Zwangsräumungen sind keine Randerscheinung mehr. Der rasante Anstieg der Lebenshaltungskosten und unzureichende finanzielle Unterstützung haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen ihre Miete nicht bezahlen können. Diese Zahlungsrückstände münden häufig in fristlose Kündigungen, die letztlich durch gerichtliche Verfügungen zur Räumung einer Wohnung führen.
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Viele Zwangsräumungen können vermieden werden
Im Jahr 2022 kam es deutschlandweit laut vorliegenden Daten zu etwa 27.300 Zwangsräumungen. Besonders dramatisch ist, dass viele dieser Fälle hätten vermieden werden können, wenn die zuständigen Behörden ihre Verantwortung wahrgenommen hätten. Das Jobcenter, ist in bestimmten Situationen zur Übernahme der Wohnkosten verpflichtet, jedoch verweist es oft auf andere Leistungen und lehnt ab.
Zwangsräumungen: Hintergründe zur steigenden Zahl
Die Zahl von 27.319 Zwangsräumungen in einem Jahr bedeutet statistisch gesehen rund 75 Räumungen pro Tag. Für betroffene Mieter steht dabei meist eine existenzielle Frage im Raum: Wie sollen sie ihre Wohnung halten, wenn das Einkommen nicht mehr ausreicht? Der Vermieter kann bei größeren Mietrückständen ohne vorherige Abmahnung kündigen. Das Mietverhältnis endet dann umgehend, sobald die Kündigung rechtlich Bestand hat.
Ein wichtiger Punkt: Viele Mieter, denen gekündigt wurde, erhielten eine Ablehnung ihrer Leistungen. Dadurch bleibt ihnen letztlich nur der Weg in die Obdachlosigkeit oder zu Bekannten, wenn nicht rasch eine andere Lösung gefunden wird. Doch an genau dieser Stelle müsste das Jobcenter aktiv werden.
Mietübernahme durch das Jobcenter: Wann besteht Anspruch?
Gemäß aktueller Gesetzeslage sind Jobcenter unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, Wohnkosten zu übernehmen. Das gilt primär, wenn das eigene Einkommen oder bestimmte vorrangige Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag nicht ausreichen.
Theoretisch deckt das Bürgergeld in diesen Fällen die Aufwendungen für Miete sowie weitere notwendige Lebenshaltungskosten.
Entscheidend ist, dass die Wohnkosten (Miete plus Nebenkosten) angemessen sind. Was angemessen ist, variiert je nach Region und den dortigen Mietspiegeln. Werden die Kosten als zu hoch eingestuft, kann das Jobcenter eine Kostensenkungsaufforderung aussprechen.
Betroffene werden dann aufgefordert, sich nach einer günstigeren Wohnung umzusehen oder eine Untervermietung in Erwägung zu ziehen. Allerdings entstehen hier oft realitätsferne Situationen, weil der Wohnungsmarkt in vielen Städten kaum bezahlbare Alternativen bietet.
Wichtig zu wissen: Selbst wenn Wohngeld oder Kinderzuschlag grundsätzlich vorrangig sind, darf das Jobcenter nicht einfach die Leistung verweigern. Bis die andere Behörde über einen Wohngeldantrag entscheidet, bleibt das Jobcenter in der Pflicht, zumindest vorübergehend die Miete zu übernehmen.
Häufige Ablehnungen durch das Jobcenter: Gründe und Rechtslage
Wenn Jobcenter Leistungen verweigern, argumentieren sie häufig mit Verweis auf „vorrangige Leistungen“, zu denen unter anderem Wohngeld oder der Kinderzuschlag gehören. Wer diese Leistungen beantragen könnte, wird oft mit einem Ablehnungsbescheid abgespeist. Dabei wird die Verantwortung auf andere Ämter geschoben. In vielen Fällen ist diese Praxis jedoch nicht rechtmäßig.
Rechtsgrundlage dafür bildet unter anderem § 12a SGB II (Sozialgesetzbuch II). Das Jobcenter darf Mieter zwar dazu anhalten, zunächst mögliche Wohngeldansprüche zu prüfen. Dennoch besteht für die Zeit bis zu einer finalen Entscheidung über den Wohngeld- oder Kinderzuschlagsantrag ein Anspruch auf Bürgergeld. Wird dieser Zeitraum nicht überbrückt, laufen Betroffene Gefahr, ihre Miete nicht begleichen zu können.
Typische Anzeichen einer unrechtmäßigen Ablehnung
- Betroffene können kein eigenes Einkommen vorweisen oder das Einkommen liegt deutlich unterhalb des Bedarfs.
- Es wurde zwar ein Wohngeldantrag gestellt, aber bislang nicht abschließend darüber entschieden.
- Das Jobcenter teilt lediglich mit, Wohngeld sei vorrangig. Eine Prüfung der Eilbedürftigkeit erfolgt nicht.
Hier liegt häufig eine Fehlentscheidung des Jobcenters vor. Wer also merkt, dass die Kosten nicht mehr tragbar sind, sollte umgehend auf Klärung drängen und in jedem Fall Widerspruch gegen einen Ablehnungsbescheid einlegen.
Fristlose Kündigung bei Mietschulden: Was Mieter wissen sollten
Ein Mietvertrag kann bei erheblichen Rückständen ohne Abmahnung gekündigt werden. Das Gesetz definiert „erheblich“ in der Regel als Zahlungsverzug von zwei aufeinanderfolgenden Monaten oder als Gesamtrückstand über mehrere Monate in Höhe von mindestens zwei Monatsmieten.
Die fristlose Kündigung bewirkt, dass Mieter rasch ihre Wohnung verlieren können, sofern sie keinen Einspruch einlegen oder die offene Summe vollständig begleichen.
Auch wenn die fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, kann es Situationen geben, in denen ein rasches Handeln das Schlimmste verhindert. Zum Beispiel kann ein Antrag auf Übernahme von Mietschulden beim zuständigen Jobcenter gestellt werden.
Zwar liegt die Bewilligung im Ermessen, aber in Fällen, in denen Wohnungs- oder Obdachlosigkeit drohen, wird eine Leistungsbewilligung häufig erteilt.
Praktische Schritte bei drohender Zwangsräumung: So setzt man Ansprüche durch
Wer eine Kündigung erhält oder bereits eine drohende Zwangsräumung fürchten muss, sollte schnell reagieren. Das bedeutet:
- Kontakt mit dem Vermieter suchen
Möglicherweise lässt sich eine Ratenzahlung vereinbaren oder der Vermieter stimmt einer vorübergehenden Stundung zu. - Beim Jobcenter Antrag stellen
Ist noch kein Bürgergeldantrag gestellt, sollte dies sofort erfolgen. Es empfiehlt sich, alle relevanten Unterlagen (Mietvertrag, Kontoauszüge, eventuelle Bescheide) beizufügen, damit keine Verzögerungen entstehen. - Widerspruch einlegen
Liegt bereits ein Ablehnungsbescheid vor, kann ein formloser Widerspruch innerhalb der Frist eingereicht werden. Dies verhindert, dass der Bescheid rechtskräftig wird. - Rechtsberatung oder Beratungsstelle aufsuchen
Fachleute erkennen schnell, ob eine Leistungspflicht des Jobcenters vorliegt. Viele Beratungsstellen bieten kostenfreie oder kostengünstige Unterstützung an. - Fristen beachten
Sowohl bei der Kündigung als auch bei gerichtlichen Verfahren sind festgelegte Fristen einzuhalten. Wer zu spät reagiert, vergibt wertvolle Chancen.
Fehler im System: Warum es trotz klarer Pflichten immer wieder zu Ablehnungen kommt
Obwohl die Gesetzeslage eindeutig bestimmt, dass Jobcenter zumindest vorübergehend für Miete und Lebensunterhalt aufkommen müssen, versuchen viele Ämter, Ausgaben zu minimieren. Die interne Vorgabe, Kosten zu sparen, führt häufig zu voreiligen Ablehnungen. Oft wird der Antrag nicht vollständig geprüft oder es wird behauptet, der Antragsteller müsse sich an ein anderes Amt wenden.
Vieles liegt in der Komplexität der Sozialgesetzgebung begründet. Jeder Leistungsbereich – ob Bürgergeld, Wohngeld oder Kinderzuschlag – hat eigene Anforderungen und Zuständigkeiten. F
ür Menschen in einer akuten Notlage ist die zeitnahe Bearbeitung oft überlebenswichtig. Doch die Realität zeigt, dass viele Sachbearbeiter entweder überlastet sind oder nicht über alle Regelungen Bescheid wissen.
Chancen auf Rettung: Was Mieter konkret tun können
Auch wenn die Situation zunächst ausweglos erscheint, existieren rechtliche Möglichkeiten, Zwangsräumungen zu verhindern. Neben den Anträgen beim Jobcenter sollten Betroffene die Kommunikation mit den Gerichten nicht scheuen.
Steht bereits ein Räumungstermin fest, kann in manchen Fällen ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO (Zivilprozessordnung) gestellt werden. Dieser hat Erfolgsaussichten, wenn besondere Härten vorliegen, etwa Krankheit, Schwangerschaft oder Pflegebedürftigkeit.
Weiterhin ist es wichtig, sich rechtzeitig um eine tragfähige Perspektive zu bemühen. Wer über begrenzte finanzielle Ressourcen verfügt, muss darauf achten, alle infrage kommenden Sozialleistungen zu beantragen, um die Wohnung zu sichern.
Kein Rauswurf ohne Gegenwehr: So lässt sich ein Bürgergeld-Bescheid korrekt prüfen
Ein Bürgergeld-Bescheid ist ein Dokument, das neben dem Regelsatz auch die Kosten der Unterkunft aufführt. Fehler schleichen sich schnell ein, etwa wenn Warmwasserkosten unzulässig abgezogen werden oder bestimmte Einkommensbestandteile doppelt angerechnet werden. Betroffene sollten deshalb prüfen lassen, ob alle Beträge korrekt erfasst sind.
Prüfung des Bürgergeld-Bescheids nutzen
Wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bürgergeld-Bescheids bestehen oder man sich nicht sicher ist, ob alle Mietanteile korrekt berechnet wurden, kann man auf eine kostenlose Prüfung zurückgreifen. Einige Organisationen und Rechtsportale bieten Online-Dienste an, bei denen Fachleute den Bescheid analysieren und gezielte Handlungsempfehlungen geben.
Diese Prüfung kann den entscheidenden Unterschied ausmachen, um unberechtigte Kürzungen oder Ablehnungen aufzudecken. Wer seine Rechte kennt, kann effektiver gegen drohende Zwangsräumungen vorgehen und möglicherweise den Verlust der Wohnung verhindern.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.