Hartz IV Hungerstreik: Ein Interview

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Hartz IV Hungerstreik in Offenburg: “Wir hungern eigentlich schon seit Wochen!”

Seit heute unternehmen zwei Offenburger Hartz IV Bezieher einen unbefristeten Hungerstreik. Beide fordern demokratische Kontrollinstanzen der Hartz IV Behรถrden und protestieren gegen ihre drohende Obdachlosigkeit. Die Gegen-Hartz.de Redaktion fรผhrte mit Gรผnter Melle folgendes Interview:

Seit heute befinden Sie sich im Hungerstreik. Was hat Sie dazu veranlasst eine derart drastische Protestform zu wรคhlen?
Wir hungern eigentlich schon seit Wochen, weil uns die Unterkunftskosten gekรผrzt, bzw. bei der Familie Scavelli erst gar nicht gewรคhrt wurden. Die Familie habe ich in meiner von der Behรถrde als unangemessen betrachtete Wohnung aufgenommen und teile nun auch so gut es geht die Nahrung mit ihr. Wir haben den SpieรŸ einfach umgedreht und aus einem aufgezwungen, einen politisch bewussten Hungerstreik gemacht.

Gab es bereits Reaktionen von Seiten der Arge auf Ihre Ankรผndigung in einen Hungerstreik zu treten?
Reaktionen gab es noch keine, da nun mal zwischen unserem, in die Tat umgesetzten Entschluss, das Wochende lag. In die Tat umsetzen bedeutete, dass wir uns einer Basisolidaritรคt versichern und dies in organisatorische Formen bringen mussten.

Welche Forderungen mรผssten erfรผllt werden, damit Sie den Hungerstreik abbrechen?

Sie stehen in unserer Erklรคrung: Wir wollen eine Garantie der Rechtssicherheit in Bezug auf unsere Wohnung. Weiterhin bestehen wir auf ein Vis ร  vis mit den Verantwortlichen der sozialen Zustรคnde im Ortenaukreis, um sie zu thematisieren und nach Lรถsungen fรผr die brennendsten Probleme zu suchen. So gibt es beispielsweise keine demokratische Kontrolle der Hartz iV-Behรถrde. Sie kann in ihrem Interesse tun und lassen, was sie will. Der schwarzgelbe Filz im Kreisrat segnet jede geschรถnte Situationsbeschreibung bezรผglich von Hartz IV ab. Die Gemeinden bedienen sich eifrig der 1-โ‚ฌ-Jobs, beuten billigst Armut da aus, wo noch Verwertbarkeit der Arbeitskraft vermutet wird. Und schwarze CDU Bรผrgermeister sichern das ganze mit sozialrassistischer Ideologie ab.

Es gibt in den sozialen Bewegungen Vorbehalte gegen die Widerstandsform Hungerstreik, da man sich selbst stark gesundheitlich gefรคhrdet. Konnte beispielsweise auf dem Klageweg oder mit anderen Protestformen nichts erreicht werden?
Bevor wir in den Hungerstreik gingen haben wir natรผrlich den Rechtsweg beschritten und ohne Erfolg Gesprรคche mit der Gemibau gefรผhrt. In meiner Angelegenheit wurde sogar รผber einen erwirkten Eilantrag erheblich nachgebessert. Das รคndert aber nichts an der Situation, dass die Wohnungssituation von mir und der Familie Scavelli zufriedenstellend geklรคrt wรคre. Wenn es Vorbehalte gegen die Widerstandsform Hungerstreik innerhalb mancher sozialer Bewegungen gibt, ist das darauf zurรผckzufรผhren, dass solche Bewegungen keine wirklichen Schnittstellen zu unseren Lebenssituationen haben.

Hartz IV kennt eben auch hierarchisch strukturierte Lebenslagen. Manche kommen z.B. noch mit dem sog. Armutsgewรถhnungszuschlag oder Schonvermรถgen รผber die Runden. Andere sind bereits schon in Richtung absoluter Armut gedrรผckt. Da ich selbst als gewerkschaftlicher Hartz iV – Berater in einer Beratungsstelle mitarbeite, ist Hunger in Hartz IV fรผr mich nichts neues. Innerhalb der sozialen Bewegung der Erwerbs- und Wohnungslosen vor Ort stieรŸen wir jedenfalls nicht auf Vorbehalte, sondern auf Verstรคndnis und Unterstรผtzung.

Werden Sie von Freunden und Mitstreitern unterstรผtzt?
Wir werden unterstรผtzt von einem breiten Umfeld an sozialen Organisationen, das von den Gewerkschaften bis zu den Kirchen reicht.

Wie kรถnnen andere Menschen Sie unterstรผtzen?
Unterstรผtzung wรคre jetzt erstmal angesagt mit Protestmails und Faxe an die Kommunale Arbeitsfรถrderung Ortenaukreis, vielleicht auch Telefonanrufe an das Landratsamt Ortenaukreis unter: Kommunale Arbeitsfรถrderung Ortenaukreis, Telefon 0781 805-9321, E-Mail: arbeitsfoerderung@ortenaukreis.de und Landratsamt Ortenaukreis Telefon: 0781 805-0
Dann wรผnschten wir uns natรผrlich fรผr die geplanten Aktionen vor Ort, die auf unserem Blog angekรผndigt werden, Unterstรผtzung von den Leuten die vor Ort mit uns solidarisch sind. (Abdruck frei, 29.03.2010)

Nachtrag durch die Redaktion: Da der Blog mittlerweile nicht mehr erreichbar ist, wurde der Link entfernt. (Stand 24.05.2019)