Hartz IV & Wohlfahrt: Die Tafel lädt zu Tisch

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Die Tafel lädt zu Tisch

Es ist wieder so weit. Zum 13. Mal lädt der Bundesverband der Tafel e.V. am 1. und 2. Juni zur Jahreshauptversammlung in Dortmund ein.
Es wird eine „Lange Tafel“ werden, die teilnehmerstärkste Zusammenkunft aller Zeiten!
Seit Gründung des Bundesverbandes im Jahr 1995 boomt die Mitgliederzahl. Waren es 1994 noch 4 einzelne Tafeln in ganz Deutschland, sind es nun fast 700 und das Wachstum beschleunigt sich noch. Allein im letzten Jahr kamen etwa 100 neue Tafeln hinzu. So richtig boomt es aber, seit im Jahre n. Hartz (2004) ein gefeierter Krimineller als „Erlöser“ mit Hilfe vieler Jünger aus Politik und Wirtschaft den Sozialstaat Deutschland abschaffte.

Dank Herrn G. Schröder stehen seit dem Jahr 2005 etwa 5.000.000 (5 Millionen) Bettler Schlange an den Tafeln… oder richtiger, sie könnten dort stehen, wenn sich viele nicht schämen würden ob ihrer neuen Armut.

Die Tafel lädt zu Tisch. Essen, wo es hingehört: „Es ist angerichtet!“

Der weitsichtige Herr Mc Kinsey (Tafel-Konzept) und der heutige Adel – der Geldadel – laden zur Tafel. Er und die vielen Jünger, die heute Sponsoren heißen, decken den Tisch: METRO Group (Extra-, real- und Cash&Carry-Märkte) reicht Bares für den strukturellen Aufbau der Tafel e.V., Galeria Kaufhof reicht Essbares, der ADAC leistet „Pannenhilfe“ und Rechtsschutz, Bahlsen-Kekse werden zum Nachtisch gereicht. Bofrost, Burda und Bosch tun etwas. Continental und Vergölst bereifen die gespendete Daimler-Flotte.
D+S europe unterstützt die Tafel seit Jahren durch kostenlose Callcenter-Leistungen, econ Steuerberatung unterstützt und berät den Bundesverband Deutsche Tafel e.V. seit 2001. General Overnight Service unterstützt durch kostenlosen Paketversand, Greive Sozialsponsoring & Marketing mischt auch mit. Gruner + Jahr schaltet kostenlose Anzeigen GuideCom gestaltet kostengünstig den Internetauftritt des Bundesverbandes. Das Hotel Ibis Berlin Mitte gewährt dem Bundesverband Deutsche Tafel e.V. zur Unterbringung seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter, Mitgliedern und Gästen Sonderkonditionen.

Kaufland stellt den Tafeln vor Ort regelmäßig Lebensmittel zur Verfügung. Kirchhoff Consult AG hilft seit vielen Jahren bei der Erstellung der Tafel-Zeitschrift "Feedback". Vor Ort unterstützen die Lidl-Märkte die Tafeln tatkräftig. Die Firma Maggi GmbH würzt die Tafel-Suppen und "Marcellino & Friends" machen die Tafelmusik. Die Kanzlei Müller-Boré & Partner überwacht die Einhaltung der patentamtlich geschützten Ziele der Tafel.

Ob Nestlé, NordLB, Observer Argus Media, PAPIER UNION, PLUS u. REWE, kein klangvoller Name fehlt.

Die Firma sodexho Catering und Services „stoppt den Hunger“ im Namen der Tafel, bei ARAL tankt man billig und die Orts-Tafeln telefonieren günstig mit Vodafone, wenn sie bei Wagner die Pizza bestellen.

Nicht alle können hier genannt werden, aber es wird hoffentlich deutlich, dass hier eine gigantische „Almosenfabrik Deutschland AG“ am Werke ist. Selbst die allgemeine Wohlfahrt wird privatisiert.
„Die Reichen sind unersättlich, sie wollen alles besitzen, sogar die Armut“ (Michel Tournier)
Sie bitten zu Tisch, die Reichen, aber erst, nachdem sie selbst die Tafel schon abgefressen haben und sie geben heute auch nur das, was morgen bereits verschimmeln würde auf der Abfallhalde ihrer gigantischen Überproduktion.

«Was die Raupen übriglassen, das fressen die Heuschrecken, und was die Heuschrecken übriglassen, das fressen die Käfer, und was die Käfer übriglassen, das frisst das Geschmeiß.» (Joel 1,4) „Die Speisung der Viertausend“ (Matth. 15, 32-38) hat eine neue Dimension: der wärmende Schein der Mildtätigkeit paart sich geschickt mit der Profitgier und –verbesserung durch die steuerliche Absetzbarkeit der Spenden in riesigem Ausmaß.

„Wer nicht arbeitet, soll (eigentlich) auch nicht essen“, so tönte es kürzlich aus dem Munde eines Sozialdemokraten und damit begründete er indirekt den viel zu niedrigen staatlichen Existenzbeitrag von Millionen neuer armer Arbeitsloser. Die neoliberalen Revolutionäre entlassen ihre Kinder in eine menschenverachtende Bettellandschaft. Schlange stehen an der Tafel.

Mindestens gelingt hier die Stabilisierung des staatlichen Regelsatzes, zu befürchten ist sogar die weitere Absenkung, denn verhungern muss ja keiner.

