Wer Bürgergeld bezieht, dessen Einkommen wird auf die Leistungen angerechnet. Bestimmte Einnahmen werden im Sozialgesetzbuch II (SGB II) allerdings nicht berücksichtigt und bleiben daher anrechnungsfrei. Neben den bereits in § 11a SGB II festgelegten Einnahmen sollen nach der neuen Bürgergeld-Verordnung weitere Einnahmen anrechnungsfrei gestellt werden.
Welche Einnahmen werden im Bürgergeld ab Juli 2023 im Bürgergeld nicht mehr als Einkommen berücksichtigt:
- Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, die nach § 3 Nummer 12, Nummer 26 oder Nummer 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, soweit diese Einnahmen einen Betrag in Höhe von 3.000 Euro im Kalenderjahr nicht überschreiten
- Mutterschaftsgeld nach § 19 des Mutterschutzgesetzes
- Erbschaften (gelten dann als Vermögen mit Freibeträgen)
- Neuregelung bei Ferienjobs
- bisherige Regelung von Einnahmen, die im § 11a nicht als Einkommen im SGB II berücksichtigt werden (hier).
Bisher wurden diese Tätigkeiten durch höhere monatliche Pauschalabzugsbeträge gefördert. Die neue Regelung ersetzt diese Regelung. Der Unterschied besteht darin, dass nun die Tätigkeiten über das ganze Jahr betrachtet werden.
Diese Regelung orientiert sich nun am Steuerrecht. Sie stellt in der Tat eine Vereinfachung für die Leistungsberechtigten und die Verwaltung in den Jobcentern dar.
Begrenzung auf 3000 Euro jährlich ist nicht sinnvoll
Die Begrenzung des Freibetrages beim Bürgergeld auf 3.000 Euro pro Kalenderjahr ist nach Ansicht von Sozialrechtsexperten allerdings nicht sinnvoll. Dieser Betrag entspricht der derzeitigen Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG, die in den letzten Jahren mehrfach erhöht wurde.
Zusätzlich zur Übungsleitervergütung kann für ehrenamtliche Tätigkeiten (bei einem anderen Träger) eine steuerfreie Aufwandsentschädigung von bis zu 840 Euro pro Jahr gezahlt werden. Bei diesen Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 EStG handelt es sich um Zahlungen aus öffentlichen Kassen, z.B. für politische Ämter.
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Nach Ansicht des Sozialrechtsexperten Bernd Eckhardt von “Sozialrecht Justament” wäre es konsequenter gewesen, die steuerlich begünstigten Beträge in der Höhe steuerfrei zu stellen, in der sie begünstigt sind. Damit würden künftige steuerliche Änderungen automatisch im SGB II berücksichtigt. Trotz dieser Einschränkung sei die Neuregelung insgesamt besser als die bisherige Regelung, die bis zum 30. Juni 2023 im Bürgergeld gelte.
Die Fälle, in denen die Neuregelung zu einer Verschlechterung führt, sind laut Eckhardt selten und gering. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen.
Beispiel für eine Verbesserung durch die Bürgergeld-Neuregelung ab Juli 2023
Herr A. hat einen Minijob und verdient 400 Euro (brutto/netto). Zusätzlich ist er Übungsleiter im Sportverein und erhält dafür eine Aufwandsentschädigung von weiteren 250 Euro.
Bis zum 30. Juni 2023 gilt: Aufgrund der Aufwandsentschädigung erhöht sich sein Grundfreibetrag von 100 Euro auf 250 Euro. Darüber hinaus blieben 20 Prozent seines 100 Euro übersteigenden Gesamteinkommens von 550 Euro, also 110 Euro, anrechnungsfrei. Insgesamt betrug sein anrechnungsfreies Einkommen somit 360 Euro.
Ab Juli 2023 wird die Aufwandsentschädigung von 250 Euro nicht mehr als Einkommen angerechnet. Beim Minijob bleiben 160 Euro anrechnungsfrei (Grundfreibetrag von 100 Euro plus 20 Prozent des 100 Euro übersteigenden Einkommens). Insgesamt bleiben also 410 Euro anrechnungsfrei. Das ist eine Verbesserung um 50 Euro.
