Einem Leistungsbezieher, dessen Altersrente kurz bevorsteht, ist es nicht zuzumuten, wenige Monate vorher die Kosten der Unterkunft durch einen Umzug zu senken. So urteilte das Sozialgericht Magdeburg gegen das zuständige Jobcenter (S 4 AS 2807/17).
Miete übersteigt die Unterkunftsrichtlinie
Der Betroffene und seine Ehefrau lebten in einer Mietwohnung in Wernigerode. Sie zahlten monatliche Grundmiete von 305,97 Euro, dazu kalte Betriebskosten in Höhe von 65,80 Euro und Heizkosten von 65,80 Euro. Ein monatlicher Modernisierungszuschlag betrug 13,42 Euro.
Das Jobcenter hielt hingegen nur eine Bruttokaltmiete von 371, 77 Euro (Kaltmiete von 305,97 Euro plus Betriebskosten von 65,80 Euro) für angemessen. Es forderte deshalb den Betroffenen und seine Ehefrau auf, die Kosten innerhalb von sechs Monaten um 69,97 Euro zu senken und verwies auf die vor Ort geltende Unterkunftsrichtlinie.
Jobcenter bewilligt nur teilweise die Mietkosten
Nach Ablauf der gesetzten Frist bewilligte das Jobcenter monatliche Unterkunftskosten in Höhe von 301,80 Euro und Heizkosten in Höhe von 65,80 Euro. Der Leistungsbezieher legte Widerspruch ein, und das Jobcenter wies diesen als unbegründet zurück. Fünf Monate nach Ablehnung des Widerspruchsbescheids hätte der Bürgergeld-Empfänger Altersrente bezogen.
Bürgergeld und Altersrente
Mit Eintritt in eine Altersrente erlischt ein Anspruch auf Bürgergeld. Denn Bürgergeld ist an die grundsätzliche Erwerbsfähigkeit und Vermittelbarkeit in den Arbeitsmarkt gebunden. Im Rentenalter ist es bei Hilfebedürftigkeit stattdessen möglich, Grundsicherung im Alter zu beziehen. Der Leistungsempfänger hätte also in diesem Fall sowieso nur noch wenige Monate Bürgergeld bezogen.
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Bescheid prüfenKlage vor dem Sozialgericht
Der Leistungsbezieher klagte jetzt vor dem Sozialgericht Magdeburg. Er verlangte, das Jobcenter zu verurteilen, ihm für die Zeit von Juli bis Dezember weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 34,98 Euro monatlich zu gewähren. Dabei handelte es sich um seinen Anteil an den nicht ausgezahlten Mietkosten, die die Höhe der Angemessenheit überstiegen.
Sozialgericht erklärt die Klage für begründet
Das Sozialgericht erklärte die Klage für begründet und sprach dem Kläger einen Anspruch auf die von ihm geltend gemachten weiteren Unterkunftskosten zu.
Die Richter erklärten: „Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Vorliegend berücksichtigte der Beklagte zwar die vollen Heizkosten, nicht jedoch die Unterkunftskosten in voller Höhe. Der Kläger macht ausschließlich den auf ihn kopfteilig entfallenden Anteil an der offenen Kaltmietdifferenz in Höhe von 34,98 € monatlich (= tatsächliche Kaltmiete in Höhe von 305,97 € – berücksichtigte Kaltmiete in Höhe von 236,00 € – der bereits für die Ehefrau gewährten weiteren Unterkunftskosten in Höhe von 34,99 €) geltend.“
Umzug vor der Rente ist nicht zumutbar
Die Richter führten aus: Um die Kosten der Unterkunft zu senken hätte der Leistungsbezieher in eine andere Wohnung ziehen müssen, da es keine Möglichkeit gegeben hätte, dies anders zu realisieren.
Es sei ihm aber nicht zuzumuten, wenige Monate vor dem Erlöschen seines Anspruchs auf Bürgergeld wegen einer Kostensenkung umzuziehen. Das Jobcenter musste deshalb die Kosten der Unterkunft auch in dem Rahmen übernehmen, in dem sie die Grenze der Angemessenheit überschritten.