Hartz-IV-Widersprüche: Bis zu 70 Prozent Rechtsfehler-Quoten

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Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat die aktuellen Widerspruchs- und Klagequoten gegen Hartz-IV-Bescheide veröffentlicht. Einige Jobcenter haben offenbar besonders “schlampig” gearbeitet.

Weniger Klagen und Widersprüche durch Pandemie

Aufgrund der Corona-Pandemie galten stark vereinfachte Zugangsbedingungen bei Hartz IV. Viele Details wie Vermögen und Angemessenheit der Wohnungen wurden nicht geprüft. Dadurch ist die Anzahl der Widersprüche und Klagen insgesamt in den letzten zwei Jahren zurückgegangen.

Im Jahr 2021 wurden in der Grundsicherung (Jobcenter) 413.600 Widersprüche und 61.400 Klagen eingereicht. Das waren 97.800 Widersprüche bzw. 17.700 Klagen weniger als 2020.

Im letzten Jahr (2022) war jeder dritte Widerspruch erfolgreich. Auch bei den Klagen an den Sozialgerichten waren Hartz-IV-Betroffene in einem Drittel der Fälle erfolgreich.

Fehlerhafte Rechtsanwendung durch Jobcenter

Die Jobcenter mussten in 2022 397.255 Widersprüche bearbeiten. Davon wurden 133.424 stattgegeben (33,6 Prozent), weil der Bescheid rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Leistungsbeziehenden war. Bei 40.739 (30 Prozent) waren die Widersprüche deshalb erfolgreich, weil die Behörden fehlerhafter Rechtsanwendungen begingen.

Jobcenter mit besonders hoher Rechtsfehlerquote

Einige Jobcenter waren in ihrer fehlerhaften Bearbeitung von Anträgen besonders auffällig.

  1. Das Jobcenter Minden-Lübbecke wies eine Rechtsfehler-Quote bei anerkannten Widersprüchen von 100 Prozent auf. Hier erklärte das Jobcenter allerdings, dass es für die Stattgabe eines Widerspruchs viele Gründe gebe. Das interne Software-Programm sehe nur eine Auswahl von fehlerhaften Rechtsanwendungen vor.
  2. Das Jobcenter Esslingen wies ein Rechtsfehler-Quote von satten 70 Prozent auf. Laut der Behörde wurden viele vorläufige Bescheide ausgestellt, die dann im Nachhinein geändert werden mussten.
  3. Beim Jobcenter Saarlouis zeigte sich eine Rechtsfehler-Quote von 65 Prozent. Die Behörde begründete diese hohe Quote mit der Bearbeitung von zahlreichen Altfällen.

Weisungen durch die Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit wies darauf hin, dass sie übergeordnete Behörde Weisungen herausgebe, um Rechtsfehler zu verhindern. Daran müssen sich die Jobcenter halten. Wenn bestimmte Jobcenter hohe Fehlerquoten zeige, würde dem nachgegangen.

Im Jahre 2022 entschieden die Sozialgerichte in 66 598 Hartz-Klagen. In 23 473 verhandelten Fällen (35,25 Prozent) bekamen die Leistungsbeziehenden Recht.

Laut BA wurden vor allem weniger Widersprüche und Klagen im Bereich Regelbedarf/Mehrbedarf sowie Aufhebung und Erstattung erhoben. Ein Rückgang der Widersprüche gab es auch im Bereich Einkommen und Vermögen.

Kaum Widersprüche gegen Sanktionen aufgrund des Sanktionsmoratorium

Nicht verwunderlich ist auch der starke Rückgang der Widersprüche gegen Sanktionen. Das Aussetzen der Sanktionen sorgte nämlich dafür, dass kaum noch Sanktionen ausgesprochen wurden bzw. es sich um “Altfälle” im Klageverfahren handelte. “Während vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 noch knapp 39.900 Widersprüche gegen Sanktionen eingelegt wurden, sank die Zahl auf knapp 8.100 im vergangenen Jahr”, so die BA.

Da die Sanktionen im Bürgergeld wieder eingeführt wurden, ist damit zu rechnen, dass hier wieder die Quote steigen wird. Zudem hat der Gesetzgeber einige Rechtsunsicherheiten beim Bürgergeld (noch) nicht bereinigt.