Zu Zeiten der Pandemie zahlte die damalige Bundesregierung allen Sozialhilfe- und Hartz-IV-Beziehern (heute Bürgergeld) einen einmaligen Zuschlag in Höhe von 150 Euro, um die Mehrausgaben für Masken und Hygieneartikel bezahlen zu können. Viele Betroffene legten dagegen Widerspruch und Klage ein, weil der Zuschlag nicht ausreichte. Nun muss das Bundessozialgericht entscheiden, ob dieser Betrag ausreichend war. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn dem Kläger wurde für das Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.
Aussicht auf Erfolg
Das Bundessozialgericht (BSG) hat unter dem Aktenzeichen B 4 AS 36/23 einem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde bewilligt und Rechtsanwalt Thomas Eschle aus Stuttgart beigeordnet.
Die Prozesskostenhilfe wird nur gewährt, wenn die Klage Aussicht auf Erfolg hat. Der Fall vor dem BSG könnte deshalb spannend werden, weil erstmals eine wichtige Frage im Zusammenhang mit der COVID-Pandemie höchstrichterlich geklärt werden könnte: Reichte die Pauschale für Hartz IV Bezieher für Masken und Hygienemehrbedarf in Höhe von 150 EUR in der Pandemiezeit aus oder wird trotz dieser Zahlung das Existenzminimum der Betroffenen unterschritten?
Die damalige Regierungskoalition aus Union und SPD hatte Anfang Februar 2021 beschlossen, erwachsenen Hartz-IV-Beziehern (heute Bürgergeld) einen einmaligen Pandemiezuschuss in Höhe von 150 Euro zu gewähren. Anspruchsberechtigt waren Personen, die im Mai 2021 Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatten.
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Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hielt in der Vorinstanz L 12 AS 1567/22 an einer älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 fest, die allerdings die COVID-Pandemie nicht berücksichtigte und wies die Klage zurück.
Das Bundesverfassungsgericht konnte 2014 aber nicht in die Zukunft schauen und die Pandemiesituation nach 2019 und später zu beurteilen. Das LSG hätte eigentlich selbst auf die Idee kommen können, die Entscheidung auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, um grundsätzliche Aussagen zu den Folgen einer Pandemie und zur Frage des verfassungsrechtlichen Existenzminimums höchstrichterlich klären zu lassen, kritisiert Eschle.
Damaliger Pandemie Zuschlag reichte nicht aus
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger vorgetragen, dass er aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustandes, insbesondere Hypotonie und weiterer chronischer Erkrankungen, der besonderen Risikogruppe einer besonderen Gefährdung durch Covid zuzuordnen ist.
Der Kläger argumentiert, dass er deutlich mehr FFP2 Masken verbrauchte, als das LSG zubilligte. Die Mehrkosten hierfür hat der Betroffene dem Gericht vorgerechnet und dargelegt.
Die Regelleistungen bei Hartz IV reichten demnach nicht aus. Darüber hinaus hat der Kläger zutreffend dargelegt, dass die Pandemie auch zu einem Mehrbedarf hinsichtlich weiterer Hygienekosten geführt hat.
Zur Aufrechterhaltung der Hygienemaßnahmen hatte die damalige Bundesregierung über das Robert-Koch-Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Bevölkerung zu zahlreichen weiteren Maßnahmen aufgefordert, die allesamt mit Kosten für den Einzelnen verbunden waren. Auch diese Kosten waren nicht im Zuschlag und auch nicht in den Regelleistungen enthalten.
Lamdessozialgericht gab kein Gutachten in Auftrag
Das Landessozialgericht hätte ein Gutachten hierzu in Auftrag geben können, was es jedoch nicht tat. Ein solches Gutachten hätte nach Meinung des Rechtsanwalts Thomas Eschle nicht nur für den Betroffenen eine Bedeutung gehabt, sondern auch für alle damaligen Hartz IV- und heutigen Bürgergeld-Beziehern, die zu den Covidrisikogruppen gehören und sich keine teuren Deinfektionsmittel und FFP2 Masken von den zu niedrigen Regelleistungen hätten kaufen können.
Zwar hatte die Bundesregierung eine Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro gewährt, allerdings war dieser Betrag bei weitem nicht ausreichend und auch nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse gedeckt. Stattdessen wurde dieser Betrag willkürlich festgelegt.
Ausgang des Verfahrens auch für andere Betroffene wichtig
In dem jetzigen Fall will der Kläger für März 2020 bis April 2021 weitere 1677 Euro gegenüber dem Jobcenter durchsetzen. Wieviel davon dem Kläger gewährt werden soll, muss nun das Bundessozialgericht entscheiden.
Das Bundessozialgericht kann aber auch den Fall an das Landessozialgericht zurück verweisen, damit dann dort der Bedarf nach den Vorgaben des Bundessozilagerichts festgestellt wird.
Der Ausgang des Verfahrens ist nicht nur für den Kläger wichtig, sondern für alle, die damals einen Widerspruch und dann den Klageweg beschritten haben und deren Klagen noch anhängig sind. Wer nicht den Rechtsweg eingelegt hat, wird leider keine Nachzahlung erhalten.
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