Keine Hartz IV Leistungen für EU-Bürger

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Die Bundesregierung plant, Zuwanderern aus EU-Staaten künftig Hartz IV Zahlungen zu verweigern. Das Bundesarbeitsministerium will nach eigenen Angaben künftig eine „Einwanderung in die Sozialsysteme“ verhindern.

09.03.2012

Die erste Abschottung vor den Krisenstaaten in der Europäischen Union wurde gestartet: Bislang konnten EU-Bürger die nach Deutschland kamen, um sich eine Arbeit zu suchen, vorübergehend Hartz-IV-Leistungen beantragen. Diese Gesetzesregelung hat die Bundesregierung nun gestoppt. So können demnächst Bürger aus Ländern wie Spanien, Italien, Portugal oder Griechenland kein Arbeitslosengeld II mehr beantragen. Man wolle „die ständige Unterwanderung in die sozialen Sicherungssysteme verhindern“, wie ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums sagte. In der Realität spielen Hartz IV-Anträge von EU-Bürgern kaum eine Rolle, was daraufhin deutet, dass sich Deutschland vorsorglich vor der Armut der anderen EU-Länder abschotten will.

Kein geltenden Anspruch auf das Arbeitslosengeld II für EU-Bürger
In einer internen Anweisung des Ministeriums steht, dass alle EU-Bürger die nach Deutschland einreisen, keinen geltenden Anspruch auf das Arbeitslosengeld II haben. Wörtlich ist zu lesen: “Die Fachlichen Hinweise zu § 7 SGB II (Soziales Gesetzbuch II) und die Arbeitshilfen „Ausländer – Ansprüche nach dem SGB II“ werden in Kürze angepasst und nach Beendigung des Abstimmungsprozesses neu veröffentlicht. Darüber hinaus ist zum 20. März 2012 die Veröffentlichung eines Geschäftsprozesses „Ausschlusstatbestand Ausländer“ vorgesehen. Die Arbeitshilfen wurden bis auf Weiteres aus dem BA-Intranet entfernt.” Die Anweisung bezieht sich auf das SGB II, § 7 – Absatz 1 – Satz 2, Nummer 2 für Staatsangehörige von Vertragsstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens.

Aus diesem Grund hatte Deutschland einen Vorbehalt gegen das neue europäische Fürsorgeabkommen formuliert, dass seit 19. Dezember 2011 in Kraft trat. Darin heißt es: „Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernimmt keine Verpflichtung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden.“
Die Auslegung war allerdings schon immer differenziert. So konnten Ausländer der 17 beteiligten Staaten nach dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) seit 1953 Sozialleistungen beantragen. Die unterzeichnenden Staaten hatten sich verpflichtet Sozialhilfe oder eben Hartz IV-Leistungen zu gleichen Konditionen zu gewähren, wie den Bürgern des eigenen Landes.

Das Bundessozialgericht hatte im Oktober 2010 geurteilt, dass Franzosen in Deutschland Hartz IV beantragen können, weil das Arbeitslosengeld II zu den Fürsorgeleistungen der EFA gehört. Die obersten Sozialrichter kippten somit die bis zu diesem Tage angewandte Praxis, Ausländern in den ersten drei Monaten grundsätzlich keine Hartz IV Zahlungen zu gewähren. Danach gewährten die Leistungsträger erwerbslosen Zuwanderern „nur bei Bedarf“ vom ersten Tag an Hartz IV. Diese Regelung galt dann aber nur für Arbeitssuchende aus den Ländern, die das Fürsorgeabkommen unterzeichnet hatten. So konnten französische Bürger vom ersten Tag ALG II beantragen, Einwanderer aus Polen, Finnland oder Österreich aber nicht, weil die Herkunftsländer das Abkommen nicht mittrugen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsministeriums müsse „aber gleiches Recht für alle Bürger der Europäischen Union gelten“. Aus diesem Grund habe man den oben aufgeführten „Vorbehalt“ formuliert und das EFA gestoppt. Gleiches Recht für alle bedeute dann eben alle EU-Bürger von Sozialleistungen auszuschließen. Die Bundesregierung machte sich das Urteil eben zu Nutze, um gleich alle EU-Ausländer von Hartz IV auszuschließen.

In der Realität kaum Hartz IV Anträge durch EU-Bürger
Völliges Unverständnis zeigte die Opposition. Denn die sehr niedrigen Fallzahlen sprechen nicht dafür, dass besonders viele EU-Ausländer überhaupt die Regelung in Anspruch nahmen. So sagte stellvertretende SPD Bundestagsfraktionsvorsitzende Elke Ferner: "Die Zahl derjenigen Zuwanderer, die direkt nach der Ankunft in Deutschland Hartz IV beantragt haben, geht gegen Null.“ Die schwarz-gelbe Koalition falle mit ihrer Entscheidung auf den Stand vor 1953 zurück.

Auch die Bundesarbeitsagentur zeigte sich verwundert über die Änderungen des Arbeitsministeriums. Denn in der „Praxis spiele die Neuregelung kaum eine Rolle, weil es nur sehr wenige Anträge von Arbeitssuchenden aus den EFA-Staaten gibt“. Daher könne nur vermutet werden, dass die Bundesregierung eine „vorbeugende Maßnahme“ einleite.

Abschottung vor der Armut und Krisen anderer EU-Länder
Vorbeugend anscheinend, um zu verhindern, dass Menschen aus „befreundeten Staaten“ ihr Glück in Deutschland versuchen, um der steigenden Arbeitslosigkeit in den Heimatländern ausgelöst durch die Krise Deutscher Banken zu entgehen. Schließlich unterscheidet das Arbeitsministerium auch zwischen „guten“ und „schlechten“ EU-Ausländern. Ausländische Fachkräfte seien weiterhin willkommen, wie ein Sprecher der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte. "Wir werden auch die Probleme in Griechenland oder Spanien nicht dadurch bekämpfen, dass wir junge Leute zu uns in Hartz IV holen“, sagt der Sprecher. "Als Fachkräfte brauchen wir qualifizierte Zuwanderer, die hier arbeiten und ihren Beitrag leisten", sagte zudem Ministeriumssprecher Jens Flosdorff gegenüber der dpa. "Willkommenskultur bedeutet nicht die Einladung zur Einwanderung in die Sozialsysteme."

Werner Schulten, Mitglied im Parteivorstand der LINKEN und Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV sagte, Deutschland habe einen weiteren Schritt zur Abkoppelung aus der solidarischen europäischen Gemeinschaft vollzogen. „Jetzt wird diese antieuropäische Politik auch auf die Ärmsten der Armen ausgeweitet.“ Weil das Bundessozialgericht einzelne Punkte im Sozialgesetzbuch kippte, „wird die EFA Vereinbarung kurzerhand aufgekündigt.“ Das sei „schäbig“ wie Schulten betonte. Schließlich habe Deutschland in den letzten Jahren eine rigide Politik der Lohnsenkung betrieben, so dass andere Staaten der Währungsunion wie zum Beispiel Griechenland gegenüber dem Billiglohnland Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig waren. Deutschland hingegen habe „wachsende Exportüberschüsse auf Kosten der Beschäftigten erzielt.“ (sb)

Bild: Gerd Altmann/ dezignus.com / pixelio.de

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