Hartz IV: Jobcenter Hagen lehnt Emails ab – Experte wirft Rechtsbeugung vor

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Im Zuge der Ablรถsung von Hartz IV soll das “neue Bรผrgergeld” bรผrgerfreundlicher und respektvoller werden. Zudem wolle man eine “Vereinfachung durch das Angebot digitaler Dienste” anstreben, so das Ziel des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD). Allerdings scheint das Jobcenter Hagen diesen Grundgedanken nicht zu verstehen und erschwert sogar den Zugang fรผr Hilfesuchende.

Der Zugang zu Sozialleistungen soll vereinfacht werden. Mehr “Respekt, eine bรผrgerfreundliche Verwaltung und Vereinfachung durch das Angebot digitaler Dienste” sowie Bรผrokratieabbau ist das Ziel des Arbeitsministers Heil.

Keine bรผrgerfreundliche Verwaltung beim Jobcenter Hagen

Auf einen anderen Weg hat sich offenbar das Jobcenter Hagen aufgemacht. Wie die Sozialberatungsstelle “Tacheles e.V.” berichtet, bekamen Hilfesuchende Anfang Oktober eine Mail, in der zu lesen war, dass eine Kommunikation per Email nicht mehr mรถglich sei.

In einer spรคteren zweiten Mail wurde einem Leistungsbeziehendem dann mitgeteilt, dass die eingehende Mail zwar angekommen sei aber “nicht mehr bearbeitet werde”. Stattdessen solle die Kommunikation ausschlieรŸlich รผber “Jobcenter.Digital” geschehen.

Die zweite Mail

Ein Fall von Rechtsbeugung?

“Die Ablehnung der Bearbeitung einer eingegangenen Mail dรผrfte schlichtweg Rechtsbeugung darstellen”, kritisiert der Sozialrechtsexperte Harald Thomรฉ von Tacheles e.V. Hier werde nรคmlich “eine vorsรคtzlich falsche Anwendung des Rechts durch Amtstrรคger zum Nachteil der SGB II โ€“ Antragstellenden” vorgenommen.

Laut ยง 9 SGB X iVm ยง 37 SGB II mรผssen die Jobcenter ein formloses Verfahren zur Vereinfachung anbieten. Formlos bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Kontaktaufnahme schriftlich, mรผndlich, per Email oder per Fax mรถglich sein muss.

Antrรคge dรผrfen auch per Email gestellt werden

Bereits das Bundessozialgericht in Kassel hatte in dem Urteil (Az. B 14 AS 51/18 R) festgelegt, dass die Beantragung von Hartz IV Leistungen per Mail zulรคssig sei. SchlieรŸlich seien Jobcenter verpflichtet, dass โ€žjeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemรครŸer Weise, umfassend und zรผgig erhรคltโ€œ und die Behรถrden โ€žihre Verwaltungs- und Dienstgebรคude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren ausfรผhrenโ€œ.

Zusรคtzlich verstรถรŸt das Vorgehen des Jobcenters Hagen gegen das โ€žRecht auf eine gute Verwaltungโ€œ nach Art 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europรคischen Union, so Thomรฉ.

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Mails dรผrfen nicht abgelehnt werden

Der Experte Thomรฉ zeigt Verstรคndnis dafรผr, dass die Jobcenter-Verwaltung darauf hin arbeite, dass mรถglichst viele Leistungsbeziehende das Online-Portal “Jobcenter.digital” nutzen. Allerdings dรผrfe das nicht in eine Weigerung mรผnden, eingehende Emails abzulehnen.

Die Behรถrden mรผssen schlieรŸlich dafรผr Sorge tragen, dass Hรผrden abgebaut werden. Zudem mรผssen Leistungsbehรถrden dafรผr sorgen, dass Antragstellende mรถglichst zeitnah ihre zustehenden Leistungen erhalten. “Es erscheint, als mรผsse hier die Bundesagentur fรผr Arbeit und das Bundesarbeitsministerium mal eine Fachaufsicht durchfรผhren. Bรผrokratieabbau und bรผrgerfreundliche Verwaltung geht anders”, kritisert der Thomรฉ.