CDU-Generalsekretär Linnemann will die Grundsicherung aufbrechen. Er fordert tiefgreifende Veränderungen beim vereinbarten Umbau des Bürgergelds. Er sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, man müsse an die “Substanz des Bürgergeld-Systems” gehen.
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Es geht nicht um bessere Arbeit der Jobcenter
Linnemann macht überdeutlich klar, dass er damit keinesfalls eine bessere Vermittlung durch die Jobcenter meint. Auch eine verstärkte psychosoziale Betreuung für diejenigen, die aufgrund fehlender Ausbildung und vielschichtiger Probleme kaum Chancen haben, eine Erwerbsarbeit zu finden, hat er nicht im Auge.
Linnemann will Bürgergeld komplett entziehen
Vielmehr geht es ihm um den kompletten Entzug des Existenzminimums: „Wenn jemand nachweislich wiederholt einen zumutbaren Job nicht annimmt, obwohl er offenkundig arbeiten kann, dann muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist.
Und dann bekommt er auch kein Bürgergeld mehr.“ Der CDU-Generalsekretär will wörtlich einen Paradigmenwechsel, also einen grundlegend veränderten Blickwinkel.
Rechtsbruch mit Ansage?
Der Grünen-Politiker Timon Dzienus hält Linnemanns Vorhaben für kriminell und sagt: “Die Koalition steuert auf den nächsten Rechtsbruch mit Ansage zu.” Er betont: “Die von der Union geplanten Totalsanktionen sind nicht nur herzlos, kalt und unmenschlich, sondern auch verfassungswidrig.”
Er fährt fort: “Wenn es nach der CDU geht, wird mit der Reform des Bürgergelds eine neue Eiszeit ausgerufen. Das ist in diesen Zeiten schlichtweg unverantwortlich.”
Die Parteien der Regierungskoaition sollten, laut Dzienus, statt “weiter nach unten zu treten und Menschen gegeneinander auszuspielen (…) echte Gerechtigkeitsfragen diskutier(en), wie die ungleiche Verteilung von Erbschaften und Vermögen.”
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Welcher Blickwinkel soll sich verändern?
Das Bürgergeld kündigten die dafür verantwortlichen Parteien SPD und die Grünen an als “Kooperation auf Augenhöhe”. Damit versuchten die Verantwortlichen, den scharf kritisierten Druck des Hartz-IV-Systems zu lockern. Nicht mehr die Drohung mit Sanktionen sollte Arbeitssuchende in irgendwelche Beschäftigungen pressen, sondern eine konstruktive Zusammenarbeit sollte die Betroffenen nachhaltig für den Arbeitsmarkt qualifizieren.
Die Realität sah allerdings auch beim Bürgergeld anders aus, nicht zuletzt, weil viele Mitarbeiter der Jobcenter nach wie vor von ihrer autoritären Hartz-IV Rolle geprägt waren und deshalb weiterhin auf Befehl und Gehorsam und Peitsche statt Zuckerbrot setzten.
Linnemann will Arbeitsministerin anstacheln
Dieses Abrücken von der zumindest behaupteten “Kooperation auf Augenhöhe” möchte der CDU-Generalsekretär zusammen mit der Arbeitsministerin Bärbel Bas aus der SPD erreichen. So sagte er: „Wir haben beide ein Interesse daran, dass wir wieder ein gerechtes Sozialsystem bekommen.“
Arbeitsministerin interessiert sich für Kriminalität statt für Arbeitsvermittlung
Die Arbeits- und Sozialministerin bläst in dasselbe Horn. Zur Grundsicherung (heute Bürgergeld) fielen ihr zuerst einmal organisierter Sozialbetrug, Schwarzarbeit und schnellere Sanktionen für diejenigen ein, die “ihre Mitwirkungspflicht verletzen”.
Der organisierte Sozialbetrug im Ruhrgebiet, von dem Bas spricht, und den sie aus ihrer Heimatstadt Duisburg kennt, ist vor allem ein Polizeiproblem. Erschreckend ist für jeden, der sich mit der Realität des Bürgergeldes auskennt, dass ausgerechnet eine Arbeitsministerin Kriminelle in den Fokus rückt statt die wirklichen dicken Bretter auch nur zu erwähnen, die die Jobcenter zu bohren haben.
Alleinerziehende Mütter sind am häufigsten im Bürgergeld-Bezug
Sozialbetrug und Arbeitsverweigerung sind beim Bürgergeld absolute Randphänomene, wie die Zahlen deutlich aussagen. Die Bevölkerungsgruppe, deren Anteil beim Bürgergeld am höchsten ist, sind hingegen alleinerziehende Mütter. Diese müssen Bürgergeld beziehen, weil sie nur maximal in Teilzeit arbeiten können und keinen Kitaplatz bekommen.
Die echten Probleme werden verschwiegen
Während Linnemann und Bas sich auf die verschwindend geringe Anzahl derjenigen stürzen, die zumutbare Arbeit verweigern, verschweigern sie das entscheidende Problem der Jobcenter. Extrem viele unter den erwerbsfähigen Bürgergeld-Beziehern haben keine Ausbildung, psychische Erkrankungen, sind gesundheitlich eingeschränkt, leiden an Suchterkrankungen oder sind verschuldet. Sehr häufig verschachteln sich diese Probleme ineinander.
Die meisten dieser Menschen sehnen sich nach einer regelmäßigen Erwerbsbeschäftigung, haben aber ohne eine nachhaltige Qualifizierung und psychosoziale Unterstützung keine Chance auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Linnemann und Bas führen eine Scheindebatte
Diese Betroffenen nachhaltig in Arbeit zu bringen, kostet Geld, braucht Ressourcen und dafür ist ausgebildetes Personal nötig. Statt diese echten Herausforderungen anzugehen, führen der Generalsekretär der CDU und die Arbeitsministerin eine Scheindebatte, in der wieder einmal soziale Probleme zu einem Kriminalitätsproblem umgedichtet werden.
Bürgergeld reicht nicht aus
Eine gänzlich andere Position als der CDU-Generalsekretär vertritt Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK. Sie hält das Bürgergeld in Zeiten gestiegener Lebensmittelpreise für zu niedrig und fordert eine geringere Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel ebenso wie höhere Regelsätze. Diese müssten so gestaltet werden, dass sie eine ausreichende und gesunde Ernährung ermöglichen.