Null-Sanktionen bei Hartz IV nicht zulässig
Aus verschiedenen Orten wird von einer härteren Gangart berichtet. Es scheint vermehrt zu Sanktionen zu kommen, wohl 40 Prozent seien rechtsfehlerhaft. Der Rest darf auch nicht mit der vom SGB II gebotenen Härte erfolgen: Die Prinzipen des Grundgesetzes sind höher einzuschätzen das „Fordern und (Be-) Fördern“ des SGB II.
NULL-Sanktionen verletzen in jedem Falle die Würde des Menschen nach Art. 1 Abs. 1 GG und das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG (es sei denn, es seien ausreichend Ersparnisse oder andere Mittel verfügbar). Auf die TAFEL darf nicht verwiesen werden (LSG NRW 7.11.2007, L 20 B 74/07 AY). Auf dem Workshop des Sozialgerichtstags wurde ebenso wie von Berlit vertreten, eine Sanktion dürfe nicht höher als 30 % sein – 70 % der RL sind das biologisch/physiologische Existenzminimum. Diese 70 Prozent dürften allerdings als Sachmittel/Gutscheine/Direktzahlung (Strom z.B.) ausgekehrt werden.
Meine Meinung: es muss aber auch ein Barbetrag dabei sein, weil ein Teil des existenziell Notwendigen (Fahrtkasten ARGE, Arzt, Medikamentenzuzahlungen …) nicht mit Gutscheinen zu erwerben sind. Das ist schon Entwürdigung genug!
Dazu Hinweise aus der berühmten Entscheidung des BVerfG:
Zusammenfassung:
– Die SGB II – Leistungen dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese "Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt. Dabei sei nur auf die gegenwärtige Lage abzustellen. Existenzsichernde Leistungen dürfen nicht aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden".
– Aus diesem Grund müssen sich "die Gerichte sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern".
Regelmäßig im Eilverfahren zu gewährende Leistungen auf 70 – 80 % der Gesamtleistung oder der Regelleistung zu reduzieren – das meint das BverfG mit Abschlag – bedeutet ebenfalls eine nicht mehr wieder gutzumachende Einschränkung für die Betroffenen. Der DPWV hat im Dez. 04 glaubhaft dargelegt, dass die Regelleistungen sowieso zu niedrig sind und von der Regierung runtermanipuliert wurden. Hier im Zweifelsfall nur 70 % oder 80 % des Gesamtbedarfes der Antragsteller zu bewilligen würde wiederum ein Leben in Würde und effektiven Rechtsschutz der Betroffenen erheblich einschränken und faktisch aushebeln. Im Einzelfall kann das eine Einschränkung von mehreren hundert EUR sein und erheblich mehr als die Sanktionen nach § 31 SGB II. Beispiel: 2 Personen á 311 EUR und 400 EUR Miete = 1022 EUR Leistung, davon 70 % = 715,40 EUR, das bedeutet 306,60 EUR zu wenig. Ggf. über 1 ½ Jahre oder mehr bis Abschluss eines Hauptsacheverfahrens.
Siehe auch:
Tacheles
Bundesverfassungsgericht
Auszug:
„ … Während des Hauptsacheverfahrens ist jedoch das Existenzminimum nicht gedeckt. Diese möglicherweise längere Zeit dauernde, erhebliche Beeinträchtigung kann nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden. Der elementare Lebensbedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht. Dieses "Gegenwärtigkeitsprinzip" ist als Teil des Bedarfsdeckungsgrundsatzes für die Sozialhilfe allgemein anerkannt (BVerwGE 79, 46 <49>; 69, 5 <7>; Fichtner, in: Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 2. Aufl. 2003, § 5 Rn. 2; Rothkegel, ZfSH/SGB 2003, S. 643 <645>). …
bb) Die Gefahr, dass die Existenz der Beschwerdeführer zeitweise nicht gesichert wäre, begründet auch einen Nachteil im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe b Halbsatz 2 BVerfGG. …
… b) Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits entwickelt. Dies gilt für die staatliche Pflicht zur Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz (vgl. BVerfGE 82, 60 <80>) und die Anforderungen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz an gerichtliche Eilverfahren (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 94, 166 <216>). …
Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, S. 1236 <1237>). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. …
(1) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfGE 82, 60 <80>). Diese Pflicht besteht unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit (vgl. BVerfGE 35, 202 <235>). Hieraus folgt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, soweit es um die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller geht, nur auf die gegenwärtige Lage abgestellt werden darf. Umstände der Vergangenheit dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Anspruchstellers ermöglichen. Dies gilt sowohl für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit selbst als auch für die Überprüfung einer Obliegenheitsverletzung nach §§ 60, 66 SGB I, wenn über den Anspruch anhand eines dieser Kriterien entschieden werden soll. Aus diesen Gründen dürfen existenzsichernde Leistungen nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere wenn sich diese auf vergangene Umstände stützen. …
(2) Das Sozialgericht hat im Ausgangsverfahren zwar darauf hingewiesen, dass die Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein auf Grund vergangener Umstände verfassungsrechtlich unzulässig wäre. …
… Außerdem sprachen die Umstände deutlich für die Notlage der Beschwerdeführer. Ihre Wohnung war bereits gekündigt, eine Stromsperre angedroht; … “ (NH, Unabhängige Sozialberatung Bochum, 11.03.08)
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