Die Riester-Rente soll ab 2027 in eine neue Förderwelt übergehen. Für Sparer ist das keine Aufforderung zum Aktionismus – aber ein klarer Anlass, die eigene Strategie bis dahin sauber zu setzen. Denn in der Übergangsphase passieren primär zwei Fehler:
Manche kündigen aus Frust und stellen erst hinterher fest, dass sie Förderung zurückzahlen und Kosten „endgültig“ realisieren. Andere zahlen weiter, ohne zu prüfen, ob ihr Vertrag sie jedes Jahr über Gebühren ausblutet oder ob Zulagen überhaupt vollständig ankommen.
Die gute Nachricht: Wer jetzt strukturiert vorgeht, hält sich alle Optionen offen – ohne hektische Entscheidungen.
Inhaltsverzeichnis
Was sich ab 2027 voraussichtlich ändert
Der Regierungsentwurf baut die staatlich geförderte private Vorsorge neu auf. Künftig soll es neben sicherheitsorientierten Garantieprodukten auch ein renditeorientiertes Altersvorsorgedepot ohne Garantien geben. Das ist der grundsätzliche Wechsel: mehr Kapitalmarkt, mehr Renditechance, aber auch mehr Schwankungsrisiko.
Damit Verbraucher nicht wieder in unübersichtlichen Produkten und Kostenmodellen landen, ist ein Standardprodukt („Standarddepot“) vorgesehen, das bei jedem Anbieter verfügbar sein muss. Für dieses Standardprodukt ist eine Begrenzung der Effektivkosten geplant, damit Kosten nicht die Rendite auffressen.
Wichtig für viele Betroffene ist außerdem die geplante Flexibilisierung der Auszahlphase. Neben lebenslangen Leistungen sollen langlaufende Auszahlungspläne möglich sein, die mindestens bis zum 85. Lebensjahr reichen.
Wer heute kurz vor Rentenbeginn steht, sollte genau diesen Punkt im Blick haben, weil die Entscheidung, wann und wie die Auszahlung startet, später oft kaum noch korrigierbar ist.
Die geplante neue Förderung: Warum die Zahlen plötzlich so stark wirken
Der Entwurf setzt stärker auf eine beitragsproportionale Zulage. Vereinfacht heißt das: Bis zu einem Eigenbeitrag von 1.200 Euro gibt es pro eingezahltem Euro 30 Cent Grundzulage, für die nächsten 600 Euro pro Euro 20 Cent. Die Grundzulage ist damit bei 480 Euro gedeckelt.
Zusätzlich ist eine Kinderzulage geplant, die ebenfalls proportional funktioniert: 25 Cent pro Spar-Euro und Kind, maximal 300 Euro pro Kind, wobei der Maximalbetrag bei 1.200 Euro Eigenbeitrag erreicht wird. Für die Zulage soll grundsätzlich ein Mindestbeitrag von 120 Euro im Jahr erforderlich sein.
Ein Rechenanker macht die Logik greifbar: Wer 100 Euro im Monat spart, kommt auf 1.200 Euro im Jahr und läge nach der Entwurfslogik bei 360 Euro Grundzulage. Wer 150 Euro im Monat spart (1.800 Euro/Jahr), erreicht die maximale Grundzulage von 480 Euro. Bei Familien ist der Hebel größer, weil Kinderzulagen oben drauf kommen können.
Kündigen, beitragsfrei stellen oder weiter besparen: Die drei Entscheidungen – und wann welche sinnvoll ist
Bei Riester ist die wichtigste Unterscheidung nicht „mag ich den Vertrag oder nicht“, sondern: Welche Folgen löst mein Schritt aus?
Eine Kündigung ist in der Praxis häufig eine förderschädliche Verwendung. Das bedeutet typischerweise, dass Zulagen und steuerliche Vorteile zurückgefordert werden können und dass der Anbieter Kosten längst abgezogen hat, die durch die Kündigung nicht verschwinden. Wer hier vorschnell kündigt, setzt einen Verlust oft erst final fest.
Eine Beitragsfreistellung ist dagegen ein technischer Wartemodus. Das vorhandene Guthaben bleibt im Vertrag, es fließen vorerst keine eigenen Beiträge, und in dieser Zeit gibt es normalerweise auch keine neuen Zulagen. Der entscheidende Vorteil: Man zerstört den Vertrag nicht, sondern gewinnt Zeit, um ab 2027 auf Basis realer Produkte und Regeln über einen Wechsel oder ein Weiterlaufen zu entscheiden.
Weiter besparen kann sinnvoll sein, wenn die Förderung den Vertrag trägt, also wenn ein spürbarer Teil der Einzahlung faktisch vom Staat kommt oder wenn der Vertrag insgesamt günstige Kostenstrukturen hat. Besonders bei Haushalten mit Kindern kann das der Fall sein – allerdings nur, wenn die Zulagen tatsächlich korrekt beantragt und vollständig gutgeschrieben werden.
Der entscheidende Praxis-Check: Drei Zahlen, die Sparer jetzt aus ihren Unterlagen ziehen müssen
Wer 2027 wirklich souverän entscheiden will, braucht keine Bauchmeinung, sondern drei belastbare Werte.
Erstens zählt nicht das „Guthaben“, sondern der Rückkaufswert beziehungsweise die Auszahlung bei förderschädlicher Verwendung. Das ist der Betrag, der nach Kosten und gegebenenfalls nach Rückforderung der Förderung real übrig bleiben würde.
