Hartz IV: DGB, FDP, Grüne und Linke fordern Reformen bei den Sanktionen

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In ungewöhnlicher Einigkeit fordern der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), Bündnis 90/Die Grünen und die FDP eine Entschärfung der Sanktionen bei Hartz IV. Die Linke spricht sich hingegen weiterhin für eine vollständige Abschaffung des Sanktionsregimes aus.

Genau ein Jahr nach dem weitreichenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nachdem nicht mehr als 30 Prozent des Regelbedarfs sanktioniert werden darf, sprechen sich der DGB, Grüne und die FDP für weitergehende Entschärfungen aus.

Bundesarbeitsminister hat bis heute keine Reformen umgesetzt

Der Grünen-Sozialexperte Sven Lehmann mahnte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, dass der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bis heute das Verfassungsurteil zu den Hartz-IV-Sanktionen nicht umgesetzt habe. Noch am Tag der Urteilsverkündung hatte Heil angekündigt, dass die SPD zügig mit der Union verhandeln wolle. “Das Grundsatzurteil erfordere eine Weiterentwicklung des Sozialstaates”, sagte der Minister damals. Bis heute ist nichts geschehen. Auch das DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel forderte von der Bundesregierung, dass die “die dringend erforderliche Gesetzesnovelle auf die lange Bank” geschoben werden sollte.

Nur eine Weisung entschärfte Sanktionen

Hartz-IV-Bezieher dürfen seit dem Urteil im November letzten Jahres auch bei einem wiederholten Fehlverhalten bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nicht mehr vom Jobcenter mit einer Arbeitslosengeld-II-Kürzung von mehr als 30 Prozent bestraft werden. Die bisherigen starren Vorschriften, welche zwingend für drei Monate stufenweise Sanktionen von bis zu 100 Prozent vorsehen, sind unverhältnismäßig und verletzen das vom Staat zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum, urteilten die obersten Verfassungsrichter. Seit dem Urteil wurden die Sanktionen lediglich per Weisung des Bundesarbeitsministeriums entschärft.

Der Grünen-Politiker Lehmann sagte: “Dass die Jobcenter immer noch angehalten sind, Sanktionen bei Meldeversäumnissen oder Pflichtverletzungen zu verhängen, ist absurd.” Durch die Corona-Krise würden Menschen mit keinem oder geringem Einkommen besonders hart getroffen. “Umso dringlicher ist es, sofort ein Sanktionsmoratorium bis zur gesetzlichen Neuregelung zu verhängen.”

Regelsätze bei Hartz IV auf “Kante genäht

Das DGB-Vorstandsmitglied Piel sagte der dpa: “Die Hartz-IV-Regelsätze sind auf Kante genäht, deshalb wird mit jeder einzelnen Sanktion das Existenzminimum der Leistungsempfänger unterschritten.” Aus diesem Grund müsse der Gesetzgeber dringend nachbessern. So sollten Leistugsbezieher beispielsweise nicht mehr dazu gezwungen werden prekäre Arbeitsverhältnisse anzunehmen. Derzeit werden Leistungskürzungen bei abgelehnten Jobangeboten ausgesprochen.

Bundesagentur für Arbeit für Beibehaltung der Sanktionen

Seitens der Bundesagentur für Arbeit regt sich Widerspruch gegen weitreichende Reformen. So sagte sprach sich Vorstandschef der BA, Detlef Scheele für die Beibehaltung der Sanktionen aus. “Wir brauchen eine Handhabe, wenn sich Einzelne entziehen und zum Beispiel Termine nicht wahrnehmen.”

Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, spricht sich ebenfalls für eine Beibehaltung der Sanktionen aus. “Ein gänzlicher Verzicht auf Sanktionen wäre das bedingungslose Grundeinkommen durch die Hintertür”, sagte er gegenüber der dpa. Dennoch seien Reformen notwendig. So sollten junge Leistungsbezieher unter 25 bei Sanktionen verpflichtend einen “Coach” von der Jugendhilfe zur Seite gestellt bekommen. Dem Bundesarbeitsminister fehle “jedes Interesse an Verbesserungen für die Menschen in Hartz IV”. Seit dem Teilhabechancengesetz im Jahre 2018 habe sich der Minister nicht mehr um Hartz IV gekümmert.

Linke fordert gänzliche Abschaffung des Sanktionsregimes

„Seit Einführung von Hartz IV hat DIE LINKE immer wieder deutlich gemacht, welche verheerenden Folgen Sanktionen haben. Verschiedene Studien, die die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages ausgewertet haben, ergeben: Zu den Folgen von Sanktionen gehören mangelnde Ernährung, familiäre Spannungen, Verlust der Wohnung, erheblich eingeschränkte Teilhabemöglichkeiten, Abbruch von Kontakten mit dem Jobcenter, demütigende und lähmende Wirkung. Sanktionen befördern Vereinsamung und gefährden die Gesundheit“, erklärt Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Daher spreche sich die Linke weiterhin für die gänzliche Abschaffung der Hartz IV Sanktionen aus.

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