Spart sich das Unternehmen Amazon durch die Einrichtung einer Praktikumszeit Lohnkostenzahlungen auf Kosten des Steuerzahlers? Hartz IV Bezieher müssen zwei Wochen ohne Lohn arbeiten.
28.10.2011
Die Arbeitsagentur im Kreis Unna vermitteln derzeit Hartz IV und Arbeitslosengeld I Bezieher an den Internetgiganten Amazon. Nach Auskunft der Arge sucht das Unternehmen „saisonbedingt“ hunderte, wenn nicht tausende Aushilfskräfte für die Auslieferung der Waren in der Vorweihnachtszeit. Daher finden derzeit sogenannte „Informationsveranstaltungen für Versandmitarbeiter“ mit je 80 bis 90 Teilnehmern pro Veranstaltung direkt bei "Amazon Werne" statt. Nach Informationen eines Betroffenen müssen die Vermittelten zunächst ein nicht-vergütetes Praktikum absolvieren und damit auf eine normale Bezahlung verzichten. Stattdessen werden in dieser Zeit die Hartz IV Leistungen sowie Fahrtkostenzuschüsse vom Jobcenter bezahlt. Wer das „Praktikum“ ablehnt, muss mit Sanktionen in Form von massiven Leistungskürzungen rechnen. An den Veranstaltungen nehmen als „Vermittler“ auch die Mitarbeiter der Arbeitsagentur teil.
Nach Auskunft der Arge werden derzeit gut 500 Arbeitslose aus dem Kreis Unna für Versandtätigkeiten des Internethändlers „Amazon“ vermittelt. Hinzu kommen noch einmal etwa 200 Erwerbslose aus den umliegenden Regionen. Demnach vermittelt die Arbeitsagentur derzeit mindestens 700 Menschen für Amazon. Das Unternehmen selbst spricht davon, etwa 2000 „saisonale Kräfte“ zu benötigen. Auch im Bereich des Wareneingangs, der Einlagerung und Verpackung würden weitere Arbeitnehmer gesucht. Nur einige Hundert der Vermittelten hätten aber längerfristig die Aussicht auf eine Weiterbeschäftigung. Das Brisante an der Vermittlung: Den (unfreiwilligen) Bewerbern wird in den Informationsveranstaltungen gesagt, dass sie zunächst ein zweiwöchiges Praktikum absolvieren müssen. Erst danach wird über die Weiterbeschäftigung abschließend entschieden. Mit anderen Worten: Die Betroffene müssen die unentgeltliche Probearbeit annehmen, obwohl ihnen für diese Zeit keine Vergütung von Amazon gezahlt wird. Weigert sich ein „Vermittelter“, so muss dieser mit rigerosen Hartz IV Leistungskürzungen zwischen 30 oder sogar 100 Prozent rechnen. Während der Probezeit werden lediglich die Arbeitslosengeld I oder II Bezüge plus Fahrtkosten bezahlt. „Amazon spart sich die Lohnzahlung auf Kosten des Steuerzahlers“ sagt ein Betroffener, der seinen Namen nicht öffentlich nennen lassen will. Es ist zudem unverständlich, warum bei einer voraussichtlichen dreimonatigen Beschäftigungszeit noch eine Praktikumszeit veranschlagt wird. „Und das bei einer Tätigkeit, die nicht sonderlich viel Fertigkeit und Wissen erfordert“, kritisiert Karin B., die ebenfalls zum Versandhändler Amazon vermittelt wurde.
„Hier wird auf dem Rücken der Betroffenen und des Steuerzahlers Geld zu Gunsten von Amazon verschwendet“, beklagt sich Karin B. Für die Arge ist die Praxis nicht ungewöhnlich und nach Meinung einer Sprecherin „im Sinne des Gesetzgebers“. Schließlich habe der Arbeitgeber das Recht zunächst einen Bewerber im Rahmen eines Praktikums zu beurteilen. „Das ist gängige Praxis.“ Was denn sei, wenn man keine staatlichen Sozialleistungen erhält, fragte ein Betroffener nach eigenen Angaben während einer der Infoveranstaltungen bei Amazon. „Dann wird von der ersten Stunde normal bezahlt“ war angeblich die Antwort. Hier drängt sich die Frage auf, warum ein Subventions-System auf Staatskosten zugunsten des weltweit agierenden Internetunternehmens betrieben wird. Selbst wenn jemand nach dem „Praktikum“ eingestellt und auch nach dem Weihnachtsgeschäft weiterbeschäftigt wird, muss dieser weiterhin von aufstockenden Hartz IV-Leistungen leben. Das Problem ist auch bei der Arbeitsagentur bekannt, dies sei ein grundsätzliches Problem und habe nichts mit Amazon zu tun, sagt man dort gegenüber der regionalen Presse. „Aber Amazon und die Arge sind ein Teil des Problems, weil sie menschliche Arbeitskraft zu Dumpinglöhnen ausbeuten und in den ersten zwei Wochen noch nicht einmal normal vergüten. Das Grundrecht der Menschen wird mit Füßen getreten. Wer sagt, er wolle sich nicht ausbeuten lassen, wird sanktioniert.“ kritisiert Sebastian Bertram von „gegen-hartz.de“. (sb)
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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