Kündigungen scheitern häufig nicht am Inhalt, sondern am Zugang. Für Beschäftigte ist das eine Chance – und eine Verantwortung. Denn die Drei-Wochen-Frist zur Kündigungsschutzklage beginnt erst mit Zugang zu laufen. Wer versteht, wann ein Schreiben als zugegangen gilt und wer was beweisen muss, kann Fehlgriffe der Gegenseite nutzen und die eigenen Rechte sichern.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet „Zugang“ – und warum ist er so wichtig?
„Zugang“ heißt: Das Kündigungsschreiben gelangt in Ihren Machtbereich (typischerweise der Hausbriefkasten) und es ist unter normalen Umständen damit zu rechnen, dass Sie davon Kenntnis nehmen.
Ihre persönliche Tagesroutine ist dabei egal – maßgeblich ist, wann üblicherweise eine Leerung zu erwarten ist. Genau an diesem Punkt hakt es in der Praxis oft, und genau hier setzen Einwände von Arbeitnehmerseite an.
Uhrzeit entscheidet: Später Einwurf, späterer Zugang
Wird am Abend eingeworfen, zu einer Zeit, zu der realistischerweise keine Leerung mehr stattfindet, gilt die Kündigung erst am nächsten Werktag als zugegangen. Das kann über Tage entscheiden – und damit darüber, ob eine Frist gehalten oder verfehlt wurde.
Beschäftigte sollten deshalb nach einem späten Einwurf den Umschlag aufheben, Uhrzeit notieren, ggf. Foto vom Briefkasten machen und Zeugen benennen können. Jede Minute kann zählen.
Samstag bleibt Werktag – aber nicht rund um die Uhr
Für Fristen ist der Samstag grundsätzlich ein Werktag. Ein vormittäglicher Einwurf kann die Frist am Samstag starten. Erfolgt der Einwurf aber spät am Samstag, ist der Zugang in der Regel erst am Montag gegeben, weil am Sonntag keine Leerung zu erwarten ist.
Für Beschäftigte kann das ein wichtiges Argument sein, wenn die Gegenseite mit „Samstagszustellung kurz vor knapp“ operiert.
Urlaub, Krankenhaus, Reha: Läuft die Frist trotzdem?
Ja – unangenehm, aber wahr: Auch wenn Sie abwesend sind, kann der Zugang erfolgen, sobald die Kündigung ordnungsgemäß in den Briefkasten gelangt. Deshalb gilt für Beschäftigte: Vorsorge treffen. Bitten Sie vertrauenswürdige Personen, den Briefkasten zu leeren und Posteingänge zu dokumentieren.
Wer die Frist dennoch ohne eigenes Verschulden verpasst (z. B. unerwarteter Klinikaufenthalt), sollte sofort nach Rückkehr handeln; unter engen Voraussetzungen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Hier zählt jede Stunde – schnell beraten lassen!
Beweislast: Ein Pluspunkt für Beschäftigte
Wer kündigt, muss den Zugang beweisen – und zwar Tag und Uhrzeit. Gelingt das der Arbeitgeberseite nicht, kann eine vermeintlich fristwahrende Kündigung zu spät sein. Für Beschäftigte heißt das: Dokumentation ist Trumpf.
Notieren Sie Zeitpunkt der Entnahme, bewahren Sie Umschlag und Inhalt auf, machen Sie Fotos vom Briefkasten (Namensschild, Füllstand), halten Sie mögliche Zeugen fest (Mitbewohnerinnen, Nachbarinnen).
Zustellarten – was Beschäftigte wissen sollten
Einwurf-Einschreiben: Gilt als in den Briefkasten eingeworfen, aber Details zum konkreten Einwurfzeitpunkt sind entscheidend. Stimmt die Uhrzeit nicht oder bleiben Zweifel, kann das die Frist zu Ihren Gunsten verschieben.
Einschreiben mit Rückschein: Wird es nicht angetroffen oder nicht abgeholt, fehlt oft der Zugang. Für Beschäftigte kann das bedeuten: Frist läuft (noch) nicht.
Bote/Zeuginnenzustellung: Für Arbeitgeberinnen rechtssicher, aber nur, wenn Uhrzeit, Ort und Einwurf sauber dokumentiert werden. Prüfen Sie Zustellprotokolle genau – Ungenauigkeiten eröffnen Verteidigungschancen.
Persönliche Übergabe: Zugang sofort. Verweigern Sie die Annahme, kann der Zugang trotzdem angenommen werden, wenn das Schriftstück in Ihren Machtbereich gelangt. Wer unsicher ist, nimmt an, vermerkt aber den Zeitpunkt.
Schriftform: E-Mail, SMS & Co. sind keine Kündigung
Für Arbeitsverhältnisse gilt: Original mit Unterschrift erforderlich. E-Mails, Messenger-Nachrichten oder Fax sind unwirksam. Kommt eine „Kündigung per Mail“, bewahren Sie sie dennoch auf – als Indiz. Die Drei-Wochen-Frist startet dadurch nicht.
Praxis-Taktik aus Arbeitnehmerperspektive
Schaffen Sie zunächst Transparenz für sich selbst, indem Sie jeden Schritt schriftlich festhalten. Lassen Sie sich nicht provozieren: Werfen Sie den Umschlag nicht weg und schreiben Sie nichts darauf, was missverstanden werden könnte – dokumentieren Sie relevante Informationen lieber getrennt.
Verspielen Sie keine Fristen: Auch wenn Sie den Zugang anzweifeln, reichen Sie die Kündigungsschutzklage vorsorglich rechtzeitig ein; die Diskussion über den Zugang gehört in den Prozess, nicht in den Kalender. Kommunizieren Sie mit Bedacht und vermeiden Sie übereilte „Bestätigungen“ gegenüber der Arbeitgeberseite, die einen früheren Zugang nahelegen könnten.
Und holen Sie sich Unterstützung: Binden Sie den Betriebsrat oder Ihre Interessenvertretung ein – gerade bei strittigen Zustellungen.
Fazit
Für Beschäftigte ist der Zugang das Nadelöhr jeder Kündigung. Wer Uhrzeiten und Abläufe genau festhält, kann Fristen retten, Angriffe der Gegenseite parieren und Zeit gewinnen – oft genug der Unterschied zwischen Jobverlust und erfolgreichem Vergleich. Der Schlüssel: Dokumentieren, Fristen prüfen, Klage rechtzeitig einreichen.




