Jetzt wird schon Hartz4-Kindern fiktives Einkommen vom Lebensbedarf abgezogen: Reichen 24 Euro für ein Kind zum Leben?
(pr-sozial) Die ARGE München Mitte scheint gar keine Grenzen mehr zu kennen, Einsparungen an unfreiwilligen Hartz4-Empfängern vorzunehmen, jetzt sind die Kinder dran: Zwei Kindern in München wurden für April Kindesunterhalt als Einkommen abgezogen, welcher den Kindern noch nie gezahlt wurde.
Durch die Geburt des ersten Kindes wurde die Mutter durch die notgedrungene Aufgabe ihrer Firma von Sozialgeldern abhängig, leitete bereits im Kindergartenalter des ersten Kindes eine Qualifizierung zur Berufsrückkehr, doch dann kam das zweite, damals kein Wunschkind doch heute natürlich zutiefst geliebt. Als dieses dann in den Kindergarten gehen konnte, kümmerte sich die allein erziehende Kauffrau, die noch nie Unterhalt für die Kinder erhalten hatte, um eine berufliche Qualifikation, unabdingbar da sie mit kleinen Kindern nicht wieder selbständig arbeiten konnte, holte einen Berufsabschluss und extern das Fachabitur nach, und bemühte sich intensiv um ihre Berufsrückkehr. Da die Kinder, heute 7 und 11, sie noch vermehrt brauchen nahm sie alles in Kauf, was der Teilzeitberufsmarkt anbietet: Unbezahltes Praktikum um den Einstieg zu finden und fast immer befristet angebotene Arbeitsverträge. Mittlerweile ist sie auf Eigeninitiative von einer Personalfirma erfolgreich in eine Teilzeitstelle vermittelt, was für die Familie langsam wieder mittelfristige Planungen erlaubt.
Ab April hatte sie beantragt von der Beistandschaft des Jugendamtes, falls Kindesunterhalte eingehen, diese direkt auf ihr Konto überwiesen zu bekommen und direkt mit der ARGE abzurechnen, um Einblick in die der Familie verfügbaren Gelder zu bekommen und den Austritt aus der Abhängigkeit von Hartz4 berechnen und planen zu können. Bisher verrechnete die ARGE Unterhalt direkt mit der Beistandschaft, so dass die Kinder zwar pauschal mit dem Lebensbedarf nach ALG2 versorgt wurden, aber dafür die Mutter der Willkür der Sachbearbeiter stets ausgeliefert war: Androhungen der Nichtkooperation wenn die Mutter sich rein willkürlich gesetzten Termine verweigern wollte, unangemeldete unbegründete Leistungseinstellungen, Verstösse gegen das Persönlichkeitsrecht, indem die Mutter Unterlagen vorlegen oder unterschreiben sollte, die nichts mit der Ermittlung des Einkommens und der Bedürftigkeit der Familie zu tun haben. „Es ist, als ob man sich wie es dem Sachbearbeiter beliebt, auf Zuruf nackt ausziehen muss", beschreibt die Mutter den Zustand. „Ich sollte sogar Kindesunterhalt, der ja nie einging, an die ARGE abtreten – Kindesunterhalt kann meines Erachtens zwar für die Dauer des ALG2-Bezuges als Einkommen verrechnet, nicht aber pauschal und insbesondere nicht für die Zukunft abgetreten werden, das wäre grundgesetzwidrig."
Umgehend wurde den Kindern seitens der ARGE München Mitte die den Kindern zwar zustehenden, aber vom Jugendamt nur teilweise beigetriebenen Kindesunterhalte in voller Höhe als Einkommen verrechnet. Dies bedeutet im Klartext:
Die zwei Kinder erhalten bis dato keinen Unterhalt, die ARGE zieht diesen jedoch fiktiv in Höhe von 366,00 Euro vorab vom Betrag zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab, somit verbleiben den beiden Kindern mit Bescheid zum April zum Lebensunterhalt zusammen 48,00 Euro, dies sind 24,00 Euro pro Kind. Der von vielen Stellen als ebenfalls zu gering anerkannte Betrag zum Leben beträgt je 207,00 Euro. Damit ist in jeder Hinsicht das Sozialrecht der Kinder auf den Mindestbedarf verletzt. Klar ist auch, dass die Mutter nun die Entscheidung treffen muss ob sie für April erst einmal die Miete zahlt oder das Geld benutzt, um den realen Lebensbedarf der Kinder im laufenden Monat zu decken. Hungern kann sie die Kinder nicht lassen, laufende Rechnungen wollen auch bezahlt sein damit dies nicht anderweitig negative Konsequenzen hat, die Nichtzahlung der Miete bedeutet aber eventuell die Kündigung durch den Vermieter und Wohnungslosigkeit – die ARGE nimmt diese Zwangssituation offensichtlich nicht nur in Kauf, sondern forciert einen Wohnungsverlust der Familie.
