Ein Urteil des Sozialgerichts Magdeburg stellt klar, dass Jobcenter Sanktionen nur verhängen dürfen, wenn sie zweifelsfrei belegen können, dass eine angebotene Stelle Leistungsberechtigten trotz gesundheitlicher Einschränkungen zumutbar ist.
Wenn es nicht feststellbar ist, ob eine angebotene Stelle für einen Leistungsberechtigten körperlich geeignet gewesen wäre, und dieser die Stelle nicht antritt, dann liegt die Beweislast für die Zumutbarkeit beim Jobcenter. Ohne diesen Beleg zu bringen, darf das Jobcenter gegen den Betroffenen keine Sanktionen verhängen. So entschied das Sozialgericht Magdeburg gegen eine Kürzung der Leistungen. (S 20 AS 1031/18)
Inhaltsverzeichnis
Eingliederungsvereinbarung und gesundheitliche Einschränkungen
Das Jobcenter schloss mit dem Leistungsberechtigten eine Eingliederungsvereinbarung ab. Der Betroffene verpflichtete sich, monatlich aktiv eine schriftliche, telefonische oder persönliche Bewerbung unter Beachtung der gesundheitlichen Einschränkungen und Nachweise zu tätigen.
Vorstellungsgespräch scheitert
Der Betroffene bewarb sich auf ein Stellenangebot des Jobcenters bei einer Zeitarbeitsfirma für den Bereich der Schokoladenherstellung und Verpackung im Schichtsystem. Er wurde zum Vorstellungsgespräch geladen und erschien auch.
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Jobcenter kürzt den Regelsatz
Er erhielt die Stelle nicht, wobei sich die Darstellungen des Bewerbers und des Arbeitgebers über den Verlauf stark unterschieden. Das Jobcenter kürzte dem Leistungsberechtigten in der Folge den Regelsatz um 30 Prozent für drei Monate.
Widerspruch wird abgelehnt
Der Leistungsbezieher legte Widerspruch gegen den Bescheid des Jobcenters ein. Diesen begründete er damit, dass die entsprechende Stelle für ihn wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht zumutbar gewesen sei. Das Jobcenter wies den Widerspruch zurück.
Klage vor dem Sozialgericht
Der Betroffene klagte jetzt vor dem Sozialgericht und verlangte, die Kürzung des Regelsatzes zurückzunehmen. Er erklärte in seiner Klage, er habe eine Arthrose und deshalb sei seine Bewegung eingeschränkt, und zudem habe er ein Impingement der Schulter. Bei einer solchen Funktionseinschränkung klemmen Muskeln, Sehnen oder Nerven ein. Dies führt zu schmerzhaften Reizungen und einer deutlichen Einschränkung der Beweglichkeit. Entzündungen von Sehnen und Schleimbeuteln sind oft Folge dieser Erkrankung.
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Bescheid prüfenDas Jobcenter hielt dem entgegen, dass laut Auskunft des behandelnden Arztes zum möglichen Arbeitseintritt die Schulter wieder operiert und frei beweglich gewesen sei.
Sozialgericht fragt nach den vermerkten Einschränkungen
Das Sozialgericht forderte das Jobcenter auf, mitzuteilen, welche gesundheitlichen Einschränkungen des Betroffenen in der Eingliederungsvereinbarung vermerkt gewesen seien, welche dem Jobcenter bekannt gewesen seien und ob es Unterlagen/Dokumente dazu gebe. Trotz Erinnerung und einer Frist von einem Monat erfolgte keine Reaktion des Jobcenters.
Keine Voraussetzung für eine Kürzung der Leistungen
Das Gericht entschied, dass es keine Grundlage für Sanktionen des Jobcenters gebe. Die Richter zitierten die gesetzliche Grundlage: „Gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB || verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheiten nach § 16d oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, vorzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten zu verhindern.“
Im Unterschied zu den Ausführungen des Jobcenters spiele es keine Rolle, wie das Vorstellungsgespräch gelaufen sei, denn es mangele bereits an Zumutbarkeit.
Beweis für Zumutbarkeit liegt beim Jobcenter
Das Gericht stellte klar, dass das Jobcenter den Beweis erbringen müsse, dass eine Tätigkeit für einen Leistungsbezieher zumutbar sei: „Hinsichtlich aller Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB || haben die Behörden als Leistungsträger im Rahmen der gesetzlich festgelegten Mitwirkungspflichten der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person alle erforderlichen Tatsachen zu ermitteln und zu beweisen. Auch für die Ausnahmetatbestände ergibt sich keine Umkehr der Feststellungs- und Beweislast (a.a.O., § 10, Rn. 125 mwN).“
Angaben des Leistungsberechtigten sind nicht widerlegt
Der Betroffene habe angegeben, aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen sei die angebotene Tätigkeit für ihn körperlich nicht geeignet gewesen. Das Gericht könne nicht feststellen, ob die angebotene Stelle zumutbar gewesen sei.
Gesundheitliche Einschränkungen hätten ausweislich der Eingliederungsvereinbarung vorgelegen. Welche dies genau waren und welche zum Zeitpunkt des Vorstellungsgesprächs vorhanden gewesen seien, sei aus den Verwaltungsakten nicht ersichtlich. Auf gerichtliche Nachfragen, um diesen Sachverhalt zu klären, hätte das Jobcenter nicht reagiert.
Das Jobcenter musste die Kürzung also zurücknehmen.