CDU sieht hohe Zahl der Sanktionen als Rechtfertigung für Strafen gegen Hartz IV-Bezieher
14.04.2015
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 1.001.103 Sanktionen gegen Hartz IV-Bezieher verhängt. Meist waren Meldeversäumnisse Grund der Leistungskürzungen. Das geht auf einen Bericht der „Bild“-Zeitung zurück, in dem sich das Blatt auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) beruft. Während die Linkspartei regelmäßig Kritik hat an der menschenunwürdigen Sanktionspraxis der Jobcenter übt, warnt der Wirtschaftsflügel der CDU vor einer Abmilderung der Strafen.
Sanktionsrekord bei Meldeversäumnissen
Dem Zeitungsbericht zufolge wurden 2014 insgesamt 1.001.103 Hartz IV-Sanktionen ausgesprochen. Das entspreche einem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr von rund 8.000 Strafen gegen Hartz IV-Bezieher. Der Sanktionsrekord sei 2012 mit 1,025 Millionen Fällen erreicht worden, schreibt das Blatt unter Berufung auf die BA weiter.
Allein 747.793 Sanktionen – das entspricht etwa drei Viertel aller im vergangenen Jahr verhängten Strafen – wurden wegen versäumter Termine beim Jobcenter oder dem ärztlichen und psychologischen Dienst ausgesprochen. Der Zeitung zufolge ist das der Rekordwert seit Einführung von Hartz IV im Jahr 2005. 118.614 Sanktionen wurden gegen Leistungsbezieher verhängt, die sich weigerten, eine Arbeitsstelle oder eine Aus- oder Fortbildung anzutreten oder diese wieder abbrachen. Bei Verstößen gegen die Eingliederungsvereinbarung wurden 103.967 Sanktionen im vergangenen Jahr verhängt. Dabei handelt es sich um einen Vertrag, den Leistungsberechtigte mit dem Jobcenter abschließen. Es wird unter anderem darin festgehalten, wie viele Bewerbungen ein Erwerbsloser schreiben muss.
CDU warnt vor Abschwächung der Sanktionen
Der Zeitung zufolge beinhalteten die Sanktionen im Schnitt eine Leistungskürzung in Höhe von 107 Euro pro Monat. Bei den unter 25-Jährigen lag der Durchschnitt sogar bei 124 Euro im Monat. Bei einem Hartz IV-Regelsatz von 399 Euro, der einem alleinlebenden Leistungsberechtigten zusteht, ist das nicht nur ein unverhältnismäßig hoher Kürzungsbetrag, sondern auch eine reale Bedrohung der Existenz. Mit dem Regelsatz soll das Existenzminimum abgedeckt werden. Doch sogar mit dem vollen Betrag ist das unmöglich, wie Berechnungen von Sozialverbänden und anderen Experten ergeben haben. Wenn nun von dem ohnehin zu geringem Betrag auch noch etwas abgezogen wird, sind die Betroffenen nicht mehr in der Lage, sich auch nur mit dem Notwendigsten zum Leben zu versorgen. Besonders kritisch sehen Parteien wie die Linke, dass auch Kinder von den dramatischen Folgen der Sanktionen betroffen sind.
Im Gegensatz dazu scheint der Wirtschaftsflügel der CDU nur wenig Verständnis für Menschen in finanziellen Notlagen aufzubringen. So kommt der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union, Carsten Linnemann, im Interview mit der Zeitung zu einer – sagen wir mal – ganz eigenen Logik: „Bei gut 700.000 Sanktionen allein wegen Meldeverstößen sehen wir, dass ‘fordern und fördern’ untrennbar zusammengehören.“ Dass eine Vielzahl der Sanktionen unberechtigt ausgesprochen wird – das belegt die die hohe Zahl der erfolgreichen Hartz IV- Klagen – scheint Herrn Linnemann dabei nicht zu interessieren.
Auch der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, hat den Ernst der Lage offenbar nicht erkannt und erklärt gegenüber dem Blatt: „Die hohe Zahl der Verstöße zeigt, dass sich zu viele Empfänger von Sozialleistungen in ihrer Lebenslage eingerichtet haben. Vor dem Hintergrund der guten Arbeitsplatzentwicklung insgesamt müssen die Arbeitsagenturen dranbleiben und Langzeitarbeitslose fordern.“ Dass es fast unmöglich ist, sich mit einem Regelsatz von 399 Euro pro Monat, der nicht einmal ausreicht, um die steig steigenden Stromkosten zu bezahlen, „einzurichten“, sollte doch auch für Herrn Steiger nachvollziehbar sein. (ag)
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