Interview mit einem Hartz IV Hungerstreiker

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Jörg Rogall kämpft gegen die illegale Vergabe von Ein-Euro-Jobs im Landkreis mit einem Hungerstreik
Seit den DGB-Demonstrationen – am Samstag -befindet sich Jörg Rogall aus Aurich im Hungerstreik. Damit soll der Betrug und die Veruntreuung von 1-Euro-Jobbern im Landkreis Aurich angeprangert werden. Wir führten mit Jörg Rogall ein Interview.

Herr Rogall, sie haben eine außergewöhnliche Protestmethode gewählt, um gegen die illegale Vergabe von 1 Euro Jobs im Landkreis zu kämpfen. Erläutern Sie uns bitte die Hintergründe!

Aufgrund des Abstumpfens der öffentlichen Medien und Meinung, überlegte ich mir, welcher Weg die größte Medienwirksamkeit hätte. Ich wollte unbedingt alle Bürger erreichen und nicht nur die unmittelbar Betroffenen.

Im Allgemeinen ist der Hungerstreik oft das letzte Mittel, einen Protest auszudrücken. Gab es für Sie nicht auch andere Möglichkeiten Ihren Protest zu äußern?

Vorher geführte Gespräche mit Vertretern der Politik und auch eine Podiumsdiskussion mit den angehenden Bürgermeisterkandidaten und Kandidatinnen, insbesondere denen der SPD und CDU, die durch Abwesenheit glänzten, brachte keinerlei Erfolg, außer ein Pressebericht.

Haben Sie den Hungerstreik zeitlich begrenzt oder wollen Sie weiter machen, bis Ihre Forderungen erfüllt werden?

Ich habe den Hungerstreik mit dem gestrigen Tag abgebrochen, da nun durch die Presse motiviert, sowohl die hiesige Linkspartei, die GAP (Grüne Alternative Partei), die Grünen sowohl im Kreistag, als auch zusätzlich der
angehende Bürgermeister, Herr Windhorst, in den jeweiligen Sitzungen der kommenden 3 Wochen Anfragen und Anträge zu den 1-Euro-Jobs im Landkreis und der Stadt einbringen werden.

Wie reagiert die Öffentlichkeit, vor allem in Aurich? Gab es bereits eine Resonanz?

Ich wurde während meiner gesamten Präsenz von Bürger aller Schichten angesprochen, denen ich die Problematik nahe bringen konnte. Dabei handelte es sich zumeist nicht um betroffene Hartz IV-Empfänger, sondern überwiegend um Menschen die noch einen Job haben oder interessierte Selbständige Kleinunternehmer und auch Rentner.

Werden Sie von Mitstreitern, Freunden unterstützt? Gibt es Parteien oder Initiativen, die Sie in Ihrem Vorhaben unterstützen?

Freunde und Bekannte haben mich täglich besucht. Durch die Medien angestimmt, gab es in den vergangenen 8 Tagen mehrere begleitende Presseartikel, in allen hiesigen Zeitungen (Ostfriesische Zeitung , Ostfriesischer Kurier , Emder Zeitung, Sonntagsblatt und den Ostfriesische Nachrichten,) die die Problematik von 1-Euro-Jobs und die Armut im Landkreis täglich mit neuen Berichten darstellte. Sensibilisiert dadurch, haben sich einige Institutionen zu eigenen Aktionen entschlossen.

So startet Verdi in der kommenden Woche mit einer Aktion am Weltspartag zu Hartz IV und Kinderarmut eine Demonstration, auch in Aurich. Auch der "Poltische Salon", ein hiesiges Forum für politisch Interessierte, nimmt sich in der kommenden Woche auf seiner Veranstaltung dem Thema an. Von den bereits o.g. Parteien und der Arbeitsloseninitiative Aurich werden nun ebenfalls eigenständige Aktionen geplant und sollen kurzfristig umgesetzt werden. Kontakte in den überregionalen Bereich zeigen mir auch dort den Drang nach neuen, anderen Formen des Protestes.

Inzwischen wurde bekannt, dass ebenfalls 5 "Ein-Euro-Jobberinnen" Vorhänge für die Bundeswehr nähen müssen und der Landkreis sich somit bereichert. Haben Sie Kontakt zu den Ein- Euro Jobberin aufgenommen?

Ich habe viele Berichte von 1-Euro-Jobbern erhalten. Zumeist sind diese sehr erschreckend. Auch habe ich Emails von Betroffenen erhalten. Da viele Fälle nicht belegt werden können, da die Zeugen Angst vor Repressalien haben, ist es hier sehr schwierig mit diesen Informationen weiter zu arbeiten. Der oben genannte Fall ist so einer.

Einfacher ist es, wenn konkrete Beweise vorliegen, wie im Falle der hiesigen Paddel und Pedal Station. Laut Teilnehmerverträgen und den Eingliederungsverträgen mit der Kvhs (Kreisvolkshochschule) und der Südbrookmerland Touristik GmbH wurden die 4 Mitarbeiter absolut autark mit der Führung einer Einrichtung betraut. Untermauert durch Verträge und Dienstplänen, aus denen nicht nur klar wird, dass keine Gemeinnützigkeit vorliegt, die Arbeit auch in keiner Weise zusätzlich war, sondern auch noch die wöchentliche Arbeitszeit nicht bei 30 Stunden sondern bei durchgängig
über 36,5 Stunden auch mit kompletten Wochenendschichten lag. Hier ist es klare Schwarzarbeit.

Menschen zu finden, die freimütig die Arbeitspapiere und Dienstpläne offen legen, um Betrügern das Handwerk zu legen gibt es nur leider zu selten.

Haben Sie bereits einen Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft gestellt oder wurde mit Ihnen Kontakt aufgenommen?

Es besteht Kontakt zur hiesigen Polzei. Ebenfalls wurde durch mich die BfA (Rententräger) und der Bund der Steuerzahler informiert. In der kommenden Woche gibt es ein Treffen mit einer weiteren überregionalen Behörde. Da ich nicht den laufenden Ermittlungen vorgreifen möchte, muss ich mich verständlicher Weise, zur Zeit, etwas mit Informationen zurückhalten.

Wie bewerten Sie die Chancen, dass die eingesetzten Ein- Euro Jobber reguläre Arbeitsverträge erhalten?

Öffentlich, über die Presse sollen mindestens 2 der Betroffenen 1-Euro-Jobber Arbeitsverträge erhalten. Die Stadt Aurich will kurzfristig im innerstädtischen Gartenbau- und Reinigungsdienst ebenfalls 1-Euro-Jobber durch sozialversicherungspflichtige Arbeitskräfte ersetzen.

Ihre abschließenden Worte?
Abschließend möchte ich noch hinzufügen, dass ich alle Menschen mit meiner Aktion ermutigen will, ähnliche Dinge zu tun. Es ist wichtig, vor Ort, mit kleinen gezielten Aktionen die breite Öffentlichkeit zu erreichen. Das ist viel einfacher als mit Demos in Berlin oder sonst wo. Dort werden die Proteste durch die Verantwortlichen nicht mehr wahrgenommen.

Vor Ort erhält man sofort ein Feedback. Die Menschen nehmen sich der Sache an. Mit einer Handvoll Leuten und auch, wie ich bewiesen habe, kann man alle Ziele ohne Angst erreichen.

Sie kennen die Sprüche: "Alleine kann ich eh nichts machen", wenn Du mitmachst, bin ich auch dabei", "was soll das bringen" usw..MUT heißt Machen Und Tun. Wenn Sie eine Herzensangelegenheit haben, reden Sie mit den Menschen. Aber nicht im eigenen Wohnzimmer, sondern draußen. Sie müssen sich nicht verstecken. Gemeinsam sind wir Viele, in Aurich, Ostfriesland und über die gesamte Republik verteilt.

Vielen Dank für das Interview! Mehr über Jörg Rogall finden Sie auch unter: www.friesenstein.de
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