Alltag in Sozialbehörden: Überlanges Warten, Wutausbrüche und Falschaussagen

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Ein Ehrenamtlicher aus Leipzig macht öffentlich, was viele Menschen täglich erleben. Überlange Wartezeiten, schlechte Kommunikation und falsche Aussagen von Behördenmitarbeitern in den Sozialbehörden.

Willi K. ist 67 Jahre alt und hilft ehrenamtlich Menschen, die Probleme mit Behörden haben. Eine Familie wartet zum Beispiel seit mehr als einem halben Jahr auf einen Bescheid für ihr Wohngeld. Solche Fälle gibt es viele. Laut der Stadt Leipzig liegt das Problem an einer Wohngeld-Antragswelle seit Ende 2022, für die zusätzliches Personal eingestellt wurde.

Seit über sechs Monaten kein Bescheid über Wohngeld

Willi K. sagt, er stelle seit Jahren Anträge bei Behörden für Betroffene, etwa auf Wohngeld oder Fahrtkostenzuschüsse, für deutsche Staatsbürger ebenso wie für Flüchtlinge. Eine Familie, der er hilft, warte nun seit Januar 2023 auf die Entscheidung über ihren Wohngeldantrag.

Ein anderer Antragsteller, dem der Ehrenamtliche bei der Beantragung von Wohnraum geholfen hat, habe erst nach fünf Monaten eine Antwort vom Sozialamt erhalten.

Der Ehrenamtliche kritisiert nicht nur die lange Dauer, sondern auch falsche Behauptungen, die er in den Medien höre. Dort würde berichtet, dass Anträge auf Wohngeld innerhalb von vier Monaten entschieden würden. Die zitierte Familie warte aber seit über einem halben Jahr ohne Bescheid, eine andere Person, der er bei einem Wohngeldantrag geholfen habe, habe erst nach fünf Monaten einen Bescheid erhalten.

Hohe Anzahl von Anträgen

Das Sozialamt Leipzig teilte auf Anfrage mit, dass sich die Bearbeitungszeit seit April wegen der gestiegenen Zahl von Wohngeldanträgen um durchschnittlich 25 Tage verlängert habe. Derzeit liege sie bei rund viereinhalb Monaten. Grund sei das hohe Antragsaufkommen von Dezember 20022 bis Februar 2023. Im Dezember 2022 seien 2.400 Anträge eingegangen, im Januar 2023 sogar 5.500 Anträge.

Grund für die gestiegenen Antragszahlen sei das 2023 in Kraft getretene Wohngeld Plus. Durch dieses seien deutlich mehr Menschen als bisher wohngeldberechtigt und würden daher auch mehr Wohngeld beantragen.

Um die Mehrarbeit zu bewältigen, habe das Sozialamt Leipzig 30 zusätzliche Mitarbeiter/innen eingestellt. Von den rund 10.000 Anträgen, die dem Sozialamt im April vorlagen, seien nur noch 8.700 unbearbeitet. Gleichzeitig liege die Zahl der monatlichen Anträge weiterhin deutlich über dem Niveau der Vorjahre. So seien im Juni 2023 1.500 Anträge mehr gestellt worden als ein Jahr zuvor.

Im Einzelfall könne sich die Bearbeitung auch wegen unvollständiger Unterlagen oder zusätzlichem Klärungsbedarf verlängern, heißt es beim Sozialamt. Probleme bereiten allerdings auch andere Ämter.

Wutausbruch in der Behörde

Willi K. berichtet von einem beispielshaften Vorfall im Jugendamt Leipzig. Als ehemaliger langjähriger Mitarbeiter eines gemeinnützigen Wohlfahrtsverbandes kennt er sich mit Antragsverfahren bestens aus. Mit diesem Wissen wollte er einem Hilfesuchenden helfen, einen Kindergartenplatz zu beantragen. Doch die Situation nahm eine unerwartete Wendung, als Willi K. mit der Hilfesuchenden mit einem vollständigen Antrag beim Jugendamt erschien.

Willi K. hatte sich vor Abgabe des Antrages bei einer Mitarbeiterin vergewissert, dass alle erforderlichen Unterlagen vollständig vorlagen. Überraschenderweise wurden dem Hilfesuchenden später “unvollständige und falsch ausgefüllte Unterlagen” vorgeworfen. Willi K. ließ sich das nicht gefallen und ging selbst zum Jugendamt, bewaffnet mit einer Quittung, die die Vollständigkeit der Unterlagen bestätigte.

Die Situation spitzte sich jedoch zu, als Willi K. die Quittung vorlegte und die Mitarbeiterin bat, die angeblich fehlenden Unterlagen zu suchen. Statt einer sachlichen Lösung sah sich Willi K. mit einem beispiellosen Wutausbruch der Sachbearbeiterin konfrontiert. Dennoch ließ er nicht locker und drängte beharrlich darauf, die fehlenden Unterlagen zu suchen.

Schließlich zahlte sich seine Hartnäckigkeit aus: Die fehlenden Unterlagen wurden tatsächlich gefunden und die Antragsunterlagen erwiesen sich als vollständig. Die Sachbearbeiterin reagierte auf den Triumph von Willi K. mit sarkastischen Worten, was die Situation zusätzlich aufheizte.

Falschaussagen bei Behörden

Willi K berichtet auch über weitere Falschaussagen von Mitarbeiter/innen bei Behörden gegenüber Betoffenen. So habe eine Mitarbeiterin behauptet, das Fahrgeld sei an eine Schule überwiesen worden. Dort sei es aber nicht angekommen und die Überweisung sei erst Wochen später erfolgt.

Willi K sagt auch, dass er befürchtet, dass ein derartiges Verhalten von Mitarbeiter/innen bei Behörden Anspruchsberechtigte davon abschreckt, Anträge zu stellen – und Ehrenamtliche von ihrem Engagement abhält.

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