne je nach Schwere Bußgelder in Höhe von 25.000 -250.000 EUR oder Ersatzweise Haft im Falle der Wiederholung- durch die Geschäftführung nach sich ziehen. Das Erwerbslosen Forum Deutschland bittet deshalb Betroffene, sich bei der Initiative zu melden, um geeignete Wege zu finden, solche Fälle nachzugehen. Wir warnen die SGB II-Behörden eindringlich, die gesetzliche Einführung von Außendiensten in allen SGB II-Behörden dazu zu nutzen, um jetzt in Rambomanier ALG II-Empfänger zu bespitzeln. Dies war schon in der Vergangenheit nicht erlaubt und ist auch durch die neue Gesetzeslage nicht abgedeckt. Im Grunde hätte sich der Gesetzesgeber diesen überflüssigen K!
ropf sparen können, denn durch einen verweigerten Hausbesuch dürfen weder Leistungen eingestellt werden noch wird dies irgendetwas an der Hilfebedürftigkeit der zahlreichen Betroffenen ändern. Der geringe Prozentrang von angeblich 1% Missbrauch wird durch solche Maßnahmen kaum aufgedeckt. Im Übrigen ist für Schwarzarbeit immer noch die Zollverwaltung zuständig und keinesfalls der Außendienst“, so Martin Behrsing.

Zugleich weist die Initiative darauf hin, dass Telefonbefragungen datenschutzrechtlich äußerst bedenklich sind. Wir raten den Betroffenen, dass sie entweder ihre Telefonnummer erst gar nicht angeben oder auf Löschung dieser Daten bestehen, da sich zu viele Trittbrettfahrer dran hängen können, so Behrsing weiter.

Die Initiative sieht nicht, dass die neu eingeführte Beweislastumkehr Bestand haben wird. Nach wie vor gelte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes von 1992, welche nochmals 2004 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Deshalb rät das Erwerbslosen Forum Deutschland den Betroffenen sich rechtlich dagegen zu wehren, denn die zahlreichen Entscheidungen der Sozialgerichte würden sich immer wieder auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes stützen. Es sei auch überhaupt nicht klar, wie denn Betroffene ihren Beweis antreten sollen, wenn die Behörde gesetzlich eine eheähnliche Gemeinschaft vermuten muss.

Zurzeit unterstützt die Initiale junge Erwachsene, sich per Verfassungsbeschwerde gegen die seit 01.07.2006 in Kraft getretenen Änderungen für junge Erwachsene zu wehren. Dies halten wir für absolut verfassungswidrig und darf auch kein Bestand in unserer Gesetzgebung haben. Bisher galt immer, dass Eltern ihre Kinder bis zum Abschluss einer Ausbildung unterstützen müssen und nur in Ausnahmefällen durfte diese Unterstützung ausgeweitet werden. Damit werden junge Menschen extrem benachteiligt und in ihrer sozialen Entwicklung gehemmt, da 20% Verzicht von Regelleistung eine Ausreichende kulturelle Teilhabe keineswegs ermöglichen, so das Erwerbslosen Forum Deutschland. Ähnliches würde auch für die sog. Patchworkfamilie gelten, wonach Stiefelternteile für ihre nicht leiblichen Kinder aufkommen müssen, während oftmals der leibliche Elternteil sich seinen Verpflichtungen entziehen könne.

Als besonders ärgerlich empfindet die Initiative, dass auf Grund der verhängten Haushaltssperre zahlreiche Behörden keine Bewerbungskosten mehr gewähren. Dies aus dem Regelsatz zu bestreiten sei den Betroffenen nicht möglich, da die Regelsatzverordnung dafür keinen Posten übrig hätte. Für uns zeigt sich, dass die Regierung damit deutlich zeigt, dass es kein wirkliches Interesse an der Integration von ALG II -Empfänger gibt. Wenn dies so ist, darf man auch keine kostenaufwendigen Bewerbungsaktivitäten mehr verlangen. Wir erwarten hier eine umgehende Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit- und Soziales, so Martin Behrsing.