Hartz IV-Behörde treibt Schulden bei Kindern ein

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Die Sozialbehörden in Lübeck treiben "Schulden" bei kleinen Kindern ein

06.11.2012

Immer öfter verschicken Jobcenter Mahnschreiben und Schuldenbriefe an Kinder in Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften. Aus diesem Grund hat sich der Sozialausschuss der Stadt Lübeck mit zwei Anträgen der Grünen befasst. Diese fordern eine Abschaffung von „Mahnschreiben an Kinder, in denen Zwangsmaßnahmen angekündigt werden“. Denn die Behörden handeln dabei höchst rechtswidrig.

So berichtete Rolf Klinkel, Fraktionsvize der Grünen und sozialpolitischer Sprecher beispielsweise über einen Fall, in dem ein Achtjähriger aufgefordert wurde, innerhalb von einer Woche insgesamt 2.163 Euro an das Lübecker Jobcenter zu zahlen. „Mit einem solchen Schreiben jagte die Arbeitsbehörde einem achtjährigen Jungen und dessen Mutter Angst und Schrecken ein", kritisierte Klinkel. Am 1. November kassierte die Behörde für die Tilgung der Schulden dann tatsächlich 75 Euro von den geringen Hartz IV Leistungen des Kindes. Die Sozialbehörde bestimmte sogar, dass diese Kürzungen sechs Monate lang dauern sollen. Während dieser Zeit wurde der Achtjährige gezwungen mit 176 Euro im Monat ein menschenunwürdiges und geradezu erbärmliches Leben zu fristen.

„Ich bin entsetzt, dass eine soziale Behörde für Schuldentilgungen Kindern Geld wegnimmt und einem achtjährigen Jungen damit die wirtschaftliche Existenzgrundlage für ein menschenwürdiges Leben entzieht. Für mich ist es unverständlich, dass das Jobcenter überhaupt Schulden bei Kindern eintreibt.“, kritisierte der Politiker. Eine solche Handhabe seitens der Behörde ist jedoch rechtswidrig, denn das Bundesverfassungsgericht hatte schon in den 90er Jahren die Pfändung bei Kindern und Jugendlichen streng untersagt.

Minderjährige müssen keine Schulden zurückzahlen, Demnach darf niemand (auch nicht das Jobcenter) bei Kindern und Jugendlichen Schulden eintreiben, tilgen oder ihnen Mahnungen schicken. „Als ich von der Kürzung erfuhr, setzte ich mich erfolgreich für die Aufhebung der Pfändung der Sozialleistungen des Schülers und für die Auszahlung der dafür einbehaltenen Unterstützungsleistungen ein. Nach meiner Meinung handelt es sich hier aber nicht um einen Einzellfall sondern um die Spitze eines Eisbergs“, erklärte Klinkel vor dem Sozialausschuss.

Kein Einzellfall von Behördenwillkür gegenüber Kindern
Denn dabei handelte es sich keineswegs um einen Einzellfall. In einem anderen Fall musste ein zehnjähriges Mädchen seitens der Sozialbehörde monatlich zehn Euro vom Hartz IV Regelsatz abzahlen. Dieses habe eine Rechtsvertreterin der Behörde in einem außergerichtlichen Vergleich durchgesetzt. „Für die Zustimmung wurde die Mutter erheblich unter Druck gesetzt. Ich finde es erbärmlich, dass die Prozessbevollmächtigte einer sozialen Arbeitsbehörde Kinder nicht vor illegalen Schuldentilgungen schützt und stattdessen ein zehnjähriges Mädchen dazu zwingt, einen Teil ihrer unzureichenden Hartz IV Leistungen beim Jobcenter abzuliefern.“

Wie sich Kinder und Eltern wehren können
Nicht nur die Lübecker Hartz IV-Behörden fordern Gelder von Minderjährigen zurück. Zur gängigen Praxis der Jobcenter gehört es, Rückforderungsbescheide für jedes Mitglied einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft auszustellen. Eltern können bei einem solchen Begehren sich allerdings zur Wehr setzen. Per Gesetz ist eine „Einrede nach §1629a BGB“ möglich. Somit kann die Haftung des Minderjährigen auf das Vermögen, dass er mit Eintritt in die Volljährigkeit hat, beschränkt werden. Als Mustertext kann folgende Formulierung verwendet werden:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie machen gegen mich eine Forderung von EUR …. geltend. Ich vollende am …. das 18. Lebensjahr und lege hiermit die Einrede der Beschränkung der Minderjährigenhaftung gem. § 1629a BGB ein. Ich verfüge über keinerlei Vermögen. Aus diesem Grund bitte ich Sie, die Forderung gegen mich nicht weiter zu verfolgen und mir eine entsprechende Bestätigungsmitteilung zuzusenden. Mit freundlichen Grüßen“

Reagiert das Jobcenter nicht positiv, ist anzuraten, sich an eine Schuldnerberatungsstelle (am Besten der Diakonie oder Caritas) oder an eine unabhängige Erwerbslosen-Beratungsstelle zu wenden, um die nächsten Schritte zu besprechen. Allerdings hat sich in der Praxis die sogenannte Einrede gegenüber Hartz IV-Behörden bewährt, so dass in den meisten Fällen das Jobcenter seine Forderungen fallen lassen wird. (wm)

Bild: Alexander Altmann / pixelio.de