Jobcenter stellte Hartz IV Betroffene an den “Internet-Pranger”

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Immer wieder entwickeln Jobcenter ein besonderes Eigenleben. Das eine Jobcenter lehnt die Bearbeitung von Emails ab (wir berichteten hier) die andere Behörde veröffentlicht sensible Daten von Leistungsbeziehern im Internet.

Öffentlich war einsehbar, wer Leistungen vom Jobcenter bezogen hat

Das Jobcenter Offenbach Stadt (MainArbeit) erstellte eine Seite mit der Bezeichnung „Öffentliche Zustellungen“. Auf dieser Seite wurden ehemalige Hartz-IV-Beziehende mit vollem Namen und Geburtsdatum aufgeführt.

Die Anschreiben an die Betroffenen wurden zudem für Jedermann anklickbar und frei einsehbar gemacht. Die letzte dem Jobcenter bekannte Postanschrift wurde zusätzlich mit im Internet veröffentlicht.

Damit wurde allen Menschen, die es wissen wollten, im Word-Wide-Web mitgeteilt, wer Hartz-4-Leistungen des Jobcenters Offenbach in näherer oder fernerer Vergangeneit bezogen hat und jetzt für das Jobcenter postalisch nicht auffindbar ist.

Jobcenter löschte die Seite “Öffentliche Bekanntmachung”

Weil der öffentliche und politische Druck zu hoch wurde, hat sich das Jobcenter Offenbach mittlerweile entschieden, die Seite wieder abzustellen.

Zuvor hatten sich allerdings Gerichte und Datenschutz-Aufsichtsbehörden auf die Linie verständigt, dass eine Internet-Veröffentlichung der öffentlichen Zustellung zulässig ist, wenn sichergestellt ist, dass nach Ende der 14-Tage-Frist die Veröffentlichung wieder gelöscht wird (Quelle).

Und so sah das auf der mittlerweile gelöschten Seite aus:
Öffentliche Bekanntmachung durch das Jobcenter

Warum hat das Jobcenter eine solche Unterseite auf ihrer Internetseite veröffentlicht?

Warum aber hat das Jobcenter die sensiblen Daten veröffentlicht? Eine Böswilligkeit ist zunächst nicht zu unterstellen. Vielmehr handelt es sich hierbei, wie erwähnt, um eine “Öffentliche Bekanntmachung”, weil für das Jobcenter der ehemalige oder derzeitige Leistungsbeziehende unter der bisherigen Postadresse nicht mehr erreichbar ist.

Was ist eine öffentliche Zustellung behördlicher Schriftstücke?

Die öffentliche Zustellung behördlicher Schriftstücke ist im Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) sowie in sich auf das VwZG beziehenden Landesgesetzen geregelt.

Der § 10 VwZG lässt zu, dass die öffentliche Zustellung erfolgen kann “durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung an der Stelle, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist, oder durch Veröffentlichung einer Benachrichtigung im Bundesanzeiger. Die Benachrichtigung muss

1. die Behörde, für die zugestellt wird,
2. den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten,
3. das Datum und das Aktenzeichen des Dokuments sowie
4. die Stelle, wo das Dokument eingesehen werden kann, erkennen lassen.“

Jobcenter schoss über das Ziel hinaus

Mit der eingerichteten Internetseite schoss das Jobcenter Offenbach Stadt weit über das Ziel hinaus. Zwar hat auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) unter dem Eindruck der Corona-Pandemie eine Weisung herausgegeben, die die Bekanntgabe öffentlicher Zustellungen im Internet für ihre nachgeordneten Dienststellen ermöglichte, allerdings klärte die BA auch in ihrer Weisung darüber auf, dass dies nur in Ausnahmefällen geschehen dürfe.

Ausnahmefälle sind, wenn ein Jobcenter “längerfristig für den Publikumsverkehr geschlossen ist und keine Aushangmöglichkeit an einer allgemein zugänglichen Außentür oder vor dem Gebäude vorhanden ist.” Die Weisung erfolgte offensichtlich nur unter dem Eindruck der Pandemie, weil zu jener Zeit tatsächlich die Behörden zeitweise geschlossen waren.

Die interne Weisung der BA, die im Übrigen mit Ablauf des 23.12.2021 außer Kraft getreten ist, und wonach im Ausnahmefall für die öffentliche Bekanntmachung die Internet-Seite der Dienststelle zu nutzen ist, war klar erkennbar zu jeder Zeit rechtswidrig. Jede derartige Veröffentlichung stellt einen Datenschutzverstoß dar.

Auch weitere Jobcenter nutzen diese fragwürdige Möglichkeit

“Zu viele Jobcenter nutzen diese datenschutzrechtlich fragwürdige Möglichkeit. Beispiele aus den Jobcentern Frankfurt/M., Flensburg und Fürstenfeldbruck zeigen aber, dass es auch anders geht”, so der Verein “dieDatenschützer Rhein Main”.

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