Hartz IV Hungerstreik: Ein Interview

Lesedauer 2 Minuten

Hartz IV Hungerstreik in Offenburg: “Wir hungern eigentlich schon seit Wochen!”

Seit heute unternehmen zwei Offenburger Hartz IV Bezieher einen unbefristeten Hungerstreik. Beide fordern demokratische Kontrollinstanzen der Hartz IV Behörden und protestieren gegen ihre drohende Obdachlosigkeit. Die Gegen-Hartz.de Redaktion führte mit Günter Melle folgendes Interview:

Seit heute befinden Sie sich im Hungerstreik. Was hat Sie dazu veranlasst eine derart drastische Protestform zu wählen?
Wir hungern eigentlich schon seit Wochen, weil uns die Unterkunftskosten gekürzt, bzw. bei der Familie Scavelli erst gar nicht gewährt wurden. Die Familie habe ich in meiner von der Behörde als unangemessen betrachtete Wohnung aufgenommen und teile nun auch so gut es geht die Nahrung mit ihr. Wir haben den Spieß einfach umgedreht und aus einem aufgezwungen, einen politisch bewussten Hungerstreik gemacht.

Gab es bereits Reaktionen von Seiten der Arge auf Ihre Ankündigung in einen Hungerstreik zu treten?
Reaktionen gab es noch keine, da nun mal zwischen unserem, in die Tat umgesetzten Entschluss, das Wochende lag. In die Tat umsetzen bedeutete, dass wir uns einer Basisolidarität versichern und dies in organisatorische Formen bringen mussten.

Welche Forderungen müssten erfüllt werden, damit Sie den Hungerstreik abbrechen?

Sie stehen in unserer Erklärung: Wir wollen eine Garantie der Rechtssicherheit in Bezug auf unsere Wohnung. Weiterhin bestehen wir auf ein Vis à vis mit den Verantwortlichen der sozialen Zustände im Ortenaukreis, um sie zu thematisieren und nach Lösungen für die brennendsten Probleme zu suchen. So gibt es beispielsweise keine demokratische Kontrolle der Hartz iV-Behörde. Sie kann in ihrem Interesse tun und lassen, was sie will. Der schwarzgelbe Filz im Kreisrat segnet jede geschönte Situationsbeschreibung bezüglich von Hartz IV ab. Die Gemeinden bedienen sich eifrig der 1-€-Jobs, beuten billigst Armut da aus, wo noch Verwertbarkeit der Arbeitskraft vermutet wird. Und schwarze CDU Bürgermeister sichern das ganze mit sozialrassistischer Ideologie ab.

Es gibt in den sozialen Bewegungen Vorbehalte gegen die Widerstandsform Hungerstreik, da man sich selbst stark gesundheitlich gefährdet. Konnte beispielsweise auf dem Klageweg oder mit anderen Protestformen nichts erreicht werden?
Bevor wir in den Hungerstreik gingen haben wir natürlich den Rechtsweg beschritten und ohne Erfolg Gespräche mit der Gemibau geführt. In meiner Angelegenheit wurde sogar über einen erwirkten Eilantrag erheblich nachgebessert. Das ändert aber nichts an der Situation, dass die Wohnungssituation von mir und der Familie Scavelli zufriedenstellend geklärt wäre. Wenn es Vorbehalte gegen die Widerstandsform Hungerstreik innerhalb mancher sozialer Bewegungen gibt, ist das darauf zurückzuführen, dass solche Bewegungen keine wirklichen Schnittstellen zu unseren Lebenssituationen haben.

Hartz IV kennt eben auch hierarchisch strukturierte Lebenslagen. Manche kommen z.B. noch mit dem sog. Armutsgewöhnungszuschlag oder Schonvermögen über die Runden. Andere sind bereits schon in Richtung absoluter Armut gedrückt. Da ich selbst als gewerkschaftlicher Hartz iV – Berater in einer Beratungsstelle mitarbeite, ist Hunger in Hartz IV für mich nichts neues. Innerhalb der sozialen Bewegung der Erwerbs- und Wohnungslosen vor Ort stießen wir jedenfalls nicht auf Vorbehalte, sondern auf Verständnis und Unterstützung.

Werden Sie von Freunden und Mitstreitern unterstützt?
Wir werden unterstützt von einem breiten Umfeld an sozialen Organisationen, das von den Gewerkschaften bis zu den Kirchen reicht.

Wie können andere Menschen Sie unterstützen?
Unterstützung wäre jetzt erstmal angesagt mit Protestmails und Faxe an die Kommunale Arbeitsförderung Ortenaukreis, vielleicht auch Telefonanrufe an das Landratsamt Ortenaukreis unter: Kommunale Arbeitsförderung Ortenaukreis, Telefon 0781 805-9321, E-Mail: arbeitsfoerderung@ortenaukreis.de und Landratsamt Ortenaukreis Telefon: 0781 805-0
Dann wünschten wir uns natürlich für die geplanten Aktionen vor Ort, die auf unserem Blog angekündigt werden, Unterstützung von den Leuten die vor Ort mit uns solidarisch sind. (Abdruck frei, 29.03.2010)

Nachtrag durch die Redaktion: Da der Blog mittlerweile nicht mehr erreichbar ist, wurde der Link entfernt. (Stand 24.05.2019)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...