Beispiel für eine Verschlechterung durch die Bürgergeld-Neuregelung ab Juli 2023
Frau B. hat einen Minijob und verdient 150 Euro. Zusätzlich erhält sie 150 Euro aus einer steuerbegünstigten Tätigkeit.
Bis Juni 2023 gilt: In dieser Situation beträgt ihr Grundfreibetrag 250 Euro. Zusätzlich bleiben 20 Prozent der 100 Euro übersteigenden Gesamteinkünfte anrechnungsfrei, also 20 Prozent von 200 Euro, also 40 Euro. Insgesamt bleiben also 290 Euro anrechnungsfrei, während nur 10 Euro leistungsmindernd berücksichtigt werden.
Ab Juli 2023: wird die Aufwandsentschädigung gar nicht mehr angerechnet. Vom Minijob bleiben der Grundfreibetrag von 100 Euro und 20 Prozent des 100 Euro übersteigenden Einkommens anrechnungsfrei, also 20 Prozent von 50 Euro, also 10 Euro. Es werden dann 40 Euro leistungsmindernd berücksichtigt. In diesem Beispiel ergibt sich ab Juli 2023 ein Nachteil von 30 Euro gegenüber der bisherigen Regelung.
Keine Anrechnung des Mutterschaftsgeldes
Die Anrechnungsfreiheit des Mutterschaftsgeldes nach § 19 Mutterschutzgesetz wirkt sich positiv aus und führt zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung.
Bis zum 30. Juni 2023 bleibt das Mutterschaftsgeld nur dann anrechnungsfrei, wenn das Elterngeld wegen des Mutterschaftsgeldes ruht und ein Elterngeldfreibetrag nach § 10 BEEG besteht. Zur Neuregelung besteht kein besonderer Beratungsbedarf. Die Frage des Zuflusses, die beim Mutterschaftsgeld immer eine Rolle spielt, ist durch die Nichtberücksichtigung als Einkommen geklärt.
Für den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld ändert sich grundsätzlich nichts. Er wird weiterhin wie Erwerbseinkommen berechnet. Die geringfügigen Änderungen beim Erwerbstätigenfreibetrag werden ab Juli 2023 selbstverständlich auch beim Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld berücksichtigt.
Erbschaften werden nicht mehr als Einkommen gewertet
Die Neuregelung bringt eine deutliche Verbesserung für Bürgergeld-Bezieher, die während des Leistungsbezugs eine Erbschaft erhalten.
Da der Gesetzgeber ausdrücklich von “Erbschaften” spricht, stellt sich die Frage, ob “Vermächtnisse” weiterhin als Einkommen angerechnet werden, so Eckardt. Nach Ansicht des Sozialrechtsexperten sollte die Regelung, die Erbschaften gänzlich von der Einkommensanrechnung befreit, analog auch für Vermächtnisse gelten.
Achtung: Durch den Wegfall der Aufteilungsregelung (auf 6 Monate) bei höheren einmaligen Einnahmen (mit Ausnahme von Nachzahlungen) kann jedoch auch der Zufluss eines Vermächtnisses im Zuflussmonat zu einem vorübergehenden Wegfall der Leistungen führen.
Die Anrechnung der Erbschaft oder des Vermächtnisses als Vermögen bleibt bestehen. Der große Vorteil betrifft insbesondere Personen, die eine kleine Erbschaft erhalten, deren Wert unter der Vermögensfreigrenze liegt.
Neue Regelung bei Einnahmen aus Ferienjobs
Bis Juni 2023 sieht die Bürgergeldverordnung in § 1 Abs. 1 Nr. 16 vor, dass Einnahmen aus Ferienjobs bis zu einer Höhe von 2.400 Euro nicht auf die Leistungen angerechnet werden. Ab Juli 2023 wird diese Regelung in § 11a Abs. 7 SGB II überführt. Die Begrenzung auf 2.400 Euro entfällt und die Begünstigung gilt weiterhin nur für Leistungsbeziehende unter 25 Jahren.
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