Anfänglich wurde die Essensausgabe in Pfund gewogen, doch inzwischen überbieten sich die Orts-Tafeln in Tonnageangaben: „Die Dortmunder Tafel, die wöchentlich 34 Tonnen Lebensmittel einsammelt und an Bedürftige verteilt“, liefert da ein beredtes Beispiel.

Über all dieses Elend hält Frau Dr.Ursula von der Leyen seit dem 14.12.2006 ihren persönlichen und ihren politischen CDU-Schirm: „Auch in Deutschland gibt es Bedürftige, die dringend alle Unterstützung brauchen, die wir ihnen geben können. Deshalb begeistert mich die Idee der Tafel-Bewegung.“

Liebe Ursula, schauen Sie bloß nicht genauer hin. Mit Schamesröte im Gesicht ist man nicht so telegen. Maske bitte! Die gefühlte Anteilnahme hält sich in Grenzen. Im gleichen Atemzug hat nämlich diese mitfühlende Dame die Hälfte des Elterngeldes den Arbeitslosen, Geringverdienern und allein erziehenden Müttern per Gesetz entzogen zu Gunsten der besser verdienenden Mittelschicht.

Besonders beeindruckt ist Ursula von dem freiwilligen Engagement ehrenamtlich tätiger Tafelidealisten. Inzwischen sollen es über 25.000 sein!

Da sollte Herr Rüdiger Teepe besser nicht ausplaudern, dass z.B. bei der Tafel e.V. Dortmund ohne 26 Zwangsarbeiter die Arbeit nicht zu bewältigen wäre. Auch Herr Klaus Neumann von der Caritas verplappert sich, peinlich bemüht, das Wort Zwangsarbeit zu vermeiden: man habe bereits 126 ehemalige Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet! Wieso eigentlich „ehemalig“? Statistisch gesehen stimmt das zwar, aber nicht real. Zwangsarbeit beendet die Langzeitarbeitslosigkeit eben nicht.

Psst! Hat hoffentlich niemand gehört.

Ursula schwärmt indes unbeirrt weiter und spricht das Tischgebet aus dem bertelsmännischen Katechismus: „Eine Zivilgesellschaft muss in der Lage sein, gemeinschaftliche Fürsorge aktiv wahrzunehmen. Dafür ist die Tafel-Bewegung ein Musterbeispiel. Eine einfache und gute Idee wird zielstrebig und konsequent umgesetzt. Wir sehen […], dass unsere Zivilgesellschaft funktioniert. Wir sehen, wie viele Menschen bereit sind, sich für Andere einzusetzen und uneigennützig zu helfen.“

Guten Appetit!

Das wünsche ich besonders den über 300 angemeldeten Tafeln zu dieser Tafelrunde der Almosen AG Deutschland. Die Teilnehmer erwartet erst Fortbildung und Diskussion zum Thema gnadenlose Wohlfahrt und dann eine festliche Abendveranstaltung mit zahlreichen (zahlungskräftigen) Ehrengästen.

Es darf auch gefeiert werden, denn die Tafel hat in Deutschland hervorragende Zukunftsperspektiven. So bemüht man sich gerade um eine Allianz mit den Foodbanks Europas – in der Landessprache „Banques Alimentaire“ (franz.), „Bancos de Alimentos“ (span.), „Bankow Zywnosci“(pol.) oder in deutsch – „Lebensmittelbanken“ genannt – die in einer Art strategischer Zangenbewegung als Großmarkt für karitative Organisationen fungieren und als „Zeugen der Armut“ das Gesammelte an Organisationen mit „unterschiedlichem geistlichen und humanitären Hintergrund“ verteilen.

Es darf gefeiert werden, weil der Bekanntheitsgrad durch gezielte Marketing-Maßnahmen wie „Koch mit“ genauso boomt wie die Tafeln selbst.

Angesichts der boomenden Armut klingt da der geäußerte Wunsch, sich am liebsten selbst abzuschaffen, eher wie Hohn.
Das wird auch nicht glaubwürdiger, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass die Tafel Leipzig zusammen mit der ARGE in einem groß angelegten Projekt Langzeitarbeitslose zwangsverpflichtet, um in brachliegenden Schrebergärten Gemüse und Obst anzubauen, zu pflegen und für die Tafel zu ernten. Tafelgärten – Herr Schreber würde sich in seinem Leipziger Grabe umdrehen, wenn er das hören könnte.

Gerd Flegelskamp stellt angesichts dieser Entwicklung die berechtigte Frage:
„Aber sind die Tafeln wirklich eine Hilfe oder gar eine Lösung? Die Antwort ist ein klares “NEIN, weder – noch”. Die Tafeln sind Teil des Vernichtungskonzepts der Sozialstrukturen in Ländern wie Deutschland.“

Ich füge dem hinzu:
Langfristig wird mit dem Tafelkonzept das soziale und humane Engagement vieler kleiner Initiativen erstickt zu Gunsten einer „gut geölten“ Maschinerie, die die von Armut Bedrängten in das gesellschaftliche Aus befördern soll.

Brecht sagt: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ Das mag für Zeiten der allgemeinen Not gelten, aber sicher nicht für Zeiten, in denen der Überfluss der Güter auf den Müllhalden des Wohlstands aufgetürmt vergammelt.

Wer mir nun vorhalten möchte, was denn wäre, gäbe es die Tafel nicht, dem sage ich: „Es ist gut, dass es Ärzte gibt, die im Krieg den Verwundeten helfen. Besser aber wäre, den Krieg und damit die Wunden zu vermeiden.“ (26.05.07 Hajo Freese)

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