Wenn sich Bürgergeld-Beziehende künftig in Vorstellungsgesprächen etwa unmotiviert oder unkooperativ verhalten, kann das Jobcenter direkt die Leistungen kürzen. Dementsprechend wird nicht nur das Ablehnen einer Stelle sanktioniert, sondern auch ein Verhalten seitens Grundsicherungs-Empfängern, das darauf abzielt, eine Einstellung aktiv zu verhindern.
Die Bewertung eines Bewerbungsgesprächs ist aber hochgradig subjektiv sagt der Sozialrechtsexperte Detlef Brock.
Wie kann vom Jobcenter rechtssicher festgestellt werden, ob jemand sich absichtlich unkooperativ verhalten hat oder ob Nervosität, Sprachbarrieren, psychische Belastungen oder Missverständnisse eine Rolle gespielt haben?
Sind Jobcentermitarbeiter jetzt etwa schon Ärzte oder Psychologen?
Leistungsbezieher haben kaum eine realistische Möglichkeit, sich gegen solche Vorwürfe sich zu wehren. Hier kommt von mir der dringende Rat, sich anwaltliche Hilfe zu nehmen oder wenn vorhanden, einen Sachkundigen zum SGB 2 aufsuchen.
Nach Meinung des Sozialrechtsexperten Detlef Brock – auch Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles e. V. darf die vollständige Streichung des Existenzminimums – nicht von subjektiven Eindrücken oder Einschätzungen Dritter abhängen.
Dass ist wohl möglich rechtswidrig und wird nach meiner Meinung auch von den Gerichten gekippt.
So hat zum Beispiel die obergerichtliche Rechtsprechung zum Fehlverhalten beim Bewerbungsgespräch von Leistungsbeziehern nach dem SGB 2 wie folgt geurteilt:
Ein ehemaliger Sicherungsverwahrter muss einem Maßnahmenträger eine 17-jährige Lücke im Lebenslauf nicht erklären ( LSG BB, Beschluss vom 16. Dezember 2016 – L 32 AS 2523//16 B ER – ).
Leistungsbezieher nach dem ALG 2 müssen beim Maßnahmeträger – keinen – Lebenslauf vorlegen. Eine nicht erteilte Zustimmung kann im Umkehrschluss nicht dazu führen, den Leistungsempfänger in der Sache dafür zu sanktionieren ( SG Leipzig, Beschluss vom 29.05.2012- S 25 AS 1470/12 ER – und so im Ergebnis auch SG Berlin, Beschluss vom 15.02.20 12 – S 107 AS 1034/12 ER – ).
Es muss einem SGB II-Empfänger, der sich bei einem Maßnahmeträger vorstellt, erlaubt sein, seine Unterlagen mitzubringen, in denen sich auch Gesetzestexte befinden. Dieser Umstand ist allein für sich gesehen objektiv betrachtet nicht provokativ ( SG Leipzig, Urteil vom 20.02.2014 – S 25 AS 2286/12 – ).
Die Bewerbung der Hilfebedürftigen ist eine unangemessene Bewerbung – Negativbewerbung und insoweit mit einer Nichtbewerbung gleichzusetzen, eine solche Gleichsetzung ist gerechtfertigt, wenn im Bewerbungsschreiben allein wegen seines objektiven Inhalts bzw. seiner Form so abschreckend oder widersprüchlich ist, dass der Bewerber schon allein wegen des Schreibens aus der Auswahl für den Arbeitgeber ausscheidet (vgl. BSG Urteil vom 05.09.2006 – B 7 a AL 14/05 R – ) . Hier für den Fall, wo sich die Hilfebedürftige in ihrer Bewerbung ausschließlich beschränkt auf die Darstellung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen und nicht vorhandenen Fähigkeiten ( SG Duisburg, Urteil vom 23.10.2013 – S 33 AS 4377/12 – ).
Eine zur Sanktion führende Pflichtverletzung bei Verhinderung der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses durch das Verhalten des Hilfebedürftigen liegt vor, wenn der Hilfebedürftige bei der Kontaktaufnahme oder im Vorstellungsgespräch ein ersichtliches Desinteresse an der beruflichen Tätigkeit und eine gezielt schlampige Bekleidung bzw ein für den Arbeitgeber vertragshinderndes Erscheinungsbild erkennen lässt ( LSG Sachsen, Beschluss v. 24.06.2013 – L 5 AS 323/13 B ER – ).
Verhindert eine Hilfebedürftige nach dem SGB II durch eine unangemessene – telefonische – Bewerbung die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses, ist eine Pflichtverletzung des Antragstellers iSv § 31 SGB II gegeben ( LSG Bayern, Beschluss vom 07.10.2013 – L 7 AS 644/13 B ER -).
Weigert sich der Leistungsbezieher nach dem SGB II sich zeitnah d.h. spätestens am dritten Tage nach Erhalt des Stellenangebotes auf Vermittlungsvorschläge, die er vom Jobcenter erhält, zu bewerben, ist die Sanktion rechtmäßig ( LSG NRW, Beschlüsse vom 05.12.2011, – L 19 AS 1870/11 B ER – und – L 19 AS 1871/11 B – ).
Ein „Weigern“ i.S.v. § 31 SGB II durch Unterlassen einer Handlung setzt voraus, dass der Hilfebedürftige wusste, dass er eine ihm auferlegte Pflicht i.S.v. § 31 SGB II unterlässt, und dass das Unterlassen zur Pflichtverletzung führt. Das bloße Unterlassen einer Nachfrage bei dem potentiellen Arbeitgeber hinsichtlich einer angekündigten Entscheidung über eine Anstellung stellt noch keine Weigerung dar ( LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 12.01.2009 – L 5 B 94/08 AS ER – ).
Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.
Bescheid prüfenWann ist von einem Weigern des Hilfebedürftigen im SGB 2 auszugehen
Weigern in diesem Sinne bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder still schweigende, schriftliche, mündliche oder in anderer Weise dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten. Die Aufnahme einer Tätigkeit kann mithin durch ausdrückliches oder konkludentes Verhalten verweigert werden.
Der Ablehnungswille muss sich aus dem Gesamtverhalten des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eindeutig und zweifelfrei ergeben.
Ein vorwerfbares Verhalten kann dabei auch im Verhalten bei einem Vorstellungsgespräch gegeben sein meint der Sozialrechtsexperte Detlef Brock.
Es kommt hier aber immer auf den Einzelfall an.
Die Aufnahme einer Tätigkeit kann mithin durch ausdrückliche Erklärung oder durch konkludentes Verhalten (BSG, Urteil vom 15.12.2010 -B 14 AS 92/09 R – ) verweigert werden.
Bei Verweigerung durch schlüssiges Verhalten muss das dem Leistungsberechtigten zurechenbare Handeln oder Unterlassen den hinreichend sicheren Schluss erlauben, dass er eine bestimmte Arbeit nicht ausüben will.
Gerichts- Klatsche ist hier bei einzelnen Paragraphen der neuen Grundsicherung nach Meinung des Sozialrechtsexperten Detlef Brock vorprogrammiert
Gerade wenn es um den Wegfall der Bedarfe für Unterkunft und Heizung geht.
Als negative Folgen der Leistungsvorenthaltung zählte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 05.11.2019 – 1 BvL 7/16 – )
Exemplarisch Wohnungslosigkeit, die Gefahr der Dequalifizierung, verstärkte Verschuldung, eingeschränkte Ernährung, unzureichende Gesundheitsversorgung, sozialen Rückzug sowie seelische Probleme bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auf.
Mehrere Studien legten negative Wirkungen der Sanktionen auf Betroffene dar
Dazu gehörten der soziale Rückzug und Isolation, Obdachlosigkeit, schwerwiegende psychosomatische Erkrankungen oder Kriminalität zur Erschließung alternativer Einkommensquellen. Besonders problematisch seien die Gefahr von Kleinkriminalität, Schwarzarbeit oder Verschuldung, der Kontaktabbruch von Leistungsberechtigten zum SGB-II-Träger, Fehlentscheidungen bei psychisch Beeinträchtigten und die Betroffenheit der Bedarfsgemeinschaft.
Auch die Untersuchung zur Erforschung der Ursachen und Auswirkungen von Sanktionen gelange zu dem Ergebnis, dass Sanktionen seelische Probleme verstärkten, zum sozialen Rückzug führten und Verschuldungsrisiken auftreten könnten, weil unter anderem Miete und Strom nicht mehr regelmäßig bezahlt würden.
2026 erwarte ich eine Gerichts- Klatsche gegen einzelne neue Paragraphen der Neuen Grundsicherung
Das Jahr 2026 wird von Gerichtsverfahren geprägt sein, denn die vollständige Streichung des Existenzminimums – darf nicht von subjektiven Eindrücken oder Einschätzungen Dritter abhängen. Jobcentermitarbeiter verfügen nach meiner Meinung nicht immer über die geeignete Ausbildung oder das Wissen, um so etwas korrekt einschätzen zu können. Außerdem müsste der Bedarf an Jobcentermitarbeitern aufgestockt werden, um den neuen Regelungen im Sinne der Leistungsbezieher gerecht zu werden.
Verwaltungsaufwand der Jobcenter wird enorm ansteigen
Für die Behörden wird durch die Neue Grundsicherung und die verschärften Sanktionen ein enormer Verwaltungsaufwand auf sie zu kommen, denn nur wenn die Jobcenter alles ordentlich protokollieren, können sie vor Gericht bestand haben.
Jobcenter sind in der Beweispflicht
Das Jobcenter muss beweisen, dass eine Negativbewerbung vorliegt oder ein vorwerfbares Verhalten bei einem Vorstellungsgespräch vorliegt.