Perfide daran ist, dass die Mutter zwar mit gut 700 Euro Nettoeinkommen selbst ihren Lebensunterhalt bestreiten könnte, aufgrund der hohen Wohnungskosten in München und den Bemessungsschlüsseln, die bei Kinderzuschlag- und ALG 2-Berechnung unterschiedlich angesetzt sind, nicht einmal Kinderzuschlag erhalten würde und Wohngeld zu knapp bemessen ist, um einen Ausstieg aus Hartz4 zu ermöglichen. So wird sie stets wieder solchen willkürlichen Berechnungen unterworfen, gegen die anzugehen viel Zeit und Kraft rauben, welche viel mehr die Kinder und der solide Auf- und Ausbau der Erwerbstätigkeit brauchen würden. Was aufwändige Widerspruchsverfahren für einen allein verantwortlichen Elternteil bedeuten, welcher sowohl arbeitet als auch die Betreuung der Kinder leistet, mag nur ermessen, der diese Lebensform selbst praktiziert oder im engsten Kreis miterlebt hat: Vollkommen allein für das seelische und finanzielle Management der kleinen Familie zuständig, in der Arbeit gute Leistung bringen, sich mit Vorurteilen besonders der rigorosen Aussortierung ("alleinerziehend und arbeitend? Ach, da haben Sie natürlich für die Kinder keine Zeit") des traditionellen Schulsystems auseinandersetzen müssen, nachts im Internet nebenbei Sozialrecht studieren, dabei stets finanziell am Abgrund: Eine Aufgabe, die eigentlich fast nicht zu bewerkstelligen ist. "Die Kinder geben mir, trotz aller Anstrengung und Erschöpfung, doch immer wieder die Kraft, weiterzumachen. Ein Leben in Achtung und Würde steht Allen zu – insbesondere aber den Kindern, für die wir als Erwachsene verantwortlich sind. Wir müssen alle erkennen, dass wir jetzt die Grundsteine für die Welt von Morgen legen, und dass wir mit unserem Tun, unserem sozialen Vorbild und unserer geäußerten und praktizierten Haltung jeder Einzelne mit entscheiden, wie diese Welt aussehen wird", sagt die Mutter, die sich durch die gemachten Erfahrungen glücklich schätzt, den Glauben als Kraftquelle gefunden zu haben, ohne den sie so manch harte Zeit und!
Entwürdigung nicht überstanden hätte. „Oft komme ich weit über meine Grenzen, die Kinder sind durch die schwierige Lebenssituation und die gemachten Erfahrungen auch nicht gerade einfach, sie merken natürlich immer wieder die Spannungen und Anstrengungen, auch die Missachtung, die ihrer Mutter gegenübergebracht wird. Ich glaube fest daran, dass die Würde des Menschen unantastbar und unveräußerlich ist – doch es sind viele die es benötigt, der Entwürdigung Widerstand zu leisten um dieses zu erreichen".
Am meisten würde sie sich eine unabhängige Aufsicht und Kontrolle für die ARGEn wünschen, so dass nicht die Bezieher, die nichts lieber täten als aus dem Zustand der Bedürftigkeit wieder herauszukommen, sämtliche Lebensenergien mit Widersprüchen und Klagen aufbrauchen müssen, sondern gerade menschenrechtliche Verstösse der ARGEn geahndet werden, notfalls Sachbearbeiter und Gruppenleiter hart angemahnt und auf Stellen versetzt werden an denen sie „nichts anstellen können". „Wer eine Position einnimmt in der er ausserordentliche Macht über das Schicksal von Menschen hat und diese destruktiv gebraucht und damit missbraucht, hat dort nichts zu suchen", meint die ehemalige Trainerin für Kundenservice und Kommunikation, die über die Verhaltens- und Vorgehensweisen der Sachbearbeiter und Inschutznahme durch die höheren Stellen der ARGE München entsetzt ist. (CH, München- 01.04.07)
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