Jobcenter müssen Tariflohn bei rechtswidrigen Ein-Euro-Jobs zahlen
28.08.2011
Das Bundessozialgericht in Kassel hat erneut die Rechte von Hartz IV Beziehern gestärkt. Wer rechtswidrig einer Ein-Euro-Job-Stelle zugewiesen wurde, kann künftig den vollen Lohn vom Leistungsträger verlangen. Durch das Urteil ist es nun leichter, einstweilige Ansprüche gegenüber den Jobcentern geltend zu machen.
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts in Kassel hat ein wichtiges Signal gegenüber der rechtswidrigen Vergabe von Ein-Euro-Jobs gesetzt. In einem Grundsatzurteil stellten die obersten Richter klar, dass bei der Zuweisung von rechtswidrigen Arbeitsgelegenheiten (sog. Ein-Euro-Job), Hartz IV Empfänger einen Anspruch auf tarifliche Entlohnung haben. Demnach können Arbeitslosengeld II Bezieher künftig die Jobcenter auf Ausgleichszahlung drängen (Aktenzeichen.: B 4 AS 1/10 R), nicht jedoch den „Arbeitgeber“.
Putzen für zwei Euro in der Stunde
Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin Andrea Scott aus Karlsruhe im Jahre 2005 einen Ein-Euro-Job durch die Arge vermittelt. Die Hartz-IV-Bezieherin musste eine Stelle bei der Arbeiterwohlfahrt des Kreisverbandes Karlsruhe-Stadt antreten. Im Rahmen einer 20 Stunden Stelle musste die Klägerin als Reinigungskraft Putztätigkeiten verrichten. Müssen deshalb, weil ansonsten eine Kürzung der Arbeitslosengeld II Zahlung als Sanktion droht. Für diese Tätigkeit bekam die Frau eine Aufwandspauschale von 2 Euro je Stunde. Die Kolleginnen, mit denen Scott arbeitete, erhielten jedoch den tariflich ausgehandelten Lohn ausgezahlt, obwohl sie die gleichen Arbeitstätigkeiten wie Frau Scott verrichteten. Statt sich dieser Ungerechtigkeit zu fügen, legte die Frau zunächst Widerspruch ein und klagte sich mit Hilfe des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB durch alle Instanzen. Denn „ich habe ebenso geputzt, wie alle anderen Frauen auch“, wie die Klägerin vor Gericht betonte. Und die Rechtsanwältin des DGB fügte hinzu: „Deshalb war der Ein-Euro-Job auch rechtswidrig“.
Zusätzlichkeit der Ein-Euro-Jobs
Nach gängiger Rechtsprechung und den Vorgaben des Sozialgesetzbuches müssen Ein-Euro-Jobs „zusätzlich“ sein. Das bedeutet, es dürfen keine regulären Beschäftigungsverhältnisse verdrängt werden und ein allgemein öffentliches Interesse der Allgemeinheit muss bei der Tätigkeit vorhanden sein. Doch „die Arbeitstätigkeiten der Arbeiterwohlfahrt waren nicht zusätzlich“, wie die Anwältin der Klägerin erklärte. Aus diesem Grund steht der Betroffenen mindestens ein Tariflohn von 876 Euro pro Monat zu. Das ist soviel, wie die Kolleginnen von Frau Scott auch ausgezahlt bekamen.
AWO wies Vorwurf zurück
Vor Gericht argumentierte die Gegenseite, dass der Ein-Euro-Job zusätzlich war, weil keine sozialversicherungspflichtige Stelle im Vorfeld abgebaut wurde. Aus diesem Grund sei die Arbeitsgelegenheit nicht als reguläres Arbeitsverhältnis zu werten. Und weil es keinen Arbeitsvertrag gegeben hätte, sei die AWO auch zu keiner Zahlung verpflichtet.
Jobcenter muss bei rechtswidrigen Ein-Euro-Jobs zahlen
Zunächst teilten die Bundesrichter die Auffassung der AWO. Zwar sei die Arbeitsgelegenheit (AGH) in dem verhandelten Fall wahrscheinlich rechtswidrig gewesen, allerdings sei die Einrichtung kein Arbeitgeber im klassischen Sinne, sondern ein „Verwaltungshelfer“ des Leistungsträgers. Daher müsse das Jobcenter als vermittelnde Behörde des Ein-Euro-Jobs, der Klägerin Ersatzzahlungen für die geleistete Arbeit zahlen. Der 4. Senat bekräftigte damit eine Entscheidung des 14. Senats des Gerichts vom April 2011 (Aktenzeichen: B 14 AS 98/10 R). Ob der Ein-Euro-Job tatsächlich nicht zusätzlich war, sondern Tätigkeiten einer regulär beschäftigten Reinigungskraft umfasste, vermochten die Bundessozialrichter nicht entscheiden. Sie verwiesen daher die Klage zur Feststellung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurück. Hier soll über die konkrete Fragestellung erneut verhandelt werden.
Ansprüche leichter durchsetzbar
Der Rechtsexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Max Eppelein, zeigte sich mit der Entscheidung hoch zufrieden. Für Erwerbslose ist es künftig leichter, Ansprüche gegenüber den Hartz-IV-Behörden durchzusetzen, wenn die Vergabe des Ein-Euro-Jobs rechtswidrig war. Dann, so der Jurist, werde mindestens der ortsübliche Mindesttariflohn vom Jobcenter gezahlt.
AWO beschäftigt Ein-Euro-Jober im großen Stil
Die AWO war oft in den Schlagzeilen, weil sie massenweise Ein-Euro-Kräfte beschäftigt. So ermittelten beispielsweise Journalisten des Radiosenders „NDR Info“, dass die AWO Neumünster eine Service GmbH als Tochterfirma gründete und Hartz IV Bezieher in der Betreuung von bedürftigen Senioren einsetzt. Während die AWO Service GMBH für die Betreuung von den Senioren 8 Euro in der Stunde verlangt, erhalten die eingesetzten Hartz IV Bezieher etwas mehr als einen Euro. (sb)
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Bild: Rainer Aschenbrenner / pixelio.de
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