Sie sollen künftig deutlich mehr zuzahlen – für Medikamente, Klinikaufenthalte und Therapien. Gesundheitsministerin Nina Warken denkt offen über eine pauschale Erhöhung aller GKV-Zuzahlungen um 50 % nach.
Zeitgleich rechnet der GKV-Schätzerkreis für 2026 mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 2,9 %. Beides trifft Rentnerinnen, Rentner und Haushalte mit wenig Geld besonders hart.
Inhaltsverzeichnis
Zuzahlungen: Was konkret auf Versicherte zukäme
Die heute geltenden Sätze stehen seit 2004. Versicherte zahlen 10 % des Preises, mindestens 5 € und höchstens 10 € pro Packung bzw. je Verordnung; im Krankenhaus 10 € je Tag (maximal 28 Tage im Jahr). Diese Regeln sind im SGB V verankert.
Warken lässt nun prüfen, alle Zuzahlungen um 50 % anzuheben. Bei verschreibungspflichtigen Arzneien entspräche das 15 % des Preises, mindestens 7,50 € und höchstens 15 € pro Packung. Im Krankenhaus stiege die Pauschale auf 15 € am Tag. Ein Beschluss steht noch aus.
Zuzahlungen betreffen nicht nur Medikamente und Klinik. Eigenanteile fallen auch bei Heilmitteln (z. B. Physiotherapie), Hilfsmitteln (z. B. Gehhilfen, Hörgeräte) sowie Fahrkosten zu notwendigen Behandlungen an – jeweils mit eigenen, gesetzlich geregelten Obergrenzen.
Für Zahnersatz gilt das System der Festzuschüsse: Die Kasse trägt einen festen Anteil, der Rest bleibt als Eigenanteil. Härtefallregelungen können diesen Eigenanteil senken, wenn das Einkommen niedrig ist. Steigen die Zuzahlungen pauschal, verteuern sich diese Bereiche spürbar.
| Leistung | Heute | Im Gespräch |
| Medikamente (Rx) | 10 % · min. 5 € · max. 10 € | 15 % · min. 7,50 € · max. 15 € |
| Krankenhaus | 10 €/Tag (max. 28 Tage/Jahr) | 15 €/Tag (max. 28 Tage/Jahr) |
Finanzlage: Zusatzbeitrag 2026 soll auf 2,9 % steigen
Der GKV-Schätzerkreis hat die Zahlen für 2026 vorgelegt. Ergebnis: Rechnerisch braucht es +0,4 Punkte beim durchschnittlichen Zusatzbeitrag – auf 2,9 %. Beim Ausgabenpfad 2026 gab es kein Einvernehmen: BMG/BAS erwarten 369,0 Mrd. €, der GKV-Spitzenverband 369,5 Mrd. €.
Die Festsetzung des Durchschnittswerts erfolgt durch das Ministerium bis 1. November 2025 per Bekanntmachung. Jede Kasse legt ihren kassenindividuellen Zusatzbeitrag weiterhin selbst fest.
Wichtig: Der rechnerische Durchschnitt sagt nichts über Ihre persönliche Kasse. Viele Krankenkassen liegen über dem Durchschnitt, um Rücklagen wieder aufzufüllen.
Bereits heute erheben die Kassen im Mittel rund 2,94 %. Für Versicherte kann es sich daher lohnen, die Beitragssätze zu vergleichen und bei Bedarf zu wechseln.
Politischer Rahmen: Sparpaket – aber reicht das?
Das Bundeskabinett hat ein Sparpaket beschlossen, das die Klinikvergütungen dämpft und Verwaltung sowie Innovationsfonds kürzt. Ziel sind Einsparungen von bis zu 1,8 Mrd. € und stabilere Beiträge 2026. Aus den Ländern kommt Kritik, Kliniken warnen vor Zusatzdruck. Ob die Effekte ausreichen, bleibt offen.
Union und SPD haben zugleich angekündigt, die Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung 2026 stabil zu halten. Höhere Zuzahlungen würden dieses Ziel flankieren. Der politische Spagat bleibt: Entlastung bei den Beitragssätzen versus höhere Eigenanteile der Patientinnen und Patienten.
Streitpunkt „versicherungsfremde Leistungen“: Kassen klagen
Die Kassen fordern seit Jahren, versicherungsfremde Leistungen vollständig aus Steuern zu finanzieren. Gemeint sind Ausgaben, die nicht die Solidargemeinschaft der Beitragszahlenden tragen sollte, etwa Leistungen für staatliche Aufgaben oder gesamtgesellschaftliche Anliegen.
Besonders die Gesundheitskosten von Bürgergeld-Beziehenden seien unterdeckt. Der GKV-Spitzenverband hat daher eine Klage über rund 10 Mrd. € jährlich gegen den Bund auf den Weg gebracht. Ziel ist eine verlässliche Finanzierung über den Bundeshaushalt.
Rentnerinnen und Rentner: Was die Erhöhung bedeuten würde
Viele Ruheständler leben von festen Einkommen. Steigen Zuzahlungen und Zusatzbeiträge gleichzeitig, wächst der finanzielle Druck. Beispiel Medikament: Kostet eine Packung 60 €, zahlen Sie heute 6 €; bei 50 % Aufschlag lägen 9 € an.
Bei längeren Klinikaufenthalten summieren sich 15 € pro Tag rasch. Wer bereits knapp wirtschaftet, spürt das sofort. (Die geplanten Werte sind noch nicht beschlossen.)
Für Rentnerinnen und Rentner gilt zudem: In der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) teilen sich Rentenversicherung und Versicherter den allgemeinen Beitragssatz; den Zusatzbeitrag tragen Rentner allein. Die Pflegeversicherung zahlen Rentner ebenfalls allein.
Eine Erhöhung des Zusatzbeitrags wirkt daher unmittelbar auf die Nettorente. Wer freiwillig gesetzlich versichert ist, sollte prüfen, ob die Voraussetzungen für die KVdR erfüllt werden. Der Wechsel senkt oft die laufende Belastung.
Rechtliche Schutzmechanismen: Ihre Belastungsgrenze
Zuzahlungen enden an der Belastungsgrenze. Sie beträgt 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens des Haushalts, für schwerwiegend chronisch Kranke 1 %. Erreichen Sie die Grenze, kann die Kasse für den Rest des Jahres befreien. Wichtig: Quittungen sammeln, Nachweise geordnet einreichen, ggf. eine Vorausbefreiung beantragen.
Rechenbeispiel: Eine Rentnerin mit 1.200 € Bruttorente im Monat hat 14.400 € im Jahr. 2 % davon sind 288 €. Als chronisch Kranke läge die Grenze bei 144 €. Erstattungen gibt es nicht automatisch – Sie müssen aktiv werden.
So gehen Sie vor:
Beantragen Sie bei Ihrer Kasse eine Belastungsgrenzen-Befreiung. Legen Sie Einkommensnachweise und die gesammelten Quittungen vor (Apotheke, Praxis, Klinik). Fragen Sie nach der Möglichkeit einer Vorauszahlung bis zur Belastungsgrenze.
Dann stellt die Kasse unmittelbar eine Befreiungskarte für den Rest des Jahres aus. Das verhindert Nachzahlungen und entlastet Ihr Budget sofort.
Kassenwechsel: Fristen und Sonderkündigung
Wenn Ihre Kasse den Zusatzbeitrag erhöht, haben Sie ein Sonderkündigungsrecht. Die Kündigung muss bis zum Ende des Monats, in dem der neue Satz wirksam wird, bei der bisherigen Kasse eingehen. Der Wechsel zur neuen Kasse erfolgt in der Regel zum übernächsten Monat.
Unabhängig davon gilt die allgemeine Bindungsfrist: Wer zu einer Kasse wechselt, bleibt in der Regel zwölf Monate gebunden – außer es greift wieder ein Sonderkündigungsrecht. Achten Sie darauf, dass die neue Kasse Leistungsschwerpunkte anbietet, die Sie wirklich benötigen (z. B. Disease-Management-Programme, Präventionskurse, Bonusmodelle).
Einordnung: Mehr Eigenanteile statt höherer Beitragssatz?
Die Regierung will Beitragssätze 2026 stabilisieren. Höhere Zuzahlungen würden dieses Ziel flankieren, verschieben die Last aber direkt zu den Patientinnen und Patienten. Aus Sicht vieler Kassen löst das die strukturellen Probleme nicht.
Entscheidend wird sein, ob zu kurzfristigen Sparschritten verlässliche Strukturreformen kommen – etwa bei Klinikfinanzierung, Arzneimittelsteuerung und versicherungsfremden Leistungen. Bis zur endgültigen Entscheidung gilt:
Belastungsgrenzen nutzen, Angebote vergleichen, Fristen beachten. So vermeiden Sie unnötige Mehrkosten – selbst wenn Zuzahlungen und Zusatzbeiträge steigen.