Wer diesen Wert nicht kennt, kann Kündigung und Beitragsfreistellung nicht seriös gegeneinander abwägen.
Zweitens muss die Zulagenhistorie stimmen. Viele Verträge wirken auf dem Papier „unrentabel“, weil Zulagen jahrelang nur teilweise oder gar nicht geflossen sind – etwa weil Mindesteigenbeiträge nicht erfüllt wurden oder weil Daten zu Kindern oder Einkommen nicht korrekt verarbeitet wurden.
Wer hier Fehler findet, hat oft mehr zu gewinnen, indem er die Förderseite repariert, statt den Vertrag zu beerdigen.
Drittens braucht jeder, der kurz vor Rentenbeginn steht, Klarheit über die Auszahlphase: Rentenfaktor, garantierte Mindestleistung, Kosten der Verrentung oder des Auszahlwegs, Fristen für den Start.
Genau hier entscheidet sich, ob ein Abwarten bis zu einer möglichen flexibleren Auszahlphase wirtschaftlich sinnvoll ist oder ob der Vertrag ohnehin nur eine sehr teure Auszahlungsschiene bietet.
Drei typische Fälle – und der sinnvollste Schritt bis 2027
Ein Single ohne Kinder, der einen teuren Versicherungs-Riester hat und über Jahre kaum Zulagen bekommen hat, sollte den Vertrag nicht im Affekt kündigen. Der richtige Startpunkt ist die schriftliche Klärung, was bei förderschädlicher Verwendung tatsächlich ausgezahlt würde, und anschließend häufig die Beitragsfreistellung, bis ab 2027 eine echte Wechseloption existiert.
Eine Familie mit zwei Kindern, bei der die Zulagen einen großen Teil der Jahresleistung ausmachen, sollte dagegen vorsichtig sein mit Kündigungsgedanken. Hier kann Weiterbesparen bis 2027 rational sein – aber nur, wenn die Zulagen tatsächlich vollständig ankommen und die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.
Wer in 12 bis 24 Monaten in Rente gehen will, sollte den Start der Auszahlphase nicht automatisch auslösen, ohne den Vertrag zu prüfen. Wenn die Reform wie geplant die Auszahlwege flexibler macht, kann es sich lohnen, den Beginn bewusst zu steuern – allerdings nur dann, wenn das Riester-Guthaben nicht sofort für den Lebensunterhalt benötigt wird.
Alt vs. Neu: Was sich auf einen Blick verschiebt
| Bisher (Riester) | Geplant ab 2027 (Regierungsentwurf) |
| Förderung über feste Zulagen und einkommensabhängigen Mindesteigenbeitrag | Förderung stärker beitragsproportional; Mindestbeitrag für Zulage vorgesehen |
| Häufig hoher Kostendruck durch starre Garantielogik | Depot ohne Garantien möglich; daneben Garantieprodukte mit unterschiedlichen Garantieniveaus |
| Auszahlphase oft verrentungsgetrieben und unflexibel | Mehr Wahlfreiheit: langlaufende Auszahlungspläne bis mindestens 85 Jahre möglich |
| Wohn-Entnahme im Produktmodell oft „mit drin“ | Wohn-Entnahme als optionaler Baustein geplant |
| Bestandsverträge laufen weiter | Bestandsverträge bleiben; Wechsel in neue Förderung soll möglich sein |
FAQ
Was ist wichtiger: Guthaben oder Rückkaufswert?
Für Entscheidungen ist der Rückkaufswert beziehungsweise die Auszahlung bei förderschädlicher Verwendung entscheidend, weil nur dieser Wert zeigt, was bei einer Kündigung real ankommt.
Was passiert bei Beitragsfreistellung mit der Förderung?
Das vorhandene Guthaben bleibt grundsätzlich im Vertrag. Neue Zulagen gibt es in der Zeit meist nicht, weil dafür Eigenbeiträge nötig sind. Der Vorteil ist, dass man keine endgültige Abwicklung auslöst.
Woran merke ich, ob ich Zulagen verloren habe?
Wenn die Standmitteilungen niedrig wirken oder die Förderung nicht plausibel ist, sollte man die Zulagenhistorie prüfen: Wurden Zulagen tatsächlich gutgeschrieben, und wurden die Voraussetzungen erfüllt? Fehler sind in der Praxis keine Seltenheit.
Was muss ich prüfen, bevor ich die Auszahlphase starte?
Rentenfaktor, garantierte Leistungen, Kosten der Verrentung oder des Auszahlwegs, Vertragsfristen und die Frage, ob das Guthaben sofort gebraucht wird. Wer das nicht sauber prüft, bindet sich möglicherweise unnötig an eine teure oder starre Auszahlung.
Quellenübersicht
- Bundesfinanzministerium: Pressemitteilung zur Reform der geförderten privaten Altersvorsorge (Kabinettsbeschluss), 17.12.2025.
- Bundesfinanzministerium: Fragen und Antworten zur Reform der geförderten privaten Altersvorsorge (FAQ), Abruf 20.12.2025.
- Bundesregierung: Fragen und Antworten zur Reform der privaten Altersvorsorge, Abruf 20.12.2025.
- Bundesfinanzministerium: Entwurf eines Gesetzes zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (Altersvorsorgereformgesetz), Bearbeitungsstand 15.12.2025.
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Statistik zur privaten Altersvorsorge (Riester-Rente), laufend aktualisiert, Abruf 20.12.2025.




