Hartz IV: ALG Computerpanne nur ein Zufall?

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War der Computerausfall bei der Bundesagentur für Arbeit am Jahresende 2006 wirklich nur eine Panne?
von Anna Fleischer

Das neue Jahr hatte bei manchem Hartz-VI-Empfänger wegen einer Computerpanne bei der Bundesagentur für Arbeit ohne Geld begonnen. Was war passiert, dass Menschen, die kaum Geld zum Leben haben, nach den vorausgegangenen Weihnachtsfeiertagen am 01.01. des neuen Jahres ohne jegliche Mittel dastanden?

Schuld war ein Ausfall von Computern bei der BA am 28.12.2006. Warum aber wurde der Fehler öffentlich nicht bekannt gegeben? Betroffene hätten sich zumindest frühzeitig darauf einrichten können. Stattdessen erwartete mich am 3. Jan. Stress + Ärger beim Amt, wo man sich taub und dumm stellte. Denn eigentlich hätte auch mein Amt vom Ausfall der Computer bei der BA wissen müssen, zu dem heise.de bereits am 28. und 30.12.2006 berichtet hatte. Am 30.12.2006 hatte Heise gemeldet: Aus dem Umfeld der BA hieß es, dass ein Update der Datenbank, auf die A2LL zugreift, dazu geführt habe, dass das Dialogverfahren abgeschaltet werden musste. Damit seien Erst- und Folgeanträge sowie die Bewilligung von Leistungsänderungen nicht möglich gewesen, während laufende Regelzahlungen von dem Problem nicht betroffen wären.

Wie viele ALG II Bezieher davon betroffen waren, lässt sich nicht sagen, zumal auch unsere Presse dem Problem nicht nachgegangen war. Allein die Frankfurter Rundschau griff das Thema aufgrund von Aussagen in meiner Rede bei der „Wasch- und Rasieraktion“ am 2. Januar vor der Staatskanzlei in Mainz auf. Die FR befragte dazu den zuständigen Abteilungsleiter unserer Sozialbehörde, Wolfgang Werner, dem Tatsachen anscheinend nicht so wichtig erscheinen oder gar fremd sind. Fazit seiner Erklärung war: Ich hätte bei der Antragsstellung zwar alles richtig gemacht, wäre aber selbst Schuld gewesen, weil ich nicht reden oder lesen könne und in Wiesbaden wären nur weniger als 50 Personen betroffen. Erst Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland gab mir in der ersten Januarwoche den entscheidenden Hinweis zum Problem bei der BA. Auch er, wie andere ALG II Beziehern in NRW, bekamen zum 1. Januar kein Geld.

Siehe: Hartz IV-Software A2LL ausgefallen, und A2LL nicht Schuld an Computerpanne der ArbeitsagenturIn Folge allgemeiner Nichtinformation kommen Fragen auf. War die am 28.12.2006 aufgetretene Computerpanne bei der Bundesagentur für Arbeit wirklich nur ein technisches Problem? Kann es sein, dass der technische Fehler eine Schönheitskorrektur in der Hartz IV Jahresbilanz 2006 begünstigt?

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Warum zog Frank-Jürgen Weise, der Chef der BA, drei Tage vor der Computerpanne in einem Agenturgespräch vorauseilend eine positive Bilanz der Hartz-Reformen? Obgleich aus mehreren Untersuchungen und jüngsten Studien hervorgeht, dass die Hartz-Reformen keineswegs für ein erfolgreiches Konzept sprechen. Hinzu kommt, dass 2006 Pilotprojekte ausliefen, die bei Erfolg weitergeführt werden sollen. Wie z.B. die Ausforschungsaktion der Telefonabfrage durch das Telekom Tochterunternehmen "Vivento Customers Services“.

Im Formbrief der BA zur Telefonabfrage an ARGE-Geschäftsführungen vom 9.12.2005 heißt es u.a.: „Die telefonische Bestandsklärung vom 20. Juli bis 23. September 2005 hat gezeigt, dass die Aktualität der Daten im Rechtskreis SGB II nach wie vor vielfach nicht
ausreichend ist und ein Bedarf zur Aktualisierung und Bereinigung der Bestände besteht. (……) Deshalb beabsichtigt die BA, die telefonische Bestandsklärung in einem Pilotprojekt zu einem dauerhaften Angebot für die ARGEn weiterzuentwickeln und ab Januar 2006 zunächst den 60 größten ARGEn anzubieten. Die Einrichtung des SC Kundenbetreuung SGB II war zunächst bis 2006 geplant. Der Auftrag im dazugehörigen Formbrief der BA für ARGEn an die Kunden geht noch weiter in der Entrechtung von ALG II Beziehern: „Die Zeiten, zu denen Sie mit einem Anruf rechnen können sind von Montag bis Freitag zwischen 8 und 20 Uhr“. Ein dicker Hammer einer Entrechtung von ALG II Beziehern, der erst mit der Residenzpflicht im Fortentwicklungsgesetz ab 1.8.2006 die richtige Tragweite der Unternehmung anzeigt.

Betrachtet man den Ablauf meines Auszahlungsproblems etwas genauer, treten Fragen auf, die nicht allein mit einer Computerpanne zu erklären sind. Vorab sollte man wissen, dass ich seit 04/04 zahlreichen unrechtmäßigen Bescheiden, Leistungsverweigerungen wie Zahlungszögerungen ausgesetzt bin. Seither treten zu jedem Jahreswechsel Schwierigkeiten auf. Vermutlich mag mein Sachbearbeiter neckische Spiele, die immer wieder auch zum Aushungern führten. Derzeit laufen noch 5 Klagen zu Forderungen von insg. etwa 1600 €. Welche Grausamkeiten sich gegen einen Menschen hinter einem solchen Betrag verbergen, können sich ALG II Bezieher sicher vorstellen.

Abstruse Unstimmigkeiten beim diesjährigen Auszahlungsproblem
Dass ich meinen Folgeantrag erst am 20.12.2006 erhalten und abgegeben habe, spielt in der Geschichte keine Rolle. Denn der diesbezügliche Bescheid, datiert vom 20.12.06, ging mir bereits am 22.12.06 (Freitag vor Weihnachten) zu. Demnach stand einer pünktlichen Auszahlung zum 1.1. gar nichts im Wege. Auch andere Leistungsempfänger, die ihren Antrag schon früher abgaben, erhielten zum Jahresanfang ebenso kein Geld. Interessant erscheint mir das Begleitschreiben zum Antragsformular, das durchaus auf beabsichtigte Vorgehensweisen hinweisen könnte.

Im Begleitschreiben vom 20.12. war der 29.12. als letzter Abgabetermin angegeben. Kein Wort darüber, das alle Sozialdienststellen vom 27.12.06 bis 3.1.07 wegen Urlaub geschlossen waren. Der 20.12.06 war der letzte Tag, an dem die Biebricher Sozialbehörde geöffnet hatte. Ich reagierte schnell, gab den Antrag am gleichen Tag ab. Mein Sachbearbeiter war wie selten sehr fleißig und stellte ebenso am selben Tag den Bescheid aus. Aber nicht, ohne eine neue Spielart einzubringen. Für das nächste halbe Jahr wurde eine monatliche Leistungskürzung von 251,43 € beschieden. So hatte ich an Weihnachten nichts Besseres zu tun als erschüttert zu sein und einen Widerspruch zu schreiben, den ich am 27.12. an verschiedenen zuständigen Ämtern vergeblich abzugeben versuchte. An allen drei geschlossenen Amtsstellen befand sich kein Hinweis auf einen Notdienst, wie Amtsleiter Werner dies gegenüber der FR behauptete. Ein wohl dreistes Trick, einen erwachsenen Menschen öffentlich zu entmündigen, da dieser anscheinend nicht lesen könne.

Während meiner Vorsprachen am 3. und 8. Januar beim zuständigen „Amt für Soziale Arbeit“ kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Beide Male habe ich mich sehr wohl gewehrt, fand jedoch weder Gehör noch war auf die Computerpanne bei der BA hingewiesen worden. Für Amtsleiter Werner, wie auch für seine Amtsmitarbeiter, wäre es ein leichtes gewesen, das Auszahlungsproblem dahingehend zu erklären. Auf die noch schwierigere Frage, warum bei einem seid dem 20.12. bestehendem Bescheid nicht einmal der gekürzte Betrag überwiesen worden sei, ging man schon gar nicht ein. Stattdessen spricht man von wenigen Einzelfällen.

Warum verschweigt man die Panne bei der BA bis heute? Den Wiesbadener Bürgern, wie auch Bundesweit!!
Hatte mein Sachbearbeiter womöglich schon weitaus früher von den Zahlungsverzögerungen zum Jahreswechsel gewusst und mir ggf. eine Leistungsänderung im Folgeantrag untergeschoben? Ein Kollege berichtete mir von einem Vorgang im Stadtparlament, wo Monate zuvor darüber gesprochen worden sei, dass zum Jahreswechsel nicht ausgezahlt würde.
Ist diese Panne bei der BA, wie vielleicht auch schon Vorausgegangene, ein kalkuliertes Rechenspiel zugunsten der Statistiken?
Sicher ist nur, dass sich die Computerpanne auf ganz spezielle Leistungsempfänger im ganzen Bundesgebiet auswirkte. Demnach war mit keinem lauten Aufschrei einer breiten Schicht so wie bundesweiter Berichterstattungen zu rechnen. Die im Dezember an- bzw. auszuweisenden Summen werden vorerst wohl nicht in die Jahresbilanz und Statistik für 2006 eingehen, sondern wahrscheinlich als Nachtrag behandelt.

Warum enthielt die Einzelfallschikane meines Vorgangs so viele Tücken?
Ausgangspunkt der Leistungskürzung war eine einmalige Verrechnung von Mietnebenkosten in Höhe von 262,86 €. Dem Amt wurde die Rückerstattung am 3.10.06 angezeigt. In weiteren Schreiben bat ich um Verrechnung in den Monaten 11/06 und 12/06. Auf keines meiner Schreiben wurde regiert. Erst im Januar 07 erfolgte die Verrechnung lt. Bescheid vom 20.12.06 in geminderter Höhe von 251,43 € für alle 6 Monate des Folgeantrags. Ob ein einmaliger Abzug als Leistungsänderung im Sinne der Datenbank Updateproblematik angesehen werden kann, sei noch dahin gestellt. Verwundert hat mich allerdings der grobe Fehler eines Abzugs von 251,43 € für alle 6 Monate bei falscher Betragsangabe der Mietnebenkosten. Wie ich meinen Berater kenne, ist dieser ein erfahrener Sachbearbeiter, der nichts ohne Überlegung angeht. In mehreren Fällen verursachte er durch rechtswidrige Bescheide derart existenzielle Notlagen, die mich immer wieder tagelang hungern ließen, so dass meine Gesundheit nachhaltig beeinträchtigt wurde. Eindeutig rechtswidrige Bescheide wurden nicht zurückgenommen und einem mehrjährigen Klageweg überlassen.

Daher stelle ich den Zeitpunkt des Abzugs in Frage. Als regelmäßig geplagte Kundin richte ich mich immer wieder auf mögliche Fallen ein. Erfahrungsgemäß kann ich sagen; habe ich einen Zug gewonnen, ist mit einer nächsten Aktion zu rechnen. So läuft es zwischen uns seit knapp 3 Jahren. Kein Wunder also, dass am 8. Januar immer noch kein Geld überwiesen war.
Als ich am 8. Januar einen Scheck wollte, forderte mich eine Mitarbeiterin sogar auf, meinen Kontostand besser zu lesen. Das Geld sei lt. Buchungsbeleg bereits am 02.01.2007, 9:22 Uhr angewiesen. Einen Scheck gäbe es deshalb nicht. Nach einer etwa 20-30müntigen Auseinendersetzung konnte ich es mir nicht verkneifen zu sagen, dass mein Sachbearbeiter wohl gerade jetzt auf die Taste „Sofort-Überweisung“ drückt. Gegen 14 Uhr des gleichen Tages rief ein Angestellter meiner Bank wegen dem ausgebliebenen Zahlungseingang an. Ich fragte, ob es sein kann, dass die Überweisung vom 2.1.07 noch im Haus unterwegs sei. Dazu kam ein klares Nein, da er schon alles geprüft habe. Eine Viertelstunde später rief er nochmals an, „die Überweisung sei nun da“. Demnach stimmte der offizielle Buchungsbeleg vom 2.1.07 nicht mit dem Überweisungsdatum überein. Dumm gelaufen für eine verdeckte Schikane. (Anna Fleischer, veröffentlicht am 30.01.07)

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