Weisen Sie jeden Cent nach! Jobcenter blockiert vereinfachten Hartz IV-Antrag von Friseurin

Lesedauer 2 Minuten

Eine Friseurmeisterin musste aufgrund des Lockdowns im Dezember ihr Geschรคft schlieรŸen. Das Jobcenter forderte immer wieder bereits vorliegende Nachweise. Das Sozialgericht gab der Betroffenen recht.

Selbststรคndige stellte wegen Corona-Lockdown vereinfachten Antrag auf Hartz IV

Die Betroffene stellte aufgrund der verordneten SchlieรŸung ihres Geschรคfts ab 16.12.2020 einen vereinfachten Antrag auf Hartz IV und gab auf dem Formblatt an, รผber kein erhebliches Vermรถgen zu verfรผgen.

Das Jobcenter forderte sie daraufhin auf, den Antrag nochmal auszufรผllen, alle bereits vorliegenden Nachweise nochmals einzureichen sowie lรผckenlose Kontoauszรผge von allen Konten fรผr das letzte halbe Jahr vorzulegen, eine Prognose fรผr die kommenden Monate abzugeben, das bisherige Kassenbuch samt betrieblichen Auswertungen, Einkommenssteuerbescheide und eine Erklรคrung รผber den Lebensunterhalt der letzten sechs Monate vorzulegen. Bei fehlender Mitwirkung wรผrden etwaige Ansprรผche gekรผrzt.

Jobcenter forderte immer wieder Vorlage von Nachweisen

Die Betroffene gab daraufhin an, in den nรคchsten Monaten aufgrund der SchlieรŸung ihres Geschรคfts keine Einnahmen zu erzielen. Etwaige Schulden oder Einnahmen vor der Antragstellung seien irrelevant, da der Antrag im Sinne des Sozialschutzpaketes den Lebensunterhalt wรคhrend des verordneten Lockdowns sichern solle und eine Bedรผrftigkeit mit Ende des Lockdowns beendet sei.

Aber das Jobcenter lieรŸ nicht locker. Es forderte nochmals lรผckenlose Kontoauszรผge des letzten halben Jahres von allen existenten Konten und eine ergรคnzende Bescheinigung des Vermieters. AuรŸerdem solle die Betroffene erneut Kassenbuch, Sozialversicherungsausweis und dergleichen vorlegen. Die Pflicht zur Vorlage notwendiger Unterlagen nach ยง 67 SGB II bestรผnde schlieรŸlich weiterhin. Die Betroffene gab nach und sandte die angeforderten Unterlagen ein weiteres Mal an das Jobcenter. Dieses befand den Antrag trotzdem fรผr nicht beschlussreif, es forderte weitere Auszรผge und Nachweise.

Lesen Sie auch:
โ€“ Willkรผr im Jobcenter: Betroffener wartet ein Jahr auf Hartz IV-Leistungen
โ€“ Jobcenter-Mitarbeiterin zum Beistand: โ€œIch mache hier die Gesetzeโ€
โ€“ Neue Pfรคndungstabelle fรผr 2021 und alle Pfรคndungsfreigrenzen

Absurde Kontrollpraxis widerspricht vereinfachtem Zugang zu Sozialleistungen

Am 21.01.2021 stellte die Betroffene schlieรŸlich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Dem gab das Sozialgericht Osnabrรผck statt (Az.: S 22 AS 16/21 ER). Der pandemiebedingt angepasste ยง 67 SGB II solle einen vereinfachten Zugang zu Sozialleistungen fรผr jene ermรถglichen, die von starken EinkommenseinbuรŸen betroffen sind. Bei der betroffenen Friseurin sei das ganz offensichtlich der Fall. AuรŸerdem habe sie nachgewiesen, รผber keine weiteren Einnahmen, zum Beispiel durch den Verkauf von Gutscheinen, oder relevantes Vermรถgen zu verfรผgen, das ihren Lebensunterhalt sichern kรถnnte.

Dem beharrlichen nochmaligen Einfordern von bereits vorliegenden Nachweisen durch das Jobcenter konnte das Gericht nur Unverstรคndnis entgegen bringen. Einem erleichterten Zugang zu Sozialleistungen entsprรคche diese Praxis nicht. Das Gericht setzte darum den vorlรคufigen Anspruch der Betroffenen durch.

Bild: astrosystem / AdobeStock