In der Pandemie wurde der Zugang zu Hartz IV bedeutend vereinfacht. Beispielsweise findet derzeit keine Prüfung des Vermögens statt. Sozialverbände fordern nun eine Grundsicherung ohne Sanktionen und starren Kontrollen. Zudem müssten die Zuverdienste verbessert werden.
Grundlegenede Reform ist notwenig
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, fordert: „Eine grundlegende Reform der Grundsicherung ist dringend notwendig. Es kann nicht sein, dass Menschen aus Angst davor, ihre Wohnung oder kleine Ersparnisse zu verlieren, vor einem Antrag zurückschrecken, obwohl sie einen Anspruch auf Grundsicherung haben.“
Die Diakonie stimmt hiermit überein. “Hartz IV hat keine Zukunft. Aus dem Grundprinzip des ‘Fördern und Fordern’ hat sich zunehmend ein System entwickelt, das die Menschen einschüchtert, kontrolliert und sanktioniert”, sagte Diakonie-Vorstandsmitglied Maria Loheide während einer Bundestagsanhörung auf Einladung der Fraktion “Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Grundsicherung/Hartz IV.
Abschaffung der Vermögensprüfung auch nach der Pandemie
Der VdK unterstützt die Forderung nach einer Abschaffung der Vermögungsprüfung. Bentele: „Der VdK weiß aus seiner Beratungspraxis, wie aufwendig diese Verfahren sind. Viele Anspruchsberechtigte stellen aus Scham keinen Antrag, weil sie zur Überprüfung ihre kompletten Lebensumstände offenlegen müssen.“ Die Aussetzung der Vermögensprüfung und die Übernahme der Wohnkosten im Zuge des erleichterten Zugangs zur Grundsicherung in der Pandemie seien sehr sinnvolle Maßnahmen. „Sie sollten unbedingt nach der Corona-Krise in einem neuen Grundsicherungssystem fortgesetzt werden“, forderte Bentele.
Neuberechnung der Hartz IV Regelsätze
Außerdem seien eine Neuberechnung und die Erhöhung der ALG II-Regelsätze dringend erforderlich. Bentele: „Die Regelsätze gehen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei und reichen nicht zum Leben. Gerade ältere, chronisch kranke, behinderte oder erwerbsgeminderte Menschen müssen sich einschränken, weil sie vieles für die medizinische Versorgung aus eigener Tasche bezahlen müssen.“
Zudem kritisiert Bentele, dass durch Rentenerhöhungen Bezieher von Grundsicherung im Alter unter dem Strich weniger Geld zur Verfügung haben. „Anstatt von einer Rentenerhöhung zu profitieren, werden Bezieher kleiner Renten bestraft.“ Dies liege daran, dass die Rentenerhöhung bereits zum Monatsanfang von der Grundsicherung abgezogen wird und die Rente erst am Monatsende fließt.
„Dadurch fehlt den Menschen im laufenden Monat das Geld im Portemonnaie. Wenn bis zum Ende des Monats 20 oder 30 Euro weniger zur Verfügung stehen, ist das für Menschen, die auf 446 Euro angewiesen sind, ein Problem. Die Regelung ist ungerecht und eine echte Einkommenseinbuße, weil sie im Lauf des Leistungsbezugs auch nicht mehr ausgeglichen wird.“ Der VdK fordert, dass die Rentenerhöhung nicht schon vorher abgezogen wird, damit arme Rentner nicht benachteiligt werden.
Fördern mehr ins Zentrum setzen
Caritas-Präsident Peter Neher mahnte, dass der Grundsatz “Fördern” viel mehr “ins Zentrum einer Grundsicherung” gerückt werden müsse. Das bedeute, dass sehr viel mehr Finanzmittel für Umschulungen und Qualifizierung investiert bereit gestellt werden müssten.
Diakonie-Vorstandsmitglied Loheide sagte, es sei positiv, dass notwendige Verbesserungen diskutiert würden. “Wir erwarten von der Politik, dass Respekt und Ermutigung in der Existenzsicherung die Hauptrolle spielen und die Förderung im Vordergrund steht.” Sanktionen und Kontrollen seien nicht hilfreich. Zuverdienste müssen zudem refomiert werden, damit diese Möglichkeit verbessert wird.
Es geht um die Menschenwürde
Beide Verbände erinnerten daran, dass das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2019 Sanktionen bei Hartz IV teilweise als verfassungswidrig urteilten. Der Gesetzgeber war aufgefordert die Sanktionen neu zu regeln. “Das Grundgesetz schützt das Existenzminimum, denn dabei geht es um die Menschenwürde”.
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