Bundessozialgericht kippt Duisburger Mietobergrenze
21.12.2011
Das Bundessozialgericht hat in der Verhandlung vom 20. Dezember 11 eine interessante Entscheidung getroffen. Es ging hierbei um das "schlüssige Konzept" der Stadt Duisburg, welches von Sozialgericht Duisburg und dem Landessozialgericht für rechtens gehalten wurde. Diese Entscheidungen wurden nun aufgehoben. Die Vorsinstanzen hatten bestimmte Baualtersklassen aus dem Mietspiegel nicht einbezogen, obwohl nicht fest stand, dass aus diesen Altersklassen wenige Wohnungen zum unteren Marktsegment gehören. Andererseits hatten die Behörde und die Vorinstanzen mathematisch-statistische Grundsätze verletzt, indem sie Tabellenfelder aus dem Mietspiegel mit berechnet hatten, bei denen unklar ist, wie hoch der Bestand in diesem Feld ist, ob solche Wohnungen wirklich für die ALG II Leistungsberechtigten zur Anmietung zur Verfügung standen. Darüber hinaus kritisiert das BSG, dass nicht sichergestellt
sei, dass die "angemessenen" Wohnungen sich nur auf bestimmte Stadtteile beschränken. Dieses wäre ein Verstoß gegen die BSG-Rechtsprechung, die stets eine Segregation verhindern will.
Unterstrichen wird mit der Entscheidung nochmals, dass der Grundsicherungsträger, also die Behörde zunächst verpflichtet ist, ein schlüssiges Konzept aufzustellen, das die o.g. Kriterien erfüllt. Liegt ein solches Konzept nicht vor, kann das Gericht von Amts wegen Ermittlungen anstellen, die auch den o.g. Anforderungen genügen müssen. Wenn das
Gericht dieses nicht kann, weil die erforderlichen Ermittlungen zu umfangreich sind, ist § 12 WoGG anzuwenden, der in der Regel für die Betroffenen günstig ist.
Eindeutig verhält sich das neue Urteil zur Notwendigkeit der Einbeziehung kalter Nebenkosten bei der Angemessenheit: »Zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten sind neben der Nettokaltmiete die "kalten Betriebskosten", allerdings unter Rückgriff auf lokale Übersichten, einzubeziehen.«
Hintergrund des Urteils ist, dass die Mietspiegel, die existieren, einen anderen Zweck haben, als Ermittlung angemessener Mieten. Sie haben nämlich eine Befriedungsfunktion im Verhältnis Mieter-Vermieter und beschränken die Möglichkeit zu Mieterhöhungen (vgl. Gautzsch in WuM 2001, S 603 ff.). Das BSG erteilt damit denjenigen einen Rüffel, die unkritisch zu den Mietspiegeln gegriffen haben und ohne weiteres nur daraus einen angemessenen Mietwert berechnen wollten.
Konsequenz: Die Gerichte werden zukünftig verstärkt auf § 12 WoGG zurückgreifen, wenn die Jobcenter keine eigenen
Ermittlungen angestellt haben und diese schlüssig vorlegen können. Dieses würde für Essen bei 10% Sicherheitsaufschlag 393,80 Euro angemessene Brutto-Kaltmiete für einen Ein-Personen-Haushalt bedeuten. Denn die oben aufgestellten Kriterien für ein schlüssiges Konzept liegen in Essen nicht im Ansatz vor. Bundessozialgericht, Aktenzeichen: B 4 AS 19/11 R (Rechtsanwalt Jan Häußler, Fachanwalt für Sozialrecht)
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