BSG-Urteil: Erst Schulden tilgen und dann Hartz IV beantragen

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BSG klรคrt Berรผcksichtigung von Vermรถgen bei Hartz IV

Hartz IV Antragsteller kรถnnen vorhandenes Vermรถgen zunรคchst zur Tilgung von Schulden verwenden, bevor sie einen Antrag auf Hartz IV Leistungen stellen. Wenn es sich bei dem Geld um Vermรถgen handelt wie bei einer Lebensversicherung, so kann noch im gleichen Monat nach Tilgung der Schulden ein Anspruch auf Hartz IV entstehen, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied (Az.: B 14 AS 52/18 R). Anders als bei der Anrechnung von Einkommen gelte beim Vermรถgen das โ€žMonatsprinzip” nicht.

Hartz-IV-Antrag wirkt auf den Monatsersten zurรผck

Hintergrund des Streits ist, dass seit 2011 laut Gesetz ein Hartz-IV-Antrag auf den Monatsersten zurรผckwirkt. Das bedeutet, dass bei einem Antrag etwa zur Monatsmitte das Jobcenter noch den Anspruch fรผr den gesamten Monat prรผft und dann entsprechend Leistungen gewรคhrt. Dafรผr darf das Jobcenter aber auch noch Einkรผnfte anrechnen, die dem Antragsteller zwar vor seinem Antrag aber schon im selben Monat zugeflossen sind.

Einkรผnfte wandeln sich erst zum nรคchsten Monatsersten in Vermรถgen um

Nach den Hartz-IV-Regeln wandeln sich Einkรผnfte erst zum nรคchsten Monatsersten in Vermรถgen um. Dies ist durch altersabhรคngige Freibetrรคge besser vor dem Zugriff des Jobcenters geschรผtzt. Hilfebedรผrftige, die noch einmalige Einkommenszuflรผsse erwarten, etwa Lohnnachzahlungen oder auch eine Erbschaft in Geld, sollten ihren Hartz-IV-Antrag daher erst im nachfolgenden Monat stellen.

Erstmals hatte das BSG nun zu entscheiden, inwieweit diese Grundsรคtze auch beim Vermรถgen gelten.

Nach dem Kasseler Urteil gilt auch hier, dass der Antrag auf den Monatsersten zurรผckwirkt. Dies bedeutet, dass ein Antrag zum Monatsende Ansprรผche zu einem frรผheren Zeitpunkt dieses Monats noch wahrt.

Dennoch gilt beim Vermรถgen das Monatsprinzip nicht, entschied das BSG. Hierfรผr gebe es im Gesetz keinerlei Grundlage. Dies bedeutet, dass der Leistungsbeginn auch mitten im Monat liegen kann, sobald das Vermรถgen nicht mehr รผber dem Freibetrag liegt.

Unterschiede bei der Anrechnung

Hintergrund sind die Unterschiede bei der Anrechnung: Wรคhrend das Einkommen mindernd auf die Leistungen angerechnet wird, gilt beim Vermรถgen das Prinzip โ€žalles oder nichts”: Liegt das Vermรถgen รผber dem Freibetrag, gibt es nichts; liegt es dagegen darunter, zahlt das Jobcenter die vollen Leistungen.

Vermรถgen steht einer Bewilligung von Hartz-IV-Leistungen daher nur dann im Wege, wenn es am Tag des Antrags hรถher als der jeweilige individuelle Freibetrag ist. Wenn nicht, beginnt der Leistungsanspruch an dem Tag, an dem der Vermรถgensfreibetrag unterschritten wurde. Nach dem Kasseler Urteil kann dies auch mitten im Monat sein. Als Vermรถgen gilt inzwischen auch ein Sach-Erbe.

Klager hatte Lebensversicherung gekรผndigt

Im Streitfall hatte der Klรคger eine Lebensversicherung gekรผndigt. Am 4. September 2013 gingen gut 12.000 Euro auf seinem Konto ein. Am 19. September 2013 stellte er einen Antrag auf Hartz IV. Mit Blick auf die Zahlung lehnte das Jobcenter Berlin Marzahn-Hellerdorf Leistungen aber ab.

Unstreitig handelte es sich bei den 12.000 Euro allerdings um Vermรถgen. Dies war schon vor dem Monatsersten in Form der Versicherung vorhanden und wandelte sich dann nur in Geld um. Dennoch sei der Betrag aber weit hรถher als der Vermรถgensfreibetrag von hier 7.350 Euro, so das Jobcenter.

Hier hatte der Klรคger das Geld allerdings zu groรŸen Teilen genutzt, um sein stark รผberzogenes Konto zu decken. Am Tag seines Antrags betrug sein Guthaben dort nur noch 4.600 Euro, lag also weit unter dem Freibetrag.

Wie nun das BSG entschied, stand dem Mann daher Hartz IV zu โ€“ und zwar schon ab dem Tag, an dem sein Vermรถgen den Freibetrag von 7.350 Euro unterschritten hat. Weil es hier noch andere Zu- und Abgรคnge auf dem Konto gab, soll das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam nun noch prรผfen, an welchem Tag dies der Fall war. mwo/